Man möchte nun freylich sagen, in allen diesen Fällen könne der Stipulator gleichfalls die doli actio noch nach- träglich gebrauchen, um die Differenz des Sachwerths und des Interesse's nachzufordern; allein die angeführten Stellen scheinen ganz absichtlich die doli actio nur gegen entfernter stehende Personen zuzulassen, gegen den Hauptschuldner selbst aber, durch stillschweigende Übergehung Desselben zu versagen, gerade deswegen weil gegen Diesen die Stipu- lationsklage genügen müsse: auch scheint überhaupt ein solcher Gebrauch der doli actio, zur bloßen Ergänzung einer anderen, schon vorhandenen Klage, nicht zulässig (i).
Endlich möchte wohl folgender Grund die bisher zu- sammen gestellten noch überwiegen. Wenn die Stipulation eines Grundstücks auf einen bestimmten Tag gerichtet ist, dieser aber durch des Schuldners Mora nicht eingehalten wird, so kann der Glaubiger das volle Interesse dieser Verzögerung fordern (k). Es wäre aber ganz inconsequent, das Interesse für die weit stärkere Verletzung zu versagen, wenn die Erfüllung durch den Willen des Schuldners nicht blos verzögert, sondern völlig verhindert wird.
Obgleich es nun aus diesen Gründen für sehr wahr- scheinlich gehalten werden muß, daß die hier behandelte Art der Condiction, namentlich also auch im Fall einer Stipulation, auf das volle Interesse gieng, so wäre es
(i)L. 1 § 4 de dolo (4. 3.).
(k)L. 114 de V. O. (45. 1.) "Si fundum certa die praestari stipuler, et per promissorem steterit, quo minus ea die prae- stetur: consecuturum me, quanti mea intersit, moram factam non esse."
Beylage XIV.
Man möchte nun freylich ſagen, in allen dieſen Fällen könne der Stipulator gleichfalls die doli actio noch nach- träglich gebrauchen, um die Differenz des Sachwerths und des Intereſſe’s nachzufordern; allein die angeführten Stellen ſcheinen ganz abſichtlich die doli actio nur gegen entfernter ſtehende Perſonen zuzulaſſen, gegen den Hauptſchuldner ſelbſt aber, durch ſtillſchweigende Übergehung Deſſelben zu verſagen, gerade deswegen weil gegen Dieſen die Stipu- lationsklage genügen müſſe: auch ſcheint überhaupt ein ſolcher Gebrauch der doli actio, zur bloßen Ergänzung einer anderen, ſchon vorhandenen Klage, nicht zuläſſig (i).
Endlich möchte wohl folgender Grund die bisher zu- ſammen geſtellten noch überwiegen. Wenn die Stipulation eines Grundſtücks auf einen beſtimmten Tag gerichtet iſt, dieſer aber durch des Schuldners Mora nicht eingehalten wird, ſo kann der Glaubiger das volle Intereſſe dieſer Verzögerung fordern (k). Es wäre aber ganz inconſequent, das Intereſſe für die weit ſtärkere Verletzung zu verſagen, wenn die Erfüllung durch den Willen des Schuldners nicht blos verzögert, ſondern völlig verhindert wird.
Obgleich es nun aus dieſen Gründen für ſehr wahr- ſcheinlich gehalten werden muß, daß die hier behandelte Art der Condiction, namentlich alſo auch im Fall einer Stipulation, auf das volle Intereſſe gieng, ſo wäre es
(i)L. 1 § 4 de dolo (4. 3.).
(k)L. 114 de V. O. (45. 1.) „Si fundum certa die praestari stipuler, et per promissorem steterit, quo minus ea die prae- stetur: consecuturum me, quanti mea intersit, moram factam non esse.”
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Beylage XIV.
Man möchte nun freylich ſagen, in allen dieſen Fällen
könne der Stipulator gleichfalls die doli actio noch nach-
träglich gebrauchen, um die Differenz des Sachwerths und
des Intereſſe’s nachzufordern; allein die angeführten Stellen
ſcheinen ganz abſichtlich die doli actio nur gegen entfernter
ſtehende Perſonen zuzulaſſen, gegen den Hauptſchuldner
ſelbſt aber, durch ſtillſchweigende Übergehung Deſſelben zu
verſagen, gerade deswegen weil gegen Dieſen die Stipu-
lationsklage genügen müſſe: auch ſcheint überhaupt ein
ſolcher Gebrauch der doli actio, zur bloßen Ergänzung
einer anderen, ſchon vorhandenen Klage, nicht zuläſſig (i).
Endlich möchte wohl folgender Grund die bisher zu-
ſammen geſtellten noch überwiegen. Wenn die Stipulation
eines Grundſtücks auf einen beſtimmten Tag gerichtet iſt,
dieſer aber durch des Schuldners Mora nicht eingehalten
wird, ſo kann der Glaubiger das volle Intereſſe dieſer
Verzögerung fordern (k). Es wäre aber ganz inconſequent,
das Intereſſe für die weit ſtärkere Verletzung zu verſagen,
wenn die Erfüllung durch den Willen des Schuldners nicht
blos verzögert, ſondern völlig verhindert wird.
Obgleich es nun aus dieſen Gründen für ſehr wahr-
ſcheinlich gehalten werden muß, daß die hier behandelte
Art der Condiction, namentlich alſo auch im Fall einer
Stipulation, auf das volle Intereſſe gieng, ſo wäre es
(i) L. 1 § 4 de dolo (4. 3.).
(k) L. 114 de V. O. (45. 1.)
„Si fundum certa die praestari
stipuler, et per promissorem
steterit, quo minus ea die prae-
stetur: consecuturum me, quanti
mea intersit, moram factam
non esse.”
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 616. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/630>, abgerufen am 24.11.2024.
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