Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 251. Klagverjährung. Wirkung. (Fortsetzung.)
Stelle derjenigen Ausdrücke eingeschoben worden sind, wo-
durch ursprünglich Ulpian seinen ganz anderen Gedanken
bezeichnet hatte.

IV. Compensation.

Darüber haben wir keine Äußerungen der alten Juri-
sten; es sind aber folgende Fälle zu unterscheiden.

Wenn ich Etwas schuldig werde Demjenigen, gegen
welchen ich eine noch unverjährte Klage auf dieselbe Summe
habe und dann die Verjährung abläuft, so werden jetzt
Alle annehmen, daß sich die beiden Forderungen sogleich
ipso jure zerstört haben, so daß von einer Verjährung
nicht weiter die Rede seyn kann. Für die Zeit vor Justi-
nian aber, als die Compensation nur per exceptionem
wirkte, müssen sich auch in dieser Anwendung die beiden
Meynungen über die stärkere oder schwächere Wirkung der
Klagverjährung streitend gegenüber stehen. Ob jedoch dieser
Zustand nicht noch im heutigen Recht fortdauert, und ob
Justinians Ausspruch von der ipso jure eintretenden Wirkung
der Compensation so buchstäblich zu nehmen ist, oder nicht
-- das ist eine Frage, die an diesem Ort auf sich beruhen
muß.

Es bleibt noch der andere Fall übrig, wenn ich meine
Schuldklage habe verjähren lassen, und nun aus einem
andern Grunde meinem bisherigen Schuldner dieselbe
Summe schuldig werde; auch hier begegnen sich wieder
die streitenden Meynungen. Nach der von mir vertheidig-
ten muß ich gegen die Schuldklage des Andern meine Ge-

26*

§. 251. Klagverjährung. Wirkung. (Fortſetzung.)
Stelle derjenigen Ausdrücke eingeſchoben worden ſind, wo-
durch urſprünglich Ulpian ſeinen ganz anderen Gedanken
bezeichnet hatte.

IV. Compenſation.

Darüber haben wir keine Äußerungen der alten Juri-
ſten; es ſind aber folgende Fälle zu unterſcheiden.

Wenn ich Etwas ſchuldig werde Demjenigen, gegen
welchen ich eine noch unverjährte Klage auf dieſelbe Summe
habe und dann die Verjährung abläuft, ſo werden jetzt
Alle annehmen, daß ſich die beiden Forderungen ſogleich
ipso jure zerſtört haben, ſo daß von einer Verjährung
nicht weiter die Rede ſeyn kann. Für die Zeit vor Juſti-
nian aber, als die Compenſation nur per exceptionem
wirkte, müſſen ſich auch in dieſer Anwendung die beiden
Meynungen über die ſtärkere oder ſchwächere Wirkung der
Klagverjährung ſtreitend gegenüber ſtehen. Ob jedoch dieſer
Zuſtand nicht noch im heutigen Recht fortdauert, und ob
Juſtinians Ausſpruch von der ipso jure eintretenden Wirkung
der Compenſation ſo buchſtäblich zu nehmen iſt, oder nicht
— das iſt eine Frage, die an dieſem Ort auf ſich beruhen
muß.

Es bleibt noch der andere Fall übrig, wenn ich meine
Schuldklage habe verjähren laſſen, und nun aus einem
andern Grunde meinem bisherigen Schuldner dieſelbe
Summe ſchuldig werde; auch hier begegnen ſich wieder
die ſtreitenden Meynungen. Nach der von mir vertheidig-
ten muß ich gegen die Schuldklage des Andern meine Ge-

26*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0417" n="403"/><fw place="top" type="header">§. 251. Klagverjährung. Wirkung. (Fort&#x017F;etzung.)</fw><lb/>
Stelle derjenigen Ausdrücke einge&#x017F;choben worden &#x017F;ind, wo-<lb/>
durch ur&#x017F;prünglich Ulpian &#x017F;einen ganz anderen Gedanken<lb/>
bezeichnet hatte.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#aq">IV.</hi><hi rendition="#g">Compen&#x017F;ation</hi>.</head><lb/>
              <p>Darüber haben wir keine Äußerungen der alten Juri-<lb/>
&#x017F;ten; es &#x017F;ind aber folgende Fälle zu unter&#x017F;cheiden.</p><lb/>
              <p>Wenn ich Etwas &#x017F;chuldig werde Demjenigen, gegen<lb/>
welchen ich eine noch unverjährte Klage auf die&#x017F;elbe Summe<lb/>
habe und dann die Verjährung abläuft, &#x017F;o werden jetzt<lb/>
Alle annehmen, daß &#x017F;ich die beiden Forderungen &#x017F;ogleich<lb/><hi rendition="#aq">ipso jure</hi> zer&#x017F;tört haben, &#x017F;o daß von einer Verjährung<lb/>
nicht weiter die Rede &#x017F;eyn kann. Für die Zeit vor Ju&#x017F;ti-<lb/>
nian aber, als die Compen&#x017F;ation nur <hi rendition="#aq">per exceptionem</hi><lb/>
wirkte, mü&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich auch in die&#x017F;er Anwendung die beiden<lb/>
Meynungen über die &#x017F;tärkere oder &#x017F;chwächere Wirkung der<lb/>
Klagverjährung &#x017F;treitend gegenüber &#x017F;tehen. Ob jedoch die&#x017F;er<lb/>
Zu&#x017F;tand nicht noch im heutigen Recht fortdauert, und ob<lb/>
Ju&#x017F;tinians Aus&#x017F;pruch von der <hi rendition="#aq">ipso jure</hi> eintretenden Wirkung<lb/>
der Compen&#x017F;ation &#x017F;o buch&#x017F;täblich zu nehmen i&#x017F;t, oder nicht<lb/>
&#x2014; das i&#x017F;t eine Frage, die an die&#x017F;em Ort auf &#x017F;ich beruhen<lb/>
muß.</p><lb/>
              <p>Es bleibt noch der andere Fall übrig, wenn ich meine<lb/>
Schuldklage habe verjähren la&#x017F;&#x017F;en, und nun aus einem<lb/>
andern Grunde meinem bisherigen Schuldner die&#x017F;elbe<lb/>
Summe &#x017F;chuldig werde; auch hier begegnen &#x017F;ich wieder<lb/>
die &#x017F;treitenden Meynungen. Nach der von mir vertheidig-<lb/>
ten muß ich <choice><sic>gegeu</sic><corr>gegen</corr></choice> die Schuldklage des Andern meine Ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">26*</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[403/0417] §. 251. Klagverjährung. Wirkung. (Fortſetzung.) Stelle derjenigen Ausdrücke eingeſchoben worden ſind, wo- durch urſprünglich Ulpian ſeinen ganz anderen Gedanken bezeichnet hatte. IV. Compenſation. Darüber haben wir keine Äußerungen der alten Juri- ſten; es ſind aber folgende Fälle zu unterſcheiden. Wenn ich Etwas ſchuldig werde Demjenigen, gegen welchen ich eine noch unverjährte Klage auf dieſelbe Summe habe und dann die Verjährung abläuft, ſo werden jetzt Alle annehmen, daß ſich die beiden Forderungen ſogleich ipso jure zerſtört haben, ſo daß von einer Verjährung nicht weiter die Rede ſeyn kann. Für die Zeit vor Juſti- nian aber, als die Compenſation nur per exceptionem wirkte, müſſen ſich auch in dieſer Anwendung die beiden Meynungen über die ſtärkere oder ſchwächere Wirkung der Klagverjährung ſtreitend gegenüber ſtehen. Ob jedoch dieſer Zuſtand nicht noch im heutigen Recht fortdauert, und ob Juſtinians Ausſpruch von der ipso jure eintretenden Wirkung der Compenſation ſo buchſtäblich zu nehmen iſt, oder nicht — das iſt eine Frage, die an dieſem Ort auf ſich beruhen muß. Es bleibt noch der andere Fall übrig, wenn ich meine Schuldklage habe verjähren laſſen, und nun aus einem andern Grunde meinem bisherigen Schuldner dieſelbe Summe ſchuldig werde; auch hier begegnen ſich wieder die ſtreitenden Meynungen. Nach der von mir vertheidig- ten muß ich gegen die Schuldklage des Andern meine Ge- 26*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/417
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/417>, abgerufen am 23.12.2024.