Diese nämlich sind, nach ihrem reinen, einfachen Be- griff dazu bestimmt, den Vermögenszustand eines Jeden zu erhalten, oder, wenn er gestört ist, wiederherzustellen; sie sollen also einen ungerechten Schaden des Einen, einen ungerechten Gewinn des Andern, verhindern. So die rei vindicatio und die Darlehnsklage; wenn beide ihren Zweck erreichen, so ist jeder Theil so reich, als er zuvor war; es wird blos eine Veränderung des Vermögensstandes abgewehrt, oder der faktische Zustand mit dem Rechts- zustand in Einklang gebracht.
Eine künstliche, ganz positive Anstalt verknüpft mit manchen Verletzungen noch eine andere Folge. Der Ver- letzer soll unfreywillig ärmer, der Verletzte um eben so viel reicher werden. Es wird also durch sie eine Ver- änderung des Vermögens, in Folge der Verletzung be- wirkt, und der Gegenstand dieser Veränderung heißt poena.
Wo nun eine solche poena eintritt, ist es ein zufälli- ger, untergeordneter Umstand, ob beide hier angegebene Zwecke (Erhaltung und Veränderung zur Strafe) durch eine und dieselbe Klage verfolgt werden, oder durch zwei getrennte Klagen (b). Von einer Klage auf bloße Erhal- tung des Vermögens heißt es: rem persequitur, rei per- sequendae causa datur; von einer Klage auf bloße Strafe: poenam persequitur, poenae persequendae causa datur,
(b) So geht die condictio fur- tiva auf bloße Rückgabe der ge- stohlenen Sache oder ihres Wer- thes, also auf Erhaltung des Ver- mögens, die furti actio auf bloße Strafe; dagegen geht die actio vi bonorum raptorum auf Sache und Strafe zugleich.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Dieſe nämlich ſind, nach ihrem reinen, einfachen Be- griff dazu beſtimmt, den Vermögenszuſtand eines Jeden zu erhalten, oder, wenn er geſtört iſt, wiederherzuſtellen; ſie ſollen alſo einen ungerechten Schaden des Einen, einen ungerechten Gewinn des Andern, verhindern. So die rei vindicatio und die Darlehnsklage; wenn beide ihren Zweck erreichen, ſo iſt jeder Theil ſo reich, als er zuvor war; es wird blos eine Veränderung des Vermögensſtandes abgewehrt, oder der faktiſche Zuſtand mit dem Rechts- zuſtand in Einklang gebracht.
Eine künſtliche, ganz poſitive Anſtalt verknüpft mit manchen Verletzungen noch eine andere Folge. Der Ver- letzer ſoll unfreywillig ärmer, der Verletzte um eben ſo viel reicher werden. Es wird alſo durch ſie eine Ver- änderung des Vermögens, in Folge der Verletzung be- wirkt, und der Gegenſtand dieſer Veränderung heißt poena.
Wo nun eine ſolche poena eintritt, iſt es ein zufälli- ger, untergeordneter Umſtand, ob beide hier angegebene Zwecke (Erhaltung und Veränderung zur Strafe) durch eine und dieſelbe Klage verfolgt werden, oder durch zwei getrennte Klagen (b). Von einer Klage auf bloße Erhal- tung des Vermögens heißt es: rem persequitur, rei per- sequendae causa datur; von einer Klage auf bloße Strafe: poenam persequitur, poenae persequendae causa datur,
(b) So geht die condictio fur- tiva auf bloße Rückgabe der ge- ſtohlenen Sache oder ihres Wer- thes, alſo auf Erhaltung des Ver- mögens, die furti actio auf bloße Strafe; dagegen geht die actio vi bonorum raptorum auf Sache und Strafe zugleich.
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Dieſe nämlich ſind, nach ihrem reinen, einfachen Be-
griff dazu beſtimmt, den Vermögenszuſtand eines Jeden zu
erhalten, oder, wenn er geſtört iſt, wiederherzuſtellen; ſie
ſollen alſo einen ungerechten Schaden des Einen, einen
ungerechten Gewinn des Andern, verhindern. So die rei
vindicatio und die Darlehnsklage; wenn beide ihren Zweck
erreichen, ſo iſt jeder Theil ſo reich, als er zuvor war;
es wird blos eine Veränderung des Vermögensſtandes
abgewehrt, oder der faktiſche Zuſtand mit dem Rechts-
zuſtand in Einklang gebracht.
Eine künſtliche, ganz poſitive Anſtalt verknüpft mit
manchen Verletzungen noch eine andere Folge. Der Ver-
letzer ſoll unfreywillig ärmer, der Verletzte um eben ſo
viel reicher werden. Es wird alſo durch ſie eine Ver-
änderung des Vermögens, in Folge der Verletzung be-
wirkt, und der Gegenſtand dieſer Veränderung heißt poena.
Wo nun eine ſolche poena eintritt, iſt es ein zufälli-
ger, untergeordneter Umſtand, ob beide hier angegebene
Zwecke (Erhaltung und Veränderung zur Strafe) durch
eine und dieſelbe Klage verfolgt werden, oder durch zwei
getrennte Klagen (b). Von einer Klage auf bloße Erhal-
tung des Vermögens heißt es: rem persequitur, rei per-
sequendae causa datur; von einer Klage auf bloße Strafe:
poenam persequitur, poenae persequendae causa datur,
(b) So geht die condictio fur-
tiva auf bloße Rückgabe der ge-
ſtohlenen Sache oder ihres Wer-
thes, alſo auf Erhaltung des Ver-
mögens, die furti actio auf bloße
Strafe; dagegen geht die actio
vi bonorum raptorum auf Sache
und Strafe zugleich.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/52>, abgerufen am 21.11.2024.
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