§. 255. Verjährung der Exceptionen. (Fortsetzung.)
Licet unde vi interdictum intra annum locum ha- beat, tamen exceptione perpetua succurri ei, qui per vim expulsus post retinuit possessionem, auctoritate juris manifestatur.
Man möchte glauben, diese Stelle enthalte folgenden hierher gehörenden Satz: das Interdict ist als Klage ein- jährig, als Exception unverjährbar; dann würde sie un- mittelbar für unsre Meynung entscheiden. Allein darauf ist mit Grund geantwortet worden, die Exception könne ohne- hin nur ungerechte Bereicherung des Klägers abwehren, in dieser Beschränkung aber sey auch das Interdict als Klage unverjährbar gewesen (h). So richtig diese Antwort an sich ist, so bleibt dabey die Hauptschwierigkeit ungelöst, wie man sich die Klage des Gegners zu denken hat, gegen welche diese Exception gebraucht werden soll. Man wird zunächst an eine Vindication denken; allein der Eigen- thumsklage kann im Allgemeinen keine Exception aus dem bloßen Besitz entgegengesetzt werden. Daher hat man mit vielem Schein die Strafe der Selbsthülfe mit hinzu genom- men; der Gegner, sagt man, habe sein Eigenthum durch Selbsthülfe verloren, und dieser Verlust werde durch die erwähnte Exception geltend gemacht (i). Allein dieses wäre keine Exception, sondern Verneinung des Eigenthums; es würde auch über die (oben als unverjährbar erkannte)
(h)L. 1 pr. § 48 L. 3 § 1 de vi (43. 16.).
(i)UnterholznerII. S. 24.
V. 28
§. 255. Verjährung der Exceptionen. (Fortſetzung.)
Licet unde vi interdictum intra annum locum ha- beat, tamen exceptione perpetua succurri ei, qui per vim expulsus post retinuit possessionem, auctoritate juris manifestatur.
Man möchte glauben, dieſe Stelle enthalte folgenden hierher gehörenden Satz: das Interdict iſt als Klage ein- jährig, als Exception unverjährbar; dann würde ſie un- mittelbar für unſre Meynung entſcheiden. Allein darauf iſt mit Grund geantwortet worden, die Exception könne ohne- hin nur ungerechte Bereicherung des Klägers abwehren, in dieſer Beſchränkung aber ſey auch das Interdict als Klage unverjährbar geweſen (h). So richtig dieſe Antwort an ſich iſt, ſo bleibt dabey die Hauptſchwierigkeit ungelöſt, wie man ſich die Klage des Gegners zu denken hat, gegen welche dieſe Exception gebraucht werden ſoll. Man wird zunächſt an eine Vindication denken; allein der Eigen- thumsklage kann im Allgemeinen keine Exception aus dem bloßen Beſitz entgegengeſetzt werden. Daher hat man mit vielem Schein die Strafe der Selbſthülfe mit hinzu genom- men; der Gegner, ſagt man, habe ſein Eigenthum durch Selbſthülfe verloren, und dieſer Verluſt werde durch die erwähnte Exception geltend gemacht (i). Allein dieſes wäre keine Exception, ſondern Verneinung des Eigenthums; es würde auch über die (oben als unverjährbar erkannte)
(h)L. 1 pr. § 48 L. 3 § 1 de vi (43. 16.).
(i)UnterholznerII. S. 24.
V. 28
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§. 255. Verjährung der Exceptionen. (Fortſetzung.)
Licet unde vi interdictum intra annum locum ha-
beat, tamen exceptione perpetua succurri ei, qui per
vim expulsus post retinuit possessionem, auctoritate
juris manifestatur.
Man möchte glauben, dieſe Stelle enthalte folgenden
hierher gehörenden Satz: das Interdict iſt als Klage ein-
jährig, als Exception unverjährbar; dann würde ſie un-
mittelbar für unſre Meynung entſcheiden. Allein darauf iſt
mit Grund geantwortet worden, die Exception könne ohne-
hin nur ungerechte Bereicherung des Klägers abwehren, in
dieſer Beſchränkung aber ſey auch das Interdict als Klage
unverjährbar geweſen (h). So richtig dieſe Antwort an ſich
iſt, ſo bleibt dabey die Hauptſchwierigkeit ungelöſt, wie
man ſich die Klage des Gegners zu denken hat, gegen
welche dieſe Exception gebraucht werden ſoll. Man wird
zunächſt an eine Vindication denken; allein der Eigen-
thumsklage kann im Allgemeinen keine Exception aus dem
bloßen Beſitz entgegengeſetzt werden. Daher hat man mit
vielem Schein die Strafe der Selbſthülfe mit hinzu genom-
men; der Gegner, ſagt man, habe ſein Eigenthum durch
Selbſthülfe verloren, und dieſer Verluſt werde durch die
erwähnte Exception geltend gemacht (i). Allein dieſes wäre
keine Exception, ſondern Verneinung des Eigenthums; es
würde auch über die (oben als unverjährbar erkannte)
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de vi (43. 16.).
(i) Unterholzner II. S. 24.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/447>, abgerufen am 23.12.2024.
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