Betrachten wir die Fälle, in welchen Condictionen un- zweifelhaft anwendbar sind, so erscheinen uns diese auf den ersten Blick höchst mannichfaltig; dennoch lassen sich dieselben auf ein sehr einfaches Princip zurück führen, welches sich durch bloße organische Bildungskraft zu jener Mannichfaltigkeit entfaltet hat, fast ohne Eingriff der Ge- setzgebung. Es finden sich nur sehr wenige, aus dem Prin- cip nicht abzuleitende, also ganz positive Zusätze; diese aber sind nicht nur so unbedeutend, sondern auch als bloße Ausnahmen so bestimmt und deutlich in unsren Rechtsquel- len anerkannt, daß sie die Wahrheit des Princips viel- mehr bestätigen, als zweifelhaft machen.
Um jenes Princip zu finden, gehe ich von der Zerglie- derung eines einzelnen Rechtsgeschäfts aus, woraus sicher- lich eine Condiction entspringt, nämlich des Darlehens, welches ich daher als Ausgangspunkt der ganzen Unter- suchung behandeln will. Ich muß erwarten, daß dieses Verfahren als einseitig und willkührlich getadelt werden möge; dieser Vorwurf wird durch die Wahrnehmung wi- derlegt, daß unsre Rechtsquellen genau denselben Weg einschlagen, indem auch sie das Darlehen an die Spitze der gesammten Lehre von den Condictionen stellen.
In den Digesten ist der erste Titel des zwölften Buchs überschrieben: de rebus creditis, si certum petetur, et de
Die Condictionen. IV.
IV.
Betrachten wir die Fälle, in welchen Condictionen un- zweifelhaft anwendbar ſind, ſo erſcheinen uns dieſe auf den erſten Blick höchſt mannichfaltig; dennoch laſſen ſich dieſelben auf ein ſehr einfaches Princip zurück führen, welches ſich durch bloße organiſche Bildungskraft zu jener Mannichfaltigkeit entfaltet hat, faſt ohne Eingriff der Ge- ſetzgebung. Es finden ſich nur ſehr wenige, aus dem Prin- cip nicht abzuleitende, alſo ganz poſitive Zuſätze; dieſe aber ſind nicht nur ſo unbedeutend, ſondern auch als bloße Ausnahmen ſo beſtimmt und deutlich in unſren Rechtsquel- len anerkannt, daß ſie die Wahrheit des Princips viel- mehr beſtätigen, als zweifelhaft machen.
Um jenes Princip zu finden, gehe ich von der Zerglie- derung eines einzelnen Rechtsgeſchäfts aus, woraus ſicher- lich eine Condiction entſpringt, nämlich des Darlehens, welches ich daher als Ausgangspunkt der ganzen Unter- ſuchung behandeln will. Ich muß erwarten, daß dieſes Verfahren als einſeitig und willkührlich getadelt werden möge; dieſer Vorwurf wird durch die Wahrnehmung wi- derlegt, daß unſre Rechtsquellen genau denſelben Weg einſchlagen, indem auch ſie das Darlehen an die Spitze der geſammten Lehre von den Condictionen ſtellen.
In den Digeſten iſt der erſte Titel des zwölften Buchs überſchrieben: de rebus creditis, si certum petetur, et de
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Die Condictionen. IV.
IV.
Betrachten wir die Fälle, in welchen Condictionen un-
zweifelhaft anwendbar ſind, ſo erſcheinen uns dieſe auf
den erſten Blick höchſt mannichfaltig; dennoch laſſen ſich
dieſelben auf ein ſehr einfaches Princip zurück führen,
welches ſich durch bloße organiſche Bildungskraft zu jener
Mannichfaltigkeit entfaltet hat, faſt ohne Eingriff der Ge-
ſetzgebung. Es finden ſich nur ſehr wenige, aus dem Prin-
cip nicht abzuleitende, alſo ganz poſitive Zuſätze; dieſe
aber ſind nicht nur ſo unbedeutend, ſondern auch als bloße
Ausnahmen ſo beſtimmt und deutlich in unſren Rechtsquel-
len anerkannt, daß ſie die Wahrheit des Princips viel-
mehr beſtätigen, als zweifelhaft machen.
Um jenes Princip zu finden, gehe ich von der Zerglie-
derung eines einzelnen Rechtsgeſchäfts aus, woraus ſicher-
lich eine Condiction entſpringt, nämlich des Darlehens,
welches ich daher als Ausgangspunkt der ganzen Unter-
ſuchung behandeln will. Ich muß erwarten, daß dieſes
Verfahren als einſeitig und willkührlich getadelt werden
möge; dieſer Vorwurf wird durch die Wahrnehmung wi-
derlegt, daß unſre Rechtsquellen genau denſelben Weg
einſchlagen, indem auch ſie das Darlehen an die Spitze
der geſammten Lehre von den Condictionen ſtellen.
In den Digeſten iſt der erſte Titel des zwölften Buchs
überſchrieben: de rebus creditis, si certum petetur, et de
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/525>, abgerufen am 23.12.2024.
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