Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.Die Condictionen. X. publica populi Romani. Wäre blos gesagt worden: pe-cunia certa credita, so hätte darunter, nach den so eben angeführten Stellen, auch jede aus Expensilation oder Stipulation entstandene Geldschuld verstanden werden müs- sen. Die Absicht gieng aber dahin, lediglich die aus einem Darlehen in baarem, gemünztem Geld entstandene Schuld von allen übrigen Forderungen in der Behandlung zu un- terscheiden, und diese Absicht wurde durch die hinzugefüg- ten Worte ausgedrückt, in welchen der Gedanke auf das sinnlich wahrnehmbare Object, das der Obligation zum Grunde liegt, gelenkt wird. Das Bedürfniß einer so um- ständlichen Bezeichnung zeigt deutlich, daß die technische Bedeutung des Ausdrucks credita pecunia umfassender war, als der hier ausschließend gemeynte Fall. Der hier ge- wählte Zusatz hatte also denselben Zweck wie der Ausdruck adnumerata pecunia bey Cicero, im Gegensatz der ex- pensa lata und stipulata, welcher von ihm absichtlich an- statt des Ausdrucks credita gewählt war. Ja sogar der öfter vorkommende Ausdruck pecunia certa (n) Man wende nicht ein, daß
im Vertrauen auf die Redlichkeit des Empfängers auch ungezähltes Geld ausgeliehen werden könne. Kann der Creditor gar keine Sum- me angeben, auch nicht einmal als Die Condictionen. X. publica populi Romani. Wäre blos geſagt worden: pe-cunia certa credita, ſo hätte darunter, nach den ſo eben angeführten Stellen, auch jede aus Expenſilation oder Stipulation entſtandene Geldſchuld verſtanden werden müſ- ſen. Die Abſicht gieng aber dahin, lediglich die aus einem Darlehen in baarem, gemünztem Geld entſtandene Schuld von allen übrigen Forderungen in der Behandlung zu un- terſcheiden, und dieſe Abſicht wurde durch die hinzugefüg- ten Worte ausgedrückt, in welchen der Gedanke auf das ſinnlich wahrnehmbare Object, das der Obligation zum Grunde liegt, gelenkt wird. Das Bedürfniß einer ſo um- ſtändlichen Bezeichnung zeigt deutlich, daß die techniſche Bedeutung des Ausdrucks credita pecunia umfaſſender war, als der hier ausſchließend gemeynte Fall. Der hier ge- wählte Zuſatz hatte alſo denſelben Zweck wie der Ausdruck adnumerata pecunia bey Cicero, im Gegenſatz der ex- pensa lata und stipulata, welcher von ihm abſichtlich an- ſtatt des Ausdrucks credita gewählt war. Ja ſogar der öfter vorkommende Ausdruck pecunia certa (n) Man wende nicht ein, daß
im Vertrauen auf die Redlichkeit des Empfängers auch ungezähltes Geld ausgeliehen werden könne. Kann der Creditor gar keine Sum- me angeben, auch nicht einmal als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0551" n="537"/><fw place="top" type="header">Die Condictionen. <hi rendition="#aq">X.</hi></fw><lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">publica populi Romani.</hi></hi> Wäre blos geſagt worden: <hi rendition="#aq">pe-<lb/> cunia certa credita,</hi> ſo hätte darunter, nach den ſo eben<lb/> angeführten Stellen, auch jede aus Expenſilation oder<lb/> Stipulation entſtandene Geldſchuld verſtanden werden müſ-<lb/> ſen. Die Abſicht gieng aber dahin, lediglich die aus einem<lb/> Darlehen in baarem, gemünztem Geld entſtandene Schuld<lb/> von allen übrigen Forderungen in der Behandlung zu un-<lb/> terſcheiden, und dieſe Abſicht wurde durch die hinzugefüg-<lb/> ten Worte ausgedrückt, in welchen der Gedanke auf das<lb/> ſinnlich wahrnehmbare Object, das der Obligation zum<lb/> Grunde liegt, gelenkt wird. Das Bedürfniß einer ſo um-<lb/> ſtändlichen Bezeichnung zeigt deutlich, daß die techniſche<lb/> Bedeutung des Ausdrucks <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">credita</hi> pecunia</hi> umfaſſender war,<lb/> als der hier ausſchließend gemeynte Fall. Der hier ge-<lb/> wählte Zuſatz hatte alſo denſelben Zweck wie der Ausdruck<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">adnumerata</hi> pecunia</hi> bey Cicero, im Gegenſatz der <hi rendition="#aq">ex-<lb/> pensa lata</hi> und <hi rendition="#aq">stipulata,</hi> welcher von ihm abſichtlich an-<lb/> ſtatt des Ausdrucks <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">credita</hi></hi> gewählt war.</p><lb/> <p>Ja ſogar der öfter vorkommende Ausdruck <hi rendition="#aq">pecunia <hi rendition="#i">certa</hi><lb/> credita</hi> kann ſchon zum Beweiſe dienen, daß unter <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">credita</hi> pe-<lb/> cunia</hi> neben dem Darlehen auch zugleich die Stipulation ver-<lb/> ſtanden werden muß. Bey dem Darlehen allein wäre jener<lb/> Ausdruck völlig pleonaſtiſch, da das geliehene Geld ſtets<lb/> eine gewiſſe Summe iſt <note xml:id="seg2pn_80_1" next="#seg2pn_80_2" place="foot" n="(n)">Man wende nicht ein, daß<lb/> im Vertrauen auf die Redlichkeit<lb/> des Empfängers auch ungezähltes<lb/> Geld ausgeliehen werden könne.<lb/> Kann der Creditor gar keine Sum-<lb/> me angeben, auch nicht einmal als</note>. Der Zuſatz <hi rendition="#aq">certa</hi> bekommt<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [537/0551]
Die Condictionen. X.
publica populi Romani. Wäre blos geſagt worden: pe-
cunia certa credita, ſo hätte darunter, nach den ſo eben
angeführten Stellen, auch jede aus Expenſilation oder
Stipulation entſtandene Geldſchuld verſtanden werden müſ-
ſen. Die Abſicht gieng aber dahin, lediglich die aus einem
Darlehen in baarem, gemünztem Geld entſtandene Schuld
von allen übrigen Forderungen in der Behandlung zu un-
terſcheiden, und dieſe Abſicht wurde durch die hinzugefüg-
ten Worte ausgedrückt, in welchen der Gedanke auf das
ſinnlich wahrnehmbare Object, das der Obligation zum
Grunde liegt, gelenkt wird. Das Bedürfniß einer ſo um-
ſtändlichen Bezeichnung zeigt deutlich, daß die techniſche
Bedeutung des Ausdrucks credita pecunia umfaſſender war,
als der hier ausſchließend gemeynte Fall. Der hier ge-
wählte Zuſatz hatte alſo denſelben Zweck wie der Ausdruck
adnumerata pecunia bey Cicero, im Gegenſatz der ex-
pensa lata und stipulata, welcher von ihm abſichtlich an-
ſtatt des Ausdrucks credita gewählt war.
Ja ſogar der öfter vorkommende Ausdruck pecunia certa
credita kann ſchon zum Beweiſe dienen, daß unter credita pe-
cunia neben dem Darlehen auch zugleich die Stipulation ver-
ſtanden werden muß. Bey dem Darlehen allein wäre jener
Ausdruck völlig pleonaſtiſch, da das geliehene Geld ſtets
eine gewiſſe Summe iſt (n). Der Zuſatz certa bekommt
(n) Man wende nicht ein, daß
im Vertrauen auf die Redlichkeit
des Empfängers auch ungezähltes
Geld ausgeliehen werden könne.
Kann der Creditor gar keine Sum-
me angeben, auch nicht einmal als
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