fassung zeigt sich auch darin, daß das Preußische Recht (so wie jene neuere Romanisten) aus dem Anfang des Rechtsstreits die Mora, eben so wie die Fiction der Unred- lichkeit, entspringen läßt, und an die Mora dieselben Wir- kungen knüpft, welche aus dem unredlichen Besitz ent- springen (gg).
Die entschiedene Abweichung dieser ganzen Auffassung von dem wahren R. R. besteht aber darin, daß das R. R. den Rechtsstreit als solchen, den es in der L. C. gleichsam personificirt, zum Entstehungsgrund einer eigenthümlichen Obligation macht, unabhängig von unredlichem Besitz und von Mora, die daneben vorhanden seyn können oder nicht. Diese eigenthümliche Obligation des R. R. wird im A. L. R. ignorirt. Die practische Folge, daß die omnis causa geleistet werden muß, ist hier wie dort dieselbe, und in sofern hat allerdings diese Abweichung eine mehr theoretische als prac- tische Natur. Gerade daraus aber erhellt um so mehr, daß diese Abweichung im A. L. R. nicht mit Bewußtseyn, in der Absicht einer practischen Verbesserung, vorgenommen worden ist. Aus den oben angeführten Stellen der Mate- rialien geht auch klar hervor, daß man sich im Ganzen an die damals herrschende Lehre des gemeinen Rechts an- schließen, und diese höchstens etwas genauer bestimmen wollte.
(gg) A. G. O., Th. 1 Tit. 7 § 48. d, und A. L. R. Th. 1 Tit. 16 § 18. Ohne Zweifel aber soll hier in den Wirkungen die Mora nur dem unredlichen Besitz des § 222 (I. 7.) gleich gestellt werden, d. h. also der leichtesten Art des unredlichen Besitzes überhaupt (nach der Auffassung von Sua- rez s. o. Note cc).
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
faſſung zeigt ſich auch darin, daß das Preußiſche Recht (ſo wie jene neuere Romaniſten) aus dem Anfang des Rechtsſtreits die Mora, eben ſo wie die Fiction der Unred- lichkeit, entſpringen läßt, und an die Mora dieſelben Wir- kungen knüpft, welche aus dem unredlichen Beſitz ent- ſpringen (gg).
Die entſchiedene Abweichung dieſer ganzen Auffaſſung von dem wahren R. R. beſteht aber darin, daß das R. R. den Rechtsſtreit als ſolchen, den es in der L. C. gleichſam perſonificirt, zum Entſtehungsgrund einer eigenthümlichen Obligation macht, unabhängig von unredlichem Beſitz und von Mora, die daneben vorhanden ſeyn können oder nicht. Dieſe eigenthümliche Obligation des R. R. wird im A. L. R. ignorirt. Die practiſche Folge, daß die omnis causa geleiſtet werden muß, iſt hier wie dort dieſelbe, und in ſofern hat allerdings dieſe Abweichung eine mehr theoretiſche als prac- tiſche Natur. Gerade daraus aber erhellt um ſo mehr, daß dieſe Abweichung im A. L. R. nicht mit Bewußtſeyn, in der Abſicht einer practiſchen Verbeſſerung, vorgenommen worden iſt. Aus den oben angeführten Stellen der Mate- rialien geht auch klar hervor, daß man ſich im Ganzen an die damals herrſchende Lehre des gemeinen Rechts an- ſchließen, und dieſe höchſtens etwas genauer beſtimmen wollte.
(gg) A. G. O., Th. 1 Tit. 7 § 48. d, und A. L. R. Th. 1 Tit. 16 § 18. Ohne Zweifel aber ſoll hier in den Wirkungen die Mora nur dem unredlichen Beſitz des § 222 (I. 7.) gleich geſtellt werden, d. h. alſo der leichteſten Art des unredlichen Beſitzes überhaupt (nach der Auffaſſung von Sua- rez ſ. o. Note cc).
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
faſſung zeigt ſich auch darin, daß das Preußiſche Recht
(ſo wie jene neuere Romaniſten) aus dem Anfang des
Rechtsſtreits die Mora, eben ſo wie die Fiction der Unred-
lichkeit, entſpringen läßt, und an die Mora dieſelben Wir-
kungen knüpft, welche aus dem unredlichen Beſitz ent-
ſpringen (gg).
Die entſchiedene Abweichung dieſer ganzen Auffaſſung
von dem wahren R. R. beſteht aber darin, daß das R. R.
den Rechtsſtreit als ſolchen, den es in der L. C. gleichſam
perſonificirt, zum Entſtehungsgrund einer eigenthümlichen
Obligation macht, unabhängig von unredlichem Beſitz und
von Mora, die daneben vorhanden ſeyn können oder nicht.
Dieſe eigenthümliche Obligation des R. R. wird im A. L. R.
ignorirt. Die practiſche Folge, daß die omnis causa geleiſtet
werden muß, iſt hier wie dort dieſelbe, und in ſofern hat
allerdings dieſe Abweichung eine mehr theoretiſche als prac-
tiſche Natur. Gerade daraus aber erhellt um ſo mehr,
daß dieſe Abweichung im A. L. R. nicht mit Bewußtſeyn,
in der Abſicht einer practiſchen Verbeſſerung, vorgenommen
worden iſt. Aus den oben angeführten Stellen der Mate-
rialien geht auch klar hervor, daß man ſich im Ganzen an
die damals herrſchende Lehre des gemeinen Rechts an-
ſchließen, und dieſe höchſtens etwas genauer beſtimmen wollte.
(gg) A. G. O., Th. 1 Tit. 7
§ 48. d, und A. L. R. Th. 1 Tit. 16
§ 18. Ohne Zweifel aber ſoll
hier in den Wirkungen die Mora
nur dem unredlichen Beſitz des
§ 222 (I. 7.) gleich geſtellt werden,
d. h. alſo der leichteſten Art des
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/118>, abgerufen am 22.07.2024.
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