§. 209. In personam, in rem actiones. (Fortsetzung.)
nerischen Begriff der in personam actiones völlig coordi- nirt. Nicht nur können wir aus Mangel an Nachrichten die Geschichte dieser Entwicklung der Begriffe nicht genau verfolgen, sondern es ist auch zuverlässig niemals eine sichtbare Veränderung mit scharfer Zeitgränze eingetreten, vielmehr wird die ältere Weise der Auffassung und des Ausdrucks neben der neueren noch geraume Zeit fortge- dauert haben. Da aber die ältere, verwickeltere Auffas- sung mit der wörtlichen Fassung der formulae zusammen- hieng, so mußte die Abschaffung des Formularprozesses dazu beytragen, Dasjenige zu vertilgen, was davon da- mals etwa noch in lebendiger Üebung erhalten seyn mochte.
Wir finden die neuere Art der Auffassung und des Ausdrucks am vollständigsten ausgebildet in der oben mit- getheilten Stelle der Institutionen Justinians (§ 206); diese aber kann unverändert aus einem alten Juristen (vielleicht aus den res quotidianae des Gajus) genommen seyn, wenigstens haben wir durchaus keinen Grund, diese Annahme zu verneinen. Selbst aber wenn sie in ihrer gegenwärtigen Fassung von Justinians Juristen herrührte, würde es ganz einseitig seyn, ihren Inhalt in Vergleichung mit älteren Stellen herab zu setzen: eben so einseitig aber wenn derjenige welcher ihren Inhalt vorzüglicher fände, deshalb (im Widerspruch mit aller Analogie) die Einsicht ihres Urhebers höher stellen wollte, als die Einsicht Ulpians und seiner Zeitgenossen. Denn es stehen hier nicht etwa individuelle Einsichten und Meynungen einander gegenüber,
V. 3
§. 209. In personam, in rem actiones. (Fortſetzung.)
neriſchen Begriff der in personam actiones völlig coordi- nirt. Nicht nur können wir aus Mangel an Nachrichten die Geſchichte dieſer Entwicklung der Begriffe nicht genau verfolgen, ſondern es iſt auch zuverläſſig niemals eine ſichtbare Veränderung mit ſcharfer Zeitgränze eingetreten, vielmehr wird die ältere Weiſe der Auffaſſung und des Ausdrucks neben der neueren noch geraume Zeit fortge- dauert haben. Da aber die ältere, verwickeltere Auffaſ- ſung mit der wörtlichen Faſſung der formulae zuſammen- hieng, ſo mußte die Abſchaffung des Formularprozeſſes dazu beytragen, Dasjenige zu vertilgen, was davon da- mals etwa noch in lebendiger Üebung erhalten ſeyn mochte.
Wir finden die neuere Art der Auffaſſung und des Ausdrucks am vollſtändigſten ausgebildet in der oben mit- getheilten Stelle der Inſtitutionen Juſtinians (§ 206); dieſe aber kann unverändert aus einem alten Juriſten (vielleicht aus den res quotidianae des Gajus) genommen ſeyn, wenigſtens haben wir durchaus keinen Grund, dieſe Annahme zu verneinen. Selbſt aber wenn ſie in ihrer gegenwärtigen Faſſung von Juſtinians Juriſten herrührte, würde es ganz einſeitig ſeyn, ihren Inhalt in Vergleichung mit älteren Stellen herab zu ſetzen: eben ſo einſeitig aber wenn derjenige welcher ihren Inhalt vorzüglicher fände, deshalb (im Widerſpruch mit aller Analogie) die Einſicht ihres Urhebers höher ſtellen wollte, als die Einſicht Ulpians und ſeiner Zeitgenoſſen. Denn es ſtehen hier nicht etwa individuelle Einſichten und Meynungen einander gegenüber,
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§. 209. In personam, in rem actiones. (Fortſetzung.)
neriſchen Begriff der in personam actiones völlig coordi-
nirt. Nicht nur können wir aus Mangel an Nachrichten
die Geſchichte dieſer Entwicklung der Begriffe nicht genau
verfolgen, ſondern es iſt auch zuverläſſig niemals eine
ſichtbare Veränderung mit ſcharfer Zeitgränze eingetreten,
vielmehr wird die ältere Weiſe der Auffaſſung und des
Ausdrucks neben der neueren noch geraume Zeit fortge-
dauert haben. Da aber die ältere, verwickeltere Auffaſ-
ſung mit der wörtlichen Faſſung der formulae zuſammen-
hieng, ſo mußte die Abſchaffung des Formularprozeſſes
dazu beytragen, Dasjenige zu vertilgen, was davon da-
mals etwa noch in lebendiger Üebung erhalten ſeyn mochte.
Wir finden die neuere Art der Auffaſſung und des
Ausdrucks am vollſtändigſten ausgebildet in der oben mit-
getheilten Stelle der Inſtitutionen Juſtinians (§ 206);
dieſe aber kann unverändert aus einem alten Juriſten
(vielleicht aus den res quotidianae des Gajus) genommen
ſeyn, wenigſtens haben wir durchaus keinen Grund, dieſe
Annahme zu verneinen. Selbſt aber wenn ſie in ihrer
gegenwärtigen Faſſung von Juſtinians Juriſten herrührte,
würde es ganz einſeitig ſeyn, ihren Inhalt in Vergleichung
mit älteren Stellen herab zu ſetzen: eben ſo einſeitig aber
wenn derjenige welcher ihren Inhalt vorzüglicher fände,
deshalb (im Widerſpruch mit aller Analogie) die Einſicht
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und ſeiner Zeitgenoſſen. Denn es ſtehen hier nicht etwa
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/47>, abgerufen am 22.12.2024.
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