zieht sich auf den oben angegebenen ersten Fall, da nach Ablauf der Zeit die Bürgschaft geleistet wird (a): Si quis, postquam tempore transacto liberatus est, fidejussorem dederit, fidejussor non tenetur: quo- niam erroris fidejussio nulla est.
Die Stelle läßt sich am einfachsten von der Klagver- jährung, und zwar von dem Standpunct unsrer Meynung aus, erklären. Der durch Verjährung bereits befreyte Schuldner giebt einen Bürgen; dieser ist an sich (ipso jure) wohl verpflichtet, da er aber die Exceptionen des Haupt- schuldners mit geniest (b), so macht er sich durch die tem- poris praescriptio desselben frey (non tenetur, nämlich cum effectu). Dabey wird jedoch vorausgesetzt, daß er die abgelaufene Verjährung nicht kannte; denn wenn er sie kannte, so hat er ohne Zweifel gerade mit Rücksicht auf sie die Bürgschaft geleistet, und dann muß seine tem- poris praescriptio durch die doli replicatio ausgeschlossen werden. -- Wären nicht die letzten Worte, so könnte die Stelle eben so ungezwungen aus der Meynung der Geg- ner erklärt werden; nun würde nämlich das non tenetur so zu verstehen seyn: ipso jure non tenetur, wegen der zerstörten naturalis obligatio. Dieser Erklärung aber ste- hen die letzten Worte entgegen, da unter dieser Voraus- setzung der Irrthum durchaus ohne Einfluß seyn würde (c).
(a)L. 37 de fidej. (46. 1.).
(b)L. 7 pr. § 1 de exc. (44. 1.), vgl. oben § 227.
(c) Aus demselben Grund kann ich auch nicht die Erklärung einräumen, nach welcher die Stelle von einem auf eine gewisse Zeit beschränkten Vertrag sprechen soll. (Unter-
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
zieht ſich auf den oben angegebenen erſten Fall, da nach Ablauf der Zeit die Bürgſchaft geleiſtet wird (a): Si quis, postquam tempore transacto liberatus est, fidejussorem dederit, fidejussor non tenetur: quo- niam erroris fidejussio nulla est.
Die Stelle läßt ſich am einfachſten von der Klagver- jährung, und zwar von dem Standpunct unſrer Meynung aus, erklären. Der durch Verjährung bereits befreyte Schuldner giebt einen Bürgen; dieſer iſt an ſich (ipso jure) wohl verpflichtet, da er aber die Exceptionen des Haupt- ſchuldners mit genieſt (b), ſo macht er ſich durch die tem- poris praescriptio deſſelben frey (non tenetur, nämlich cum effectu). Dabey wird jedoch vorausgeſetzt, daß er die abgelaufene Verjährung nicht kannte; denn wenn er ſie kannte, ſo hat er ohne Zweifel gerade mit Rückſicht auf ſie die Bürgſchaft geleiſtet, und dann muß ſeine tem- poris praescriptio durch die doli replicatio ausgeſchloſſen werden. — Wären nicht die letzten Worte, ſo könnte die Stelle eben ſo ungezwungen aus der Meynung der Geg- ner erklärt werden; nun würde nämlich das non tenetur ſo zu verſtehen ſeyn: ipso jure non tenetur, wegen der zerſtörten naturalis obligatio. Dieſer Erklärung aber ſte- hen die letzten Worte entgegen, da unter dieſer Voraus- ſetzung der Irrthum durchaus ohne Einfluß ſeyn würde (c).
(a)L. 37 de fidej. (46. 1.).
(b)L. 7 pr. § 1 de exc. (44. 1.), vgl. oben § 227.
(c) Aus demſelben Grund kann ich auch nicht die Erklärung einräumen, nach welcher die Stelle von einem auf eine gewiſſe Zeit beſchränkten Vertrag ſprechen ſoll. (Unter-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0412"n="398"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hirendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/>
zieht ſich auf den oben angegebenen erſten Fall, da nach<lb/>
Ablauf der Zeit die Bürgſchaft geleiſtet wird <noteplace="foot"n="(a)"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">L.</hi> 37 <hirendition="#i">de fidej.</hi></hi> (46. 1.).</note>:<lb/><hirendition="#et"><hirendition="#aq">Si quis, postquam tempore transacto liberatus est,<lb/>
fidejussorem dederit, fidejussor non tenetur: quo-<lb/>
niam erroris fidejussio nulla est.</hi></hi></p><lb/><p>Die Stelle läßt ſich am einfachſten von der Klagver-<lb/>
jährung, und zwar von dem Standpunct unſrer Meynung<lb/>
aus, erklären. Der durch Verjährung bereits befreyte<lb/>
Schuldner giebt einen Bürgen; dieſer iſt an ſich (<hirendition="#aq">ipso jure</hi>)<lb/>
wohl verpflichtet, da er aber die Exceptionen des Haupt-<lb/>ſchuldners mit genieſt <noteplace="foot"n="(b)"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">L.</hi> 7 <hirendition="#i">pr.</hi> § 1 <hirendition="#i">de exc.</hi></hi> (44.<lb/>
1.), vgl. oben § 227.</note>, ſo macht er ſich durch die <hirendition="#aq">tem-<lb/>
poris praescriptio</hi> deſſelben frey (<hirendition="#aq">non tenetur,</hi> nämlich<lb/><hirendition="#aq">cum effectu</hi>). Dabey wird jedoch vorausgeſetzt, daß er<lb/>
die abgelaufene Verjährung nicht kannte; denn wenn er<lb/>ſie kannte, ſo hat er ohne Zweifel gerade mit Rückſicht<lb/>
auf ſie die Bürgſchaft geleiſtet, und dann muß ſeine <hirendition="#aq">tem-<lb/>
poris praescriptio</hi> durch die <hirendition="#aq">doli replicatio</hi> ausgeſchloſſen<lb/>
werden. — Wären nicht die letzten Worte, ſo könnte die<lb/>
Stelle eben ſo ungezwungen aus der Meynung der Geg-<lb/>
ner erklärt werden; nun würde nämlich das <hirendition="#aq">non tenetur</hi><lb/>ſo zu verſtehen ſeyn: <hirendition="#aq">ipso jure non tenetur,</hi> wegen der<lb/>
zerſtörten <hirendition="#aq">naturalis obligatio.</hi> Dieſer Erklärung aber ſte-<lb/>
hen die letzten Worte entgegen, da unter dieſer Voraus-<lb/>ſetzung der Irrthum durchaus ohne Einfluß ſeyn würde <notexml:id="seg2pn_66_1"next="#seg2pn_66_2"place="foot"n="(c)">Aus demſelben Grund kann ich<lb/>
auch nicht die Erklärung einräumen,<lb/>
nach welcher die Stelle von einem<lb/>
auf eine gewiſſe Zeit beſchränkten<lb/>
Vertrag ſprechen ſoll. (<hirendition="#g">Unter-</hi></note>.<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[398/0412]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
zieht ſich auf den oben angegebenen erſten Fall, da nach
Ablauf der Zeit die Bürgſchaft geleiſtet wird (a):
Si quis, postquam tempore transacto liberatus est,
fidejussorem dederit, fidejussor non tenetur: quo-
niam erroris fidejussio nulla est.
Die Stelle läßt ſich am einfachſten von der Klagver-
jährung, und zwar von dem Standpunct unſrer Meynung
aus, erklären. Der durch Verjährung bereits befreyte
Schuldner giebt einen Bürgen; dieſer iſt an ſich (ipso jure)
wohl verpflichtet, da er aber die Exceptionen des Haupt-
ſchuldners mit genieſt (b), ſo macht er ſich durch die tem-
poris praescriptio deſſelben frey (non tenetur, nämlich
cum effectu). Dabey wird jedoch vorausgeſetzt, daß er
die abgelaufene Verjährung nicht kannte; denn wenn er
ſie kannte, ſo hat er ohne Zweifel gerade mit Rückſicht
auf ſie die Bürgſchaft geleiſtet, und dann muß ſeine tem-
poris praescriptio durch die doli replicatio ausgeſchloſſen
werden. — Wären nicht die letzten Worte, ſo könnte die
Stelle eben ſo ungezwungen aus der Meynung der Geg-
ner erklärt werden; nun würde nämlich das non tenetur
ſo zu verſtehen ſeyn: ipso jure non tenetur, wegen der
zerſtörten naturalis obligatio. Dieſer Erklärung aber ſte-
hen die letzten Worte entgegen, da unter dieſer Voraus-
ſetzung der Irrthum durchaus ohne Einfluß ſeyn würde (c).
(a) L. 37 de fidej. (46. 1.).
(b) L. 7 pr. § 1 de exc. (44.
1.), vgl. oben § 227.
(c) Aus demſelben Grund kann ich
auch nicht die Erklärung einräumen,
nach welcher die Stelle von einem
auf eine gewiſſe Zeit beſchränkten
Vertrag ſprechen ſoll. (Unter-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/412>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.