Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.Beylage XIV. Neuere Schriftsteller haben ein solches Princip aufge- (b) So unter andern Gans Obligationenrecht S. 15--18, wo jedoch dieses Princip noch mit an- deren gemischt erscheint. (c) Die Zweydeutigkeit der
Ausdrücke verbirgt und erhält hier die Unklarheit der Begriffe. Man kann nämlich die Ausdrücke bezie- hen: 1) Auf die materiellen Zwecke und Folgen, den einseitigen und gegenseitigen Vortheil, der bezweckt wird. In dieser Hinsicht ist (mit sehr seltnen Ausnahmen) das Com- modat einseitig zum Vortheil des Empfängers, das Depositum ein- seitig zum Vortheil des Gebers, der Kauf, der Miethcontract, die Societät, der Tauschvertrag, ge- genseitig, das Darlehen bald ein- seitig, bald gegenseitig, je nach- dem es verzinslich ist oder nicht. Hierin also kann gewiß nicht das Unterscheidende der b. f. contrac- tus liegen. 2) Auf die juristi- schen Folgen der Rechtsgeschäfte d. h. die daraus entspringenden Kla- gen; davon allein kann hier die Rede seyn. -- Wenn man auf das Wesen der Rechtsgeschäfte sieht, so muß man eine sehr eigen- thümliche Klasse in denjenigen er- kennen, die einen tauschartigen Character haben, d. h. worin Je- der Etwas leistet, um gegenseitig Etwas zu empfangen, wie in dem Kauf; allein die Gränze dieser Ge- schäfte fällt mit der Gränze der b. f. contractus keinesweges zusammen. Beylage XIV. Neuere Schriftſteller haben ein ſolches Princip aufge- (b) So unter andern Gans Obligationenrecht S. 15—18, wo jedoch dieſes Princip noch mit an- deren gemiſcht erſcheint. (c) Die Zweydeutigkeit der
Ausdrücke verbirgt und erhält hier die Unklarheit der Begriffe. Man kann nämlich die Ausdrücke bezie- hen: 1) Auf die materiellen Zwecke und Folgen, den einſeitigen und gegenſeitigen Vortheil, der bezweckt wird. In dieſer Hinſicht iſt (mit ſehr ſeltnen Ausnahmen) das Com- modat einſeitig zum Vortheil des Empfängers, das Depoſitum ein- ſeitig zum Vortheil des Gebers, der Kauf, der Miethcontract, die Societät, der Tauſchvertrag, ge- genſeitig, das Darlehen bald ein- ſeitig, bald gegenſeitig, je nach- dem es verzinslich iſt oder nicht. Hierin alſo kann gewiß nicht das Unterſcheidende der b. f. contrac- tus liegen. 2) Auf die juriſti- ſchen Folgen der Rechtsgeſchäfte d. h. die daraus entſpringenden Kla- gen; davon allein kann hier die Rede ſeyn. — Wenn man auf das Weſen der Rechtsgeſchäfte ſieht, ſo muß man eine ſehr eigen- thümliche Klaſſe in denjenigen er- kennen, die einen tauſchartigen Character haben, d. h. worin Je- der Etwas leiſtet, um gegenſeitig Etwas zu empfangen, wie in dem Kauf; allein die Gränze dieſer Ge- ſchäfte fällt mit der Gränze der b. f. contractus keinesweges zuſammen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0522" n="508"/> <fw place="top" type="header">Beylage <hi rendition="#aq">XIV.</hi></fw><lb/> <p>Neuere Schriftſteller haben ein ſolches Princip aufge-<lb/> ſtellt, das ſich auf den erſten Blick dadurch empfiehlt, daß<lb/> es zugleich auf beide Arten der Klagen anwendbar ſeyn<lb/> würde <note place="foot" n="(b)">So unter andern <hi rendition="#g">Gans</hi><lb/> Obligationenrecht S. 15—18, wo<lb/> jedoch dieſes Princip noch mit an-<lb/> deren gemiſcht erſcheint.</note>. Sie ſetzen das Weſen des Unterſchieds in die<lb/> Einſeitigkeit und Gegenſeitigkeit der Rechtsgeſchäfte, ſo<lb/> daß die einſeitigen <hi rendition="#aq">stricti juris,</hi> die gegenſeitigen <hi rendition="#aq">bonae<lb/> fidei</hi> ſeyn ſollen. Allein wenn wir auf die natürlichen,<lb/> ungekünſtelten Anſichten und Erwartungen der Parteyen<lb/> ſehen, ſo iſt das Darlehen nicht einſeitiger, als das Com-<lb/> modat und das Depoſitum <note place="foot" n="(c)">Die Zweydeutigkeit der<lb/> Ausdrücke verbirgt und erhält hier<lb/> die Unklarheit der Begriffe. Man<lb/> kann nämlich die Ausdrücke bezie-<lb/> hen: 1) Auf die materiellen Zwecke<lb/> und Folgen, den einſeitigen und<lb/> gegenſeitigen Vortheil, der bezweckt<lb/> wird. In dieſer Hinſicht iſt (mit<lb/> ſehr ſeltnen Ausnahmen) das Com-<lb/> modat einſeitig zum Vortheil des<lb/> Empfängers, das Depoſitum ein-<lb/> ſeitig zum Vortheil des Gebers,<lb/> der Kauf, der Miethcontract, die<lb/> Societät, der Tauſchvertrag, ge-<lb/> genſeitig, das Darlehen bald ein-<lb/> ſeitig, bald gegenſeitig, je nach-<lb/> dem es verzinslich iſt oder nicht.<lb/> Hierin alſo kann gewiß nicht das<lb/> Unterſcheidende der <hi rendition="#aq">b. f. contrac-<lb/> tus</hi> liegen. 2) Auf die juriſti-<lb/> ſchen Folgen der Rechtsgeſchäfte d.<lb/> h. die daraus entſpringenden Kla-<lb/> gen; davon allein kann hier die<lb/> Rede ſeyn. — Wenn man auf<lb/> das Weſen der Rechtsgeſchäfte<lb/> ſieht, ſo muß man eine ſehr eigen-<lb/> thümliche Klaſſe in denjenigen er-<lb/> kennen, die einen tauſchartigen<lb/> Character haben, d. h. worin Je-<lb/> der Etwas leiſtet, um gegenſeitig<lb/> Etwas zu empfangen, wie in dem<lb/> Kauf; allein die Gränze dieſer Ge-<lb/> ſchäfte fällt mit der Gränze der <hi rendition="#aq">b. f.<lb/> contractus</hi> keinesweges zuſammen.</note>. Jedes dieſer drey Rechts-<lb/> geſchäfte fängt damit an, daß Einer Etwas hingiebt, und<lb/> endigt damit, daß der Andere Etwas zurück geben ſoll<lb/> und darauf verklagt werden kann, wenn er es nicht frey-<lb/> willig thut; dieſen Zuſammenhang denken ſich die Parteyen<lb/> ganz deutlich. Außerdem aber kann allerdings bey den<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [508/0522]
Beylage XIV.
Neuere Schriftſteller haben ein ſolches Princip aufge-
ſtellt, das ſich auf den erſten Blick dadurch empfiehlt, daß
es zugleich auf beide Arten der Klagen anwendbar ſeyn
würde (b). Sie ſetzen das Weſen des Unterſchieds in die
Einſeitigkeit und Gegenſeitigkeit der Rechtsgeſchäfte, ſo
daß die einſeitigen stricti juris, die gegenſeitigen bonae
fidei ſeyn ſollen. Allein wenn wir auf die natürlichen,
ungekünſtelten Anſichten und Erwartungen der Parteyen
ſehen, ſo iſt das Darlehen nicht einſeitiger, als das Com-
modat und das Depoſitum (c). Jedes dieſer drey Rechts-
geſchäfte fängt damit an, daß Einer Etwas hingiebt, und
endigt damit, daß der Andere Etwas zurück geben ſoll
und darauf verklagt werden kann, wenn er es nicht frey-
willig thut; dieſen Zuſammenhang denken ſich die Parteyen
ganz deutlich. Außerdem aber kann allerdings bey den
(b) So unter andern Gans
Obligationenrecht S. 15—18, wo
jedoch dieſes Princip noch mit an-
deren gemiſcht erſcheint.
(c) Die Zweydeutigkeit der
Ausdrücke verbirgt und erhält hier
die Unklarheit der Begriffe. Man
kann nämlich die Ausdrücke bezie-
hen: 1) Auf die materiellen Zwecke
und Folgen, den einſeitigen und
gegenſeitigen Vortheil, der bezweckt
wird. In dieſer Hinſicht iſt (mit
ſehr ſeltnen Ausnahmen) das Com-
modat einſeitig zum Vortheil des
Empfängers, das Depoſitum ein-
ſeitig zum Vortheil des Gebers,
der Kauf, der Miethcontract, die
Societät, der Tauſchvertrag, ge-
genſeitig, das Darlehen bald ein-
ſeitig, bald gegenſeitig, je nach-
dem es verzinslich iſt oder nicht.
Hierin alſo kann gewiß nicht das
Unterſcheidende der b. f. contrac-
tus liegen. 2) Auf die juriſti-
ſchen Folgen der Rechtsgeſchäfte d.
h. die daraus entſpringenden Kla-
gen; davon allein kann hier die
Rede ſeyn. — Wenn man auf
das Weſen der Rechtsgeſchäfte
ſieht, ſo muß man eine ſehr eigen-
thümliche Klaſſe in denjenigen er-
kennen, die einen tauſchartigen
Character haben, d. h. worin Je-
der Etwas leiſtet, um gegenſeitig
Etwas zu empfangen, wie in dem
Kauf; allein die Gränze dieſer Ge-
ſchäfte fällt mit der Gränze der b. f.
contractus keinesweges zuſammen.
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