Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Beylage XII.
tung der hier aufgeworfenen Frage zweifelhaft. Da näm-
lich res sowohl einen sichtbaren, handgreiflichen Gegenstand
bezeichnet, als auch ein Geschäft, eine Angelegenheit, so
bieten sich sogleich zwey mögliche Erklärungen der ange-
gebenen Ausdrücke dar. Sie können erstlich heißen: so
viel die streitige Sache nach gewöhnlichen Preisen werth
ist (Sachwerth); zweytens: so weit der Berechtigte bey
dem vorliegenden Rechtsstreit, oder bey der vorgefallenen
Verletzung, interessirt ist (Interesse).

In vielen Fällen wird der Sachwerth mit dem In-
teresse völlig übereinkommen. -- In anderen Fällen wird
das Interesse mehr betragen als der Sachwerth. Wenn
ich ein Pferd, das 100 werth ist, vermiethe, dann aber
an einen Dritten verkaufe, und diesem eine Conventional-
strafe von 150 für den Fall der fehlenden Ablieferung
verspreche, der Miether nun sich das Pferd stehlen läßt
und mich dadurch außer Stand setzt, den Kaufcontract zu
erfüllen, so beträgt das Interesse, welches mir der Mie-
ther vergüten muß, 150, mithin mehr als der Sach-
werth (a). -- Wenn dagegen die Exhibition einer Sache
gefordert und verweigert wird, so hat der Beklagte in
Geld das Interesse der verweigerten Exhibition zu vergü-
ten, welches oft weit weniger als der Sachwerth betragen
wird (b). Eben so geht die condictio furtiva auf das

(a) Ein solcher Fall (nur bey
der furti actio) wird erwähnt in
L. 67 § 1 de furtis (47. 2.) s. u.
Num. V. c.
(b) L. 9 § 8 ad exhib. (10. 4.).

Beylage XII.
tung der hier aufgeworfenen Frage zweifelhaft. Da näm-
lich res ſowohl einen ſichtbaren, handgreiflichen Gegenſtand
bezeichnet, als auch ein Geſchäft, eine Angelegenheit, ſo
bieten ſich ſogleich zwey mögliche Erklärungen der ange-
gebenen Ausdrücke dar. Sie können erſtlich heißen: ſo
viel die ſtreitige Sache nach gewöhnlichen Preiſen werth
iſt (Sachwerth); zweytens: ſo weit der Berechtigte bey
dem vorliegenden Rechtsſtreit, oder bey der vorgefallenen
Verletzung, intereſſirt iſt (Intereſſe).

In vielen Fällen wird der Sachwerth mit dem In-
tereſſe völlig übereinkommen. — In anderen Fällen wird
das Intereſſe mehr betragen als der Sachwerth. Wenn
ich ein Pferd, das 100 werth iſt, vermiethe, dann aber
an einen Dritten verkaufe, und dieſem eine Conventional-
ſtrafe von 150 für den Fall der fehlenden Ablieferung
verſpreche, der Miether nun ſich das Pferd ſtehlen läßt
und mich dadurch außer Stand ſetzt, den Kaufcontract zu
erfüllen, ſo beträgt das Intereſſe, welches mir der Mie-
ther vergüten muß, 150, mithin mehr als der Sach-
werth (a). — Wenn dagegen die Exhibition einer Sache
gefordert und verweigert wird, ſo hat der Beklagte in
Geld das Intereſſe der verweigerten Exhibition zu vergü-
ten, welches oft weit weniger als der Sachwerth betragen
wird (b). Eben ſo geht die condictio furtiva auf das

(a) Ein ſolcher Fall (nur bey
der furti actio) wird erwähnt in
L. 67 § 1 de furtis (47. 2.) ſ. u.
Num. V. c.
(b) L. 9 § 8 ad exhib. (10. 4.).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0456" n="442"/><fw place="top" type="header">Beylage <hi rendition="#aq">XII.</hi></fw><lb/>
tung der hier aufgeworfenen Frage zweifelhaft. Da näm-<lb/>
lich <hi rendition="#aq">res</hi> &#x017F;owohl einen &#x017F;ichtbaren, handgreiflichen Gegen&#x017F;tand<lb/>
bezeichnet, als auch ein Ge&#x017F;chäft, eine Angelegenheit, &#x017F;o<lb/>
bieten &#x017F;ich &#x017F;ogleich zwey mögliche Erklärungen der ange-<lb/>
gebenen Ausdrücke dar. Sie können er&#x017F;tlich heißen: &#x017F;o<lb/>
viel die &#x017F;treitige Sache nach gewöhnlichen Prei&#x017F;en werth<lb/>
i&#x017F;t (Sachwerth); zweytens: &#x017F;o weit der Berechtigte bey<lb/>
dem vorliegenden Rechts&#x017F;treit, oder bey der vorgefallenen<lb/>
Verletzung, intere&#x017F;&#x017F;irt i&#x017F;t (Intere&#x017F;&#x017F;e).</p><lb/>
            <p>In vielen Fällen wird der Sachwerth mit dem In-<lb/>
tere&#x017F;&#x017F;e völlig übereinkommen. &#x2014; In anderen Fällen wird<lb/>
das Intere&#x017F;&#x017F;e mehr betragen als der Sachwerth. Wenn<lb/>
ich ein Pferd, das 100 werth i&#x017F;t, vermiethe, dann aber<lb/>
an einen Dritten verkaufe, und die&#x017F;em eine Conventional-<lb/>
&#x017F;trafe von 150 für den Fall der fehlenden Ablieferung<lb/>
ver&#x017F;preche, der Miether nun &#x017F;ich das Pferd &#x017F;tehlen läßt<lb/>
und mich dadurch außer Stand &#x017F;etzt, den Kaufcontract zu<lb/>
erfüllen, &#x017F;o beträgt das Intere&#x017F;&#x017F;e, welches mir der Mie-<lb/>
ther vergüten muß, 150, mithin mehr als der Sach-<lb/>
werth <note place="foot" n="(a)">Ein &#x017F;olcher Fall (nur bey<lb/>
der <hi rendition="#aq">furti actio</hi>) wird erwähnt in<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 67 § 1 <hi rendition="#i">de furtis</hi></hi> (47. 2.) &#x017F;. u.<lb/>
Num. <hi rendition="#aq">V. c.</hi></note>. &#x2014; Wenn dagegen die Exhibition einer Sache<lb/>
gefordert und verweigert wird, &#x017F;o hat der Beklagte in<lb/>
Geld das Intere&#x017F;&#x017F;e der verweigerten Exhibition zu vergü-<lb/>
ten, welches oft weit weniger als der Sachwerth betragen<lb/>
wird <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 9 § 8 <hi rendition="#i">ad exhib.</hi></hi> (10. 4.).</note>. Eben &#x017F;o geht die <hi rendition="#aq">condictio furtiva</hi> auf das<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[442/0456] Beylage XII. tung der hier aufgeworfenen Frage zweifelhaft. Da näm- lich res ſowohl einen ſichtbaren, handgreiflichen Gegenſtand bezeichnet, als auch ein Geſchäft, eine Angelegenheit, ſo bieten ſich ſogleich zwey mögliche Erklärungen der ange- gebenen Ausdrücke dar. Sie können erſtlich heißen: ſo viel die ſtreitige Sache nach gewöhnlichen Preiſen werth iſt (Sachwerth); zweytens: ſo weit der Berechtigte bey dem vorliegenden Rechtsſtreit, oder bey der vorgefallenen Verletzung, intereſſirt iſt (Intereſſe). In vielen Fällen wird der Sachwerth mit dem In- tereſſe völlig übereinkommen. — In anderen Fällen wird das Intereſſe mehr betragen als der Sachwerth. Wenn ich ein Pferd, das 100 werth iſt, vermiethe, dann aber an einen Dritten verkaufe, und dieſem eine Conventional- ſtrafe von 150 für den Fall der fehlenden Ablieferung verſpreche, der Miether nun ſich das Pferd ſtehlen läßt und mich dadurch außer Stand ſetzt, den Kaufcontract zu erfüllen, ſo beträgt das Intereſſe, welches mir der Mie- ther vergüten muß, 150, mithin mehr als der Sach- werth (a). — Wenn dagegen die Exhibition einer Sache gefordert und verweigert wird, ſo hat der Beklagte in Geld das Intereſſe der verweigerten Exhibition zu vergü- ten, welches oft weit weniger als der Sachwerth betragen wird (b). Eben ſo geht die condictio furtiva auf das (a) Ein ſolcher Fall (nur bey der furti actio) wird erwähnt in L. 67 § 1 de furtis (47. 2.) ſ. u. Num. V. c. (b) L. 9 § 8 ad exhib. (10. 4.).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/456
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/456>, abgerufen am 23.12.2024.