Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap IV. Verletzung.
Vielmehr liegt in den Verzugszinsen nur der häufigste
Fall der Anwendung, während ganz dasselbe Princip auch
ohne Mora bei vielen Rechtsverhältnissen zur Anwendung
kommt. So soll insbesondere Jeder, der fremde Geschäfte
verwaltet, und dafür aus eigenem Vermögen Auslagen
macht, landübliche Zinsen des ausgelegten Geldes fordern
können, auch wenn seinem Gegner eine Mora nicht zur
Last fällt (d).

Es ist ferner unrichtig, wenn Manche die Verzugs-
zinsen als ein besonderes Privilegium derjenigen Verträge
und Klagen ansehen, die den besonderen Namen bonae
fidei actiones
führen. Vielmehr beruhen sie auf einer
durchgreifenden Regel für alle Obligationen überhaupt,
deren Anwendung nur bei den Condictionen (den strengen
Klagen) durch die besondere Natur dieser Klagen gehindert
wird. Daher galten die Verzugszinsen ohne Zweifel von
jeher auch bei allen denjenigen freien Klagen, welche nicht
den Namen bonae fidei actiones führten, also insbesondere bei
den prätorischen Klagen und den extraordinariae actiones (e).


(3. 5); eben so die usurae rei
judicatae
nach Justinians
neuen Vorschriften. Nur ist der
Entstehungsgrund der Zinsenfor-
derung in diesen einzelnen Fällen
nicht specifisch verschieden, anstatt
daß die Vertragszinsen von den aus
einer allgemeinen Rechtsregel ent-
stehenden durchaus verschieden sind.
(d) So z. B. bei dem Mandat,
der negotiorum gestio, der So-
cietät und Tutel. L. 12 § 9 mand.
(17. 1), L. 19 § 4 de neg. gest.

(3. 5). Wenn in diesen Fällen
der Geschäftsführer beweisen kann,
daß er zu ungewöhnlich hohen
Zinsen Geld anfnehmen mußte um
die Auslage zu machen, so kann
er auch dafür Ersatz fordern. Das
liegt wieder außer den Grenzen
unsrer allgemeinen Präsumtion.
(e) So gelten Verzugszinsen

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap IV. Verletzung.
Vielmehr liegt in den Verzugszinſen nur der häufigſte
Fall der Anwendung, während ganz daſſelbe Princip auch
ohne Mora bei vielen Rechtsverhältniſſen zur Anwendung
kommt. So ſoll insbeſondere Jeder, der fremde Geſchäfte
verwaltet, und dafür aus eigenem Vermögen Auslagen
macht, landübliche Zinſen des ausgelegten Geldes fordern
können, auch wenn ſeinem Gegner eine Mora nicht zur
Laſt fällt (d).

Es iſt ferner unrichtig, wenn Manche die Verzugs-
zinſen als ein beſonderes Privilegium derjenigen Verträge
und Klagen anſehen, die den beſonderen Namen bonae
fidei actiones
führen. Vielmehr beruhen ſie auf einer
durchgreifenden Regel für alle Obligationen überhaupt,
deren Anwendung nur bei den Condictionen (den ſtrengen
Klagen) durch die beſondere Natur dieſer Klagen gehindert
wird. Daher galten die Verzugszinſen ohne Zweifel von
jeher auch bei allen denjenigen freien Klagen, welche nicht
den Namen bonae fidei actiones führten, alſo insbeſondere bei
den prätoriſchen Klagen und den extraordinariae actiones (e).


(3. 5); eben ſo die usurae rei
judicatae
nach Juſtinians
neuen Vorſchriften. Nur iſt der
Entſtehungsgrund der Zinſenfor-
derung in dieſen einzelnen Fällen
nicht ſpecifiſch verſchieden, anſtatt
daß die Vertragszinſen von den aus
einer allgemeinen Rechtsregel ent-
ſtehenden durchaus verſchieden ſind.
(d) So z. B. bei dem Mandat,
der negotiorum gestio, der So-
cietät und Tutel. L. 12 § 9 mand.
(17. 1), L. 19 § 4 de neg. gest.

(3. 5). Wenn in dieſen Fällen
der Geſchäftsführer beweiſen kann,
daß er zu ungewöhnlich hohen
Zinſen Geld anfnehmen mußte um
die Auslage zu machen, ſo kann
er auch dafür Erſatz fordern. Das
liegt wieder außer den Grenzen
unſrer allgemeinen Präſumtion.
(e) So gelten Verzugszinſen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0154" n="136"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/>
Vielmehr liegt in den Verzugszin&#x017F;en nur der häufig&#x017F;te<lb/>
Fall der Anwendung, während ganz da&#x017F;&#x017F;elbe Princip auch<lb/>
ohne Mora bei vielen Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;en zur Anwendung<lb/>
kommt. So &#x017F;oll insbe&#x017F;ondere Jeder, der fremde Ge&#x017F;chäfte<lb/>
verwaltet, und dafür aus eigenem Vermögen Auslagen<lb/>
macht, landübliche Zin&#x017F;en des ausgelegten Geldes fordern<lb/>
können, auch wenn &#x017F;einem Gegner eine Mora nicht zur<lb/>
La&#x017F;t fällt <note place="foot" n="(d)">So z. B. bei dem Mandat,<lb/>
der <hi rendition="#aq">negotiorum gestio,</hi> der So-<lb/>
cietät und Tutel. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 12 § 9 <hi rendition="#i">mand.</hi><lb/>
(17. 1), <hi rendition="#i">L.</hi> 19 § 4 <hi rendition="#i">de neg. gest.</hi></hi><lb/>
(3. 5). Wenn in die&#x017F;en Fällen<lb/>
der Ge&#x017F;chäftsführer bewei&#x017F;en kann,<lb/>
daß er zu ungewöhnlich hohen<lb/>
Zin&#x017F;en Geld anfnehmen mußte um<lb/>
die Auslage zu machen, &#x017F;o kann<lb/>
er auch dafür Er&#x017F;atz fordern. Das<lb/>
liegt wieder außer den Grenzen<lb/>
un&#x017F;rer allgemeinen Prä&#x017F;umtion.</note>.</p><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t ferner unrichtig, wenn Manche die Verzugs-<lb/>
zin&#x017F;en als ein be&#x017F;onderes Privilegium derjenigen Verträge<lb/>
und Klagen an&#x017F;ehen, die den be&#x017F;onderen Namen <hi rendition="#aq">bonae<lb/>
fidei actiones</hi> führen. Vielmehr beruhen &#x017F;ie auf einer<lb/>
durchgreifenden Regel für alle Obligationen überhaupt,<lb/>
deren Anwendung nur bei den Condictionen (den &#x017F;trengen<lb/>
Klagen) durch die be&#x017F;ondere Natur die&#x017F;er Klagen gehindert<lb/>
wird. Daher galten die Verzugszin&#x017F;en ohne Zweifel von<lb/>
jeher auch bei allen denjenigen freien Klagen, welche nicht<lb/>
den Namen <hi rendition="#aq">bonae fidei actiones</hi> führten, al&#x017F;o insbe&#x017F;ondere bei<lb/>
den prätori&#x017F;chen Klagen und den <hi rendition="#aq">extraordinariae actiones</hi> <note xml:id="seg2pn_25_1" next="#seg2pn_25_2" place="foot" n="(e)">So gelten Verzugszin&#x017F;en</note>.</p><lb/>
            <p>
              <note xml:id="seg2pn_24_2" prev="#seg2pn_24_1" place="foot" n="(c)">(3. 5); eben &#x017F;o die <hi rendition="#aq">usurae rei<lb/>
judicatae</hi> nach <hi rendition="#g">Ju&#x017F;tinians</hi><lb/>
neuen Vor&#x017F;chriften. Nur i&#x017F;t der<lb/>
Ent&#x017F;tehungsgrund der Zin&#x017F;enfor-<lb/>
derung in die&#x017F;en einzelnen Fällen<lb/>
nicht &#x017F;pecifi&#x017F;ch ver&#x017F;chieden, an&#x017F;tatt<lb/>
daß die Vertragszin&#x017F;en von den aus<lb/>
einer allgemeinen Rechtsregel ent-<lb/>
&#x017F;tehenden durchaus ver&#x017F;chieden &#x017F;ind.</note>
            </p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0154] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap IV. Verletzung. Vielmehr liegt in den Verzugszinſen nur der häufigſte Fall der Anwendung, während ganz daſſelbe Princip auch ohne Mora bei vielen Rechtsverhältniſſen zur Anwendung kommt. So ſoll insbeſondere Jeder, der fremde Geſchäfte verwaltet, und dafür aus eigenem Vermögen Auslagen macht, landübliche Zinſen des ausgelegten Geldes fordern können, auch wenn ſeinem Gegner eine Mora nicht zur Laſt fällt (d). Es iſt ferner unrichtig, wenn Manche die Verzugs- zinſen als ein beſonderes Privilegium derjenigen Verträge und Klagen anſehen, die den beſonderen Namen bonae fidei actiones führen. Vielmehr beruhen ſie auf einer durchgreifenden Regel für alle Obligationen überhaupt, deren Anwendung nur bei den Condictionen (den ſtrengen Klagen) durch die beſondere Natur dieſer Klagen gehindert wird. Daher galten die Verzugszinſen ohne Zweifel von jeher auch bei allen denjenigen freien Klagen, welche nicht den Namen bonae fidei actiones führten, alſo insbeſondere bei den prätoriſchen Klagen und den extraordinariae actiones (e). (c) (d) So z. B. bei dem Mandat, der negotiorum gestio, der So- cietät und Tutel. L. 12 § 9 mand. (17. 1), L. 19 § 4 de neg. gest. (3. 5). Wenn in dieſen Fällen der Geſchäftsführer beweiſen kann, daß er zu ungewöhnlich hohen Zinſen Geld anfnehmen mußte um die Auslage zu machen, ſo kann er auch dafür Erſatz fordern. Das liegt wieder außer den Grenzen unſrer allgemeinen Präſumtion. (e) So gelten Verzugszinſen (c) (3. 5); eben ſo die usurae rei judicatae nach Juſtinians neuen Vorſchriften. Nur iſt der Entſtehungsgrund der Zinſenfor- derung in dieſen einzelnen Fällen nicht ſpecifiſch verſchieden, anſtatt daß die Vertragszinſen von den aus einer allgemeinen Rechtsregel ent- ſtehenden durchaus verſchieden ſind.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/154
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/154>, abgerufen am 24.11.2024.