den Zeitpunkt festzustellen, für welchen die Schätzung des zu vergütenden Werthes vorzunehmen ist.
Die Frage nach diesem Zeitpunkt hatte für das mittlere R. R. eine viel ausgedehntere Anwendung und Wichtigkeit als für das älteste, so wie für das Justinianische und heu- tige Recht. Da nämlich in der Zeit des Formularprozesses alle Verurtheilung nur auf baares Geld gerichtet werden durfte (a), so war damals eine Schätzung in Geld auch da nöthig, wo der ursprüngliche Gegenstand des Rechts- streits gar keine Verminderung erlitten hatte; im Justinia- nischen und heutigen Recht dagegen, so wie in der ältesten Zeit, ist die Schätzung nur im Fall einer solchen Vermin- derung erforderlich, weil außerdem das Urtheil auf den ur- sprünglichen Gegenstand selbst unmittelbar gerichtet wird.
Ich will eine Uebersicht der für den Zeitpunkt der Schätzung geltenden Regeln voraus schicken; dadurch wird es leichter werden, die nicht geringen Schwierigkeiten zu überwinden, die mit der Begründung jener Regeln durch die Aussprüche unsrer Rechtsquellen verbunden sind.
Der Regel nach ist zu unterscheiden zwischen den stren- gen und freien Klagen. Bei den strengen richtet sich die Schätzung nach der Zeit der L. C., bei den freien nach der Zeit des rechtskräftigen Urtheils.
Zwei Ausnahmen sind auf beide Regeln anzuwenden. Wenn durch Vertrag eine bestimmte Zeit der Erfüllung für eine Obligation vorgeschrieben war, so ist diese Zeit
(a)Gajus IV. § 48.
§. 275. Wirkung der L. C. — Schätzungszeit.
den Zeitpunkt feſtzuſtellen, für welchen die Schätzung des zu vergütenden Werthes vorzunehmen iſt.
Die Frage nach dieſem Zeitpunkt hatte für das mittlere R. R. eine viel ausgedehntere Anwendung und Wichtigkeit als für das älteſte, ſo wie für das Juſtinianiſche und heu- tige Recht. Da nämlich in der Zeit des Formularprozeſſes alle Verurtheilung nur auf baares Geld gerichtet werden durfte (a), ſo war damals eine Schätzung in Geld auch da nöthig, wo der urſprüngliche Gegenſtand des Rechts- ſtreits gar keine Verminderung erlitten hatte; im Juſtinia- niſchen und heutigen Recht dagegen, ſo wie in der älteſten Zeit, iſt die Schätzung nur im Fall einer ſolchen Vermin- derung erforderlich, weil außerdem das Urtheil auf den ur- ſprünglichen Gegenſtand ſelbſt unmittelbar gerichtet wird.
Ich will eine Ueberſicht der für den Zeitpunkt der Schätzung geltenden Regeln voraus ſchicken; dadurch wird es leichter werden, die nicht geringen Schwierigkeiten zu überwinden, die mit der Begründung jener Regeln durch die Ausſprüche unſrer Rechtsquellen verbunden ſind.
Der Regel nach iſt zu unterſcheiden zwiſchen den ſtren- gen und freien Klagen. Bei den ſtrengen richtet ſich die Schätzung nach der Zeit der L. C., bei den freien nach der Zeit des rechtskräftigen Urtheils.
Zwei Ausnahmen ſind auf beide Regeln anzuwenden. Wenn durch Vertrag eine beſtimmte Zeit der Erfüllung für eine Obligation vorgeſchrieben war, ſo iſt dieſe Zeit
(a)Gajus IV. § 48.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0217"n="199"/><fwplace="top"type="header">§. 275. Wirkung der L. C. — Schätzungszeit.</fw><lb/>
den <hirendition="#g">Zeitpunkt</hi> feſtzuſtellen, für welchen die Schätzung des<lb/>
zu vergütenden Werthes vorzunehmen iſt.</p><lb/><p>Die Frage nach dieſem Zeitpunkt hatte für das mittlere<lb/>
R. R. eine viel ausgedehntere Anwendung und Wichtigkeit<lb/>
als für das älteſte, ſo wie für das Juſtinianiſche und heu-<lb/>
tige Recht. Da nämlich in der Zeit des Formularprozeſſes<lb/>
alle Verurtheilung nur auf baares Geld gerichtet werden<lb/>
durfte <noteplace="foot"n="(a)"><hirendition="#aq"><hirendition="#k">Gajus</hi> IV.</hi> § 48.</note>, ſo war damals eine Schätzung in Geld auch<lb/>
da nöthig, wo der urſprüngliche Gegenſtand des Rechts-<lb/>ſtreits gar keine Verminderung erlitten hatte; im Juſtinia-<lb/>
niſchen und heutigen Recht dagegen, ſo wie in der älteſten<lb/>
Zeit, iſt die Schätzung nur im Fall einer ſolchen Vermin-<lb/>
derung erforderlich, weil außerdem das Urtheil auf den ur-<lb/>ſprünglichen Gegenſtand ſelbſt unmittelbar gerichtet wird.</p><lb/><p>Ich will eine Ueberſicht der für den Zeitpunkt der<lb/>
Schätzung geltenden Regeln voraus ſchicken; dadurch wird<lb/>
es leichter werden, die nicht geringen Schwierigkeiten zu<lb/>
überwinden, die mit der Begründung jener Regeln durch<lb/>
die Ausſprüche unſrer Rechtsquellen verbunden ſind.</p><lb/><p>Der Regel nach iſt zu unterſcheiden zwiſchen den ſtren-<lb/>
gen und freien Klagen. Bei den ſtrengen richtet ſich die<lb/>
Schätzung nach der Zeit der L. C., bei den freien nach der<lb/>
Zeit des rechtskräftigen Urtheils.</p><lb/><p>Zwei Ausnahmen ſind auf beide Regeln anzuwenden.<lb/>
Wenn durch Vertrag eine beſtimmte <hirendition="#g">Zeit der Erfüllung</hi><lb/>
für eine Obligation vorgeſchrieben war, ſo iſt dieſe Zeit<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[199/0217]
§. 275. Wirkung der L. C. — Schätzungszeit.
den Zeitpunkt feſtzuſtellen, für welchen die Schätzung des
zu vergütenden Werthes vorzunehmen iſt.
Die Frage nach dieſem Zeitpunkt hatte für das mittlere
R. R. eine viel ausgedehntere Anwendung und Wichtigkeit
als für das älteſte, ſo wie für das Juſtinianiſche und heu-
tige Recht. Da nämlich in der Zeit des Formularprozeſſes
alle Verurtheilung nur auf baares Geld gerichtet werden
durfte (a), ſo war damals eine Schätzung in Geld auch
da nöthig, wo der urſprüngliche Gegenſtand des Rechts-
ſtreits gar keine Verminderung erlitten hatte; im Juſtinia-
niſchen und heutigen Recht dagegen, ſo wie in der älteſten
Zeit, iſt die Schätzung nur im Fall einer ſolchen Vermin-
derung erforderlich, weil außerdem das Urtheil auf den ur-
ſprünglichen Gegenſtand ſelbſt unmittelbar gerichtet wird.
Ich will eine Ueberſicht der für den Zeitpunkt der
Schätzung geltenden Regeln voraus ſchicken; dadurch wird
es leichter werden, die nicht geringen Schwierigkeiten zu
überwinden, die mit der Begründung jener Regeln durch
die Ausſprüche unſrer Rechtsquellen verbunden ſind.
Der Regel nach iſt zu unterſcheiden zwiſchen den ſtren-
gen und freien Klagen. Bei den ſtrengen richtet ſich die
Schätzung nach der Zeit der L. C., bei den freien nach der
Zeit des rechtskräftigen Urtheils.
Zwei Ausnahmen ſind auf beide Regeln anzuwenden.
Wenn durch Vertrag eine beſtimmte Zeit der Erfüllung
für eine Obligation vorgeſchrieben war, ſo iſt dieſe Zeit
(a) Gajus IV. § 48.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/217>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.