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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Die Condictionen. XIII.
mals durch das Edict des Prätors für alle gangbare Kla-
gen eigene formulae aufgestellt wurden. Solche formulae
waren nun gewiß für alle aus früheren Volksschlüssen ent-
springende Klagen gegeben; wenn aber nachher ein Volks-
schluß eine neue Klage einführte, ohne ihr zugleich eine
Klagform anzuweisen, so gab man ihr ohne Weiteres die
condictio ex lege, das heißt die Intentio: dare (oder dare
facere) oportere,
ohne Rücksicht darauf, ob das allgemeine
Condictionenprincip diese Anwendung rechtfertigte oder
nicht. Dem Princip nach konnte nur in der oben ent-
wickelten Reihe von Fällen ein oportere, das heißt das
Daseyn einer wahren Obligation nach jus civile, behaup-
tet werden; allein wenn ein Volksschluß (oder späterhin
ein Kaisergesetz) eine solche Obligation neu einführte, so
war natürlich ihr Daseyn nicht weniger gewiß, als wenn
sie aus jenem Princip hätte abgeleitet werden können.

Hierin liegt der Erklärungsgrund der Anomalieen, die
etwa in der Anwendung der condictio ex lege wahrge-
nommen werden mögen. Welchen sparsamen Gebrauch
die Römer davon gemacht haben, wird sich gleich zeigen.

Die eben versuchte chronologische Bestimmung führt
nun allerdings nicht weit, da wir das Jahr der L. Aebu-
tia
eben so wenig kennen, als das der meisten älteren
Volksschlüsse.

Ich will jetzt die wenigen sicheren Anwendungen der
condictio ex lege angeben.

Nur ein einziger Volksschluß kann dahin gerechnet wer-

V. 35

Die Condictionen. XIII.
mals durch das Edict des Prätors für alle gangbare Kla-
gen eigene formulae aufgeſtellt wurden. Solche formulae
waren nun gewiß für alle aus früheren Volksſchlüſſen ent-
ſpringende Klagen gegeben; wenn aber nachher ein Volks-
ſchluß eine neue Klage einführte, ohne ihr zugleich eine
Klagform anzuweiſen, ſo gab man ihr ohne Weiteres die
condictio ex lege, das heißt die Intentio: dare (oder dare
facere) oportere,
ohne Rückſicht darauf, ob das allgemeine
Condictionenprincip dieſe Anwendung rechtfertigte oder
nicht. Dem Princip nach konnte nur in der oben ent-
wickelten Reihe von Fällen ein oportere, das heißt das
Daſeyn einer wahren Obligation nach jus civile, behaup-
tet werden; allein wenn ein Volksſchluß (oder ſpäterhin
ein Kaiſergeſetz) eine ſolche Obligation neu einführte, ſo
war natürlich ihr Daſeyn nicht weniger gewiß, als wenn
ſie aus jenem Princip hätte abgeleitet werden können.

Hierin liegt der Erklärungsgrund der Anomalieen, die
etwa in der Anwendung der condictio ex lege wahrge-
nommen werden mögen. Welchen ſparſamen Gebrauch
die Römer davon gemacht haben, wird ſich gleich zeigen.

Die eben verſuchte chronologiſche Beſtimmung führt
nun allerdings nicht weit, da wir das Jahr der L. Aebu-
tia
eben ſo wenig kennen, als das der meiſten älteren
Volksſchlüſſe.

Ich will jetzt die wenigen ſicheren Anwendungen der
condictio ex lege angeben.

Nur ein einziger Volksſchluß kann dahin gerechnet wer-

V. 35
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[545/0559] Die Condictionen. XIII. mals durch das Edict des Prätors für alle gangbare Kla- gen eigene formulae aufgeſtellt wurden. Solche formulae waren nun gewiß für alle aus früheren Volksſchlüſſen ent- ſpringende Klagen gegeben; wenn aber nachher ein Volks- ſchluß eine neue Klage einführte, ohne ihr zugleich eine Klagform anzuweiſen, ſo gab man ihr ohne Weiteres die condictio ex lege, das heißt die Intentio: dare (oder dare facere) oportere, ohne Rückſicht darauf, ob das allgemeine Condictionenprincip dieſe Anwendung rechtfertigte oder nicht. Dem Princip nach konnte nur in der oben ent- wickelten Reihe von Fällen ein oportere, das heißt das Daſeyn einer wahren Obligation nach jus civile, behaup- tet werden; allein wenn ein Volksſchluß (oder ſpäterhin ein Kaiſergeſetz) eine ſolche Obligation neu einführte, ſo war natürlich ihr Daſeyn nicht weniger gewiß, als wenn ſie aus jenem Princip hätte abgeleitet werden können. Hierin liegt der Erklärungsgrund der Anomalieen, die etwa in der Anwendung der condictio ex lege wahrge- nommen werden mögen. Welchen ſparſamen Gebrauch die Römer davon gemacht haben, wird ſich gleich zeigen. Die eben verſuchte chronologiſche Beſtimmung führt nun allerdings nicht weit, da wir das Jahr der L. Aebu- tia eben ſo wenig kennen, als das der meiſten älteren Volksſchlüſſe. Ich will jetzt die wenigen ſicheren Anwendungen der condictio ex lege angeben. Nur ein einziger Volksſchluß kann dahin gerechnet wer- V. 35

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/559>, abgerufen am 24.11.2024.