Man sagt, jene vierzigjährige Verjährung gehe nur auf Pfänder für Schulden, die ursprünglich bloße natura- les obligationes waren, also selbst keiner Verjährung un- terlagen (h). Ich will diesem Einwurf nicht mit der Be- hauptung Derjenigen begegnen, welche meynen, ein solches Pfand gebe überhaupt keine Klage, sondern eine bloße Retention, wenn der Glaubiger zufällig besitze (i); denn diese Behauptung selbst halte ich für ganz verwerflich. Aber der erwähnte Einwurf ist deswegen unhaltbar, weil die ursprünglichen naturales obligationes in so seltnen, für den Zusammenhang des ganzen Verkehrs ganz unbe- deutenden Verhältnissen bestehen, daß für sie eine so aus- führliche, sehr in's Einzelne gehende Gesetzgebung, wie die über die Verjährung der Hypothekarklage, gewiß nicht nöthig gefunden worden wäre. Und hätte auch ein Kaiser an der mühsamen Behandlung einer so unpraktischen Spitz- findigkeit Vergnügen gefunden, so würde er doch die Eigen- thümlichkeit dieses aus Liebhaberey gewählten Objects be- stimmt ausgedrückt haben, wovon aber in jenen Verjäh- rungsgesetzen keine Spur zu finden ist. Bey so unbestimmt allgemeinen Ausdrücken mußte jeder Richter diese Ver- jährungsgesetze ganz allgemein anwenden, also auch auf die Pfänder für Civilobligationen, ganz gegen die in jener Meynung vorausgesetzte Absicht der Gesetzgeber.
Ein zweyter Versuch, jenes Hauptargument zu ent-
(h)Heimbach S. 457--460.
(i)Weber natürliche Verbind- lichkeit § 107. Glück B. 14 S. 43 B. 18 § 1076. Vgl. dagegen Francke S. 66 S. 80--85.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Man ſagt, jene vierzigjährige Verjährung gehe nur auf Pfänder für Schulden, die urſprünglich bloße natura- les obligationes waren, alſo ſelbſt keiner Verjährung un- terlagen (h). Ich will dieſem Einwurf nicht mit der Be- hauptung Derjenigen begegnen, welche meynen, ein ſolches Pfand gebe überhaupt keine Klage, ſondern eine bloße Retention, wenn der Glaubiger zufällig beſitze (i); denn dieſe Behauptung ſelbſt halte ich für ganz verwerflich. Aber der erwähnte Einwurf iſt deswegen unhaltbar, weil die urſprünglichen naturales obligationes in ſo ſeltnen, für den Zuſammenhang des ganzen Verkehrs ganz unbe- deutenden Verhältniſſen beſtehen, daß für ſie eine ſo aus- führliche, ſehr in’s Einzelne gehende Geſetzgebung, wie die über die Verjährung der Hypothekarklage, gewiß nicht nöthig gefunden worden wäre. Und hätte auch ein Kaiſer an der mühſamen Behandlung einer ſo unpraktiſchen Spitz- findigkeit Vergnügen gefunden, ſo würde er doch die Eigen- thümlichkeit dieſes aus Liebhaberey gewählten Objects be- ſtimmt ausgedrückt haben, wovon aber in jenen Verjäh- rungsgeſetzen keine Spur zu finden iſt. Bey ſo unbeſtimmt allgemeinen Ausdrücken mußte jeder Richter dieſe Ver- jährungsgeſetze ganz allgemein anwenden, alſo auch auf die Pfänder für Civilobligationen, ganz gegen die in jener Meynung vorausgeſetzte Abſicht der Geſetzgeber.
Ein zweyter Verſuch, jenes Hauptargument zu ent-
(h)Heimbach S. 457—460.
(i)Weber natürliche Verbind- lichkeit § 107. Glück B. 14 S. 43 B. 18 § 1076. Vgl. dagegen Francke S. 66 S. 80—85.
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Man ſagt, jene vierzigjährige Verjährung gehe nur
auf Pfänder für Schulden, die urſprünglich bloße natura-
les obligationes waren, alſo ſelbſt keiner Verjährung un-
terlagen (h). Ich will dieſem Einwurf nicht mit der Be-
hauptung Derjenigen begegnen, welche meynen, ein ſolches
Pfand gebe überhaupt keine Klage, ſondern eine bloße
Retention, wenn der Glaubiger zufällig beſitze (i); denn
dieſe Behauptung ſelbſt halte ich für ganz verwerflich.
Aber der erwähnte Einwurf iſt deswegen unhaltbar, weil
die urſprünglichen naturales obligationes in ſo ſeltnen,
für den Zuſammenhang des ganzen Verkehrs ganz unbe-
deutenden Verhältniſſen beſtehen, daß für ſie eine ſo aus-
führliche, ſehr in’s Einzelne gehende Geſetzgebung, wie die
über die Verjährung der Hypothekarklage, gewiß nicht
nöthig gefunden worden wäre. Und hätte auch ein Kaiſer
an der mühſamen Behandlung einer ſo unpraktiſchen Spitz-
findigkeit Vergnügen gefunden, ſo würde er doch die Eigen-
thümlichkeit dieſes aus Liebhaberey gewählten Objects be-
ſtimmt ausgedrückt haben, wovon aber in jenen Verjäh-
rungsgeſetzen keine Spur zu finden iſt. Bey ſo unbeſtimmt
allgemeinen Ausdrücken mußte jeder Richter dieſe Ver-
jährungsgeſetze ganz allgemein anwenden, alſo auch auf
die Pfänder für Civilobligationen, ganz gegen die in jener
Meynung vorausgeſetzte Abſicht der Geſetzgeber.
Ein zweyter Verſuch, jenes Hauptargument zu ent-
(h) Heimbach S. 457—460.
(i) Weber natürliche Verbind-
lichkeit § 107. Glück B. 14 S. 43
B. 18 § 1076. Vgl. dagegen
Francke S. 66 S. 80—85.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/404>, abgerufen am 26.11.2024.
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