Annahme helfen, als ob hierin eine Controverse der alten Juristen, oder etwa ein Verhältniß des neueren Rechts zu einem abgeschafften älteren Rechtsgrundsatz vorläge. Denn die Stellen, worin die L. C. als entscheidender Zeitpunkt angegeben wird, rühren theilweise aus derselben Zeit, ja von demselben Ulpian her, aus dessen Stellen man be- weisen will, daß ein anderer und früherer Zeitpunkt allge- mein an die Stelle der L. C. gesetzt worden sey.
Wollte man sich hierin genau an den Buchstaben des Justinianischen Rechts halten, so würde doch nur folgende Annahme übrig bleiben. Bei der Erbschaftsklage müßte, abweichend von allen übrigen Klagen, ein etwas früherer Termin für den Anfang der materiellen Wirkungen des Rechtsstreits angenommen werden: nämlich anstatt der L. C. schon die Bekanntmachung der erhobenen Klage, also die Insinuation. Allein bei dieser Behauptung muß man zugeben, daß diese Eigenthümlichkeit ihren Grund hatte, nicht in der inneren Natur jener Klage selbst, sondern in historischen Umständen, die zu Justinians Zeit längst ver- schwunden waren, so daß die Aufbewahrung dieser Eigen- thümlichkeit in den Digesten in jedem Fall (auch wenn man sie noch als practisches Recht gelten lassen will) zu den mancherlei Inconsequenzen zu rechnen ist, die den Compi- latoren zum Vorwurf gereichen (x).
(x) Der Senatsschluß von Ha- drian nämlich, der ursprünglich nur für die fiscalische heredita- tis petitio, also für eine publica causa, eingeführt war, wurde nach- her auch auf die Erbrechtsklage der
§. 264. Wirkung der L. C. — Umfang. Einleitung.
Annahme helfen, als ob hierin eine Controverſe der alten Juriſten, oder etwa ein Verhältniß des neueren Rechts zu einem abgeſchafften älteren Rechtsgrundſatz vorläge. Denn die Stellen, worin die L. C. als entſcheidender Zeitpunkt angegeben wird, rühren theilweiſe aus derſelben Zeit, ja von demſelben Ulpian her, aus deſſen Stellen man be- weiſen will, daß ein anderer und früherer Zeitpunkt allge- mein an die Stelle der L. C. geſetzt worden ſey.
Wollte man ſich hierin genau an den Buchſtaben des Juſtinianiſchen Rechts halten, ſo würde doch nur folgende Annahme übrig bleiben. Bei der Erbſchaftsklage müßte, abweichend von allen übrigen Klagen, ein etwas früherer Termin für den Anfang der materiellen Wirkungen des Rechtsſtreits angenommen werden: nämlich anſtatt der L. C. ſchon die Bekanntmachung der erhobenen Klage, alſo die Inſinuation. Allein bei dieſer Behauptung muß man zugeben, daß dieſe Eigenthümlichkeit ihren Grund hatte, nicht in der inneren Natur jener Klage ſelbſt, ſondern in hiſtoriſchen Umſtänden, die zu Juſtinians Zeit längſt ver- ſchwunden waren, ſo daß die Aufbewahrung dieſer Eigen- thümlichkeit in den Digeſten in jedem Fall (auch wenn man ſie noch als practiſches Recht gelten laſſen will) zu den mancherlei Inconſequenzen zu rechnen iſt, die den Compi- latoren zum Vorwurf gereichen (x).
(x) Der Senatsſchluß von Ha- drian nämlich, der urſprünglich nur für die fiscaliſche heredita- tis petitio, alſo für eine publica causa, eingeführt war, wurde nach- her auch auf die Erbrechtsklage der
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§. 264. Wirkung der L. C. — Umfang. Einleitung.
Annahme helfen, als ob hierin eine Controverſe der alten
Juriſten, oder etwa ein Verhältniß des neueren Rechts zu
einem abgeſchafften älteren Rechtsgrundſatz vorläge. Denn
die Stellen, worin die L. C. als entſcheidender Zeitpunkt
angegeben wird, rühren theilweiſe aus derſelben Zeit, ja
von demſelben Ulpian her, aus deſſen Stellen man be-
weiſen will, daß ein anderer und früherer Zeitpunkt allge-
mein an die Stelle der L. C. geſetzt worden ſey.
Wollte man ſich hierin genau an den Buchſtaben des
Juſtinianiſchen Rechts halten, ſo würde doch nur folgende
Annahme übrig bleiben. Bei der Erbſchaftsklage müßte,
abweichend von allen übrigen Klagen, ein etwas früherer
Termin für den Anfang der materiellen Wirkungen des
Rechtsſtreits angenommen werden: nämlich anſtatt der
L. C. ſchon die Bekanntmachung der erhobenen Klage, alſo
die Inſinuation. Allein bei dieſer Behauptung muß man
zugeben, daß dieſe Eigenthümlichkeit ihren Grund hatte,
nicht in der inneren Natur jener Klage ſelbſt, ſondern in
hiſtoriſchen Umſtänden, die zu Juſtinians Zeit längſt ver-
ſchwunden waren, ſo daß die Aufbewahrung dieſer Eigen-
thümlichkeit in den Digeſten in jedem Fall (auch wenn man
ſie noch als practiſches Recht gelten laſſen will) zu den
mancherlei Inconſequenzen zu rechnen iſt, die den Compi-
latoren zum Vorwurf gereichen (x).
(x) Der Senatsſchluß von Ha-
drian nämlich, der urſprünglich
nur für die fiscaliſche heredita-
tis petitio, alſo für eine publica
causa, eingeführt war, wurde nach-
her auch auf die Erbrechtsklage der
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/113>, abgerufen am 22.07.2024.
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