Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
absolut zerstört ist (b). Um also bey der Vindication die
Klagverjährung in ihrer eigenthümlichen Natur anwenden
zu können, müssen wir den Fall so denken, daß der Besitzer
das Eigenthum nicht erwirbt, und dieser Fall tritt in der
That ein, wenn er einen unredlichen Besitz hatte (c). In
diesem Fall aber ist es auch ganz gewiß, daß nicht das
Recht selbst, sondern nur die Klage, dem ursprünglichen
Eigenthümer verloren geht. Denn es ist ausdrücklich an-
erkannt, daß wenn nun der Besitz durch Zufall an einen
Dritten, ganz Unberechtigten, kommt, der vorige Eigen-
thümer gegen Diesen vindiciren kann (d), welches bey ver-
lornem Recht ganz undenkbar seyn würde. Wäre aber
Dieses auch nicht anerkannt, so würde dennoch die An-
nahme, daß der Eigenthümer sein Recht (das Eigenthum)
verlöre, zu einem ganz absurden Erfolg führen. Die Sache
wäre nun herrenlos geworden, und da der unredliche Be-
sitz noch immer fortdauert, so würde in demselben Augen-
blick der Besitzer durch Occupation das Eigenthum dieser
herrenlosen Sache erwerben, also auf einem anderen Wege
gerade den Vortheil erlangen, den ihm Justinian durchaus
versagt (e). -- Nicht glücklich ist die Wendung, womit
ein Vertheidiger der stärkeren Wirkung diesen Einwürfen
zu entgehen versucht, indem er sagt, das Recht selbst

(b) Vgl. oben § 230 S. 197
Num. 1.
(c) L. 8 § 1 C. de praescr.
XXX.
(7. 39.).
(d) L. 8 § 1 C. cit., verb.
"tunc licentia sit priori domi-
no ... eam vindicare ..."
(e) Diese gute Bemerkung macht
Guyet S. 89. 90. Ganz unbe-
friedigend ist die Erwiederung von
Vermehren S. 358.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
abſolut zerſtört iſt (b). Um alſo bey der Vindication die
Klagverjährung in ihrer eigenthümlichen Natur anwenden
zu können, müſſen wir den Fall ſo denken, daß der Beſitzer
das Eigenthum nicht erwirbt, und dieſer Fall tritt in der
That ein, wenn er einen unredlichen Beſitz hatte (c). In
dieſem Fall aber iſt es auch ganz gewiß, daß nicht das
Recht ſelbſt, ſondern nur die Klage, dem urſprünglichen
Eigenthümer verloren geht. Denn es iſt ausdrücklich an-
erkannt, daß wenn nun der Beſitz durch Zufall an einen
Dritten, ganz Unberechtigten, kommt, der vorige Eigen-
thümer gegen Dieſen vindiciren kann (d), welches bey ver-
lornem Recht ganz undenkbar ſeyn würde. Wäre aber
Dieſes auch nicht anerkannt, ſo würde dennoch die An-
nahme, daß der Eigenthümer ſein Recht (das Eigenthum)
verlöre, zu einem ganz abſurden Erfolg führen. Die Sache
wäre nun herrenlos geworden, und da der unredliche Be-
ſitz noch immer fortdauert, ſo würde in demſelben Augen-
blick der Beſitzer durch Occupation das Eigenthum dieſer
herrenloſen Sache erwerben, alſo auf einem anderen Wege
gerade den Vortheil erlangen, den ihm Juſtinian durchaus
verſagt (e). — Nicht glücklich iſt die Wendung, womit
ein Vertheidiger der ſtärkeren Wirkung dieſen Einwürfen
zu entgehen verſucht, indem er ſagt, das Recht ſelbſt

(b) Vgl. oben § 230 S. 197
Num. 1.
(c) L. 8 § 1 C. de praescr.
XXX.
(7. 39.).
(d) L. 8 § 1 C. cit., verb.
„tunc licentia sit priori domi-
no … eam vindicare …”
(e) Dieſe gute Bemerkung macht
Guyet S. 89. 90. Ganz unbe-
friedigend iſt die Erwiederung von
Vermehren S. 358.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0382" n="368"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/>
ab&#x017F;olut zer&#x017F;tört i&#x017F;t <note place="foot" n="(b)">Vgl. oben § 230 S. 197<lb/>
Num. 1.</note>. Um al&#x017F;o bey der Vindication die<lb/>
Klagverjährung in ihrer eigenthümlichen Natur anwenden<lb/>
zu können, mü&#x017F;&#x017F;en wir den Fall &#x017F;o denken, daß der Be&#x017F;itzer<lb/>
das Eigenthum <hi rendition="#g">nicht</hi> erwirbt, und die&#x017F;er Fall tritt in der<lb/>
That ein, wenn er einen unredlichen Be&#x017F;itz hatte <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 8 § 1 <hi rendition="#i">C. de praescr.</hi><lb/>
XXX.</hi> (7. 39.).</note>. In<lb/>
die&#x017F;em Fall aber i&#x017F;t es auch ganz gewiß, daß nicht das<lb/>
Recht &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;ondern nur die Klage, dem ur&#x017F;prünglichen<lb/>
Eigenthümer verloren geht. Denn es i&#x017F;t ausdrücklich an-<lb/>
erkannt, daß wenn nun der Be&#x017F;itz durch Zufall an einen<lb/>
Dritten, ganz Unberechtigten, kommt, der vorige Eigen-<lb/>
thümer gegen Die&#x017F;en vindiciren kann <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 8 § 1 <hi rendition="#i">C. cit.,</hi> verb.<lb/>
&#x201E;tunc licentia sit priori domi-<lb/>
no &#x2026; eam vindicare &#x2026;&#x201D;</hi></note>, welches bey ver-<lb/>
lornem Recht ganz undenkbar &#x017F;eyn würde. Wäre aber<lb/>
Die&#x017F;es auch nicht anerkannt, &#x017F;o würde dennoch die An-<lb/>
nahme, daß der Eigenthümer &#x017F;ein Recht (das Eigenthum)<lb/>
verlöre, zu einem ganz ab&#x017F;urden Erfolg führen. Die Sache<lb/>
wäre nun herrenlos geworden, und da der unredliche Be-<lb/>
&#x017F;itz noch immer fortdauert, &#x017F;o würde in dem&#x017F;elben Augen-<lb/>
blick der Be&#x017F;itzer durch Occupation das Eigenthum die&#x017F;er<lb/>
herrenlo&#x017F;en Sache erwerben, al&#x017F;o auf einem anderen Wege<lb/>
gerade den Vortheil erlangen, den ihm Ju&#x017F;tinian durchaus<lb/>
ver&#x017F;agt <note place="foot" n="(e)">Die&#x017F;e gute Bemerkung macht<lb/><hi rendition="#g">Guyet</hi> S. 89. 90. Ganz unbe-<lb/>
friedigend i&#x017F;t die Erwiederung von<lb/><hi rendition="#g">Vermehren</hi> S. 358.</note>. &#x2014; Nicht glücklich i&#x017F;t die Wendung, womit<lb/>
ein Vertheidiger der &#x017F;tärkeren Wirkung die&#x017F;en Einwürfen<lb/>
zu entgehen ver&#x017F;ucht, indem er &#x017F;agt, das Recht &#x017F;elb&#x017F;t<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[368/0382] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. abſolut zerſtört iſt (b). Um alſo bey der Vindication die Klagverjährung in ihrer eigenthümlichen Natur anwenden zu können, müſſen wir den Fall ſo denken, daß der Beſitzer das Eigenthum nicht erwirbt, und dieſer Fall tritt in der That ein, wenn er einen unredlichen Beſitz hatte (c). In dieſem Fall aber iſt es auch ganz gewiß, daß nicht das Recht ſelbſt, ſondern nur die Klage, dem urſprünglichen Eigenthümer verloren geht. Denn es iſt ausdrücklich an- erkannt, daß wenn nun der Beſitz durch Zufall an einen Dritten, ganz Unberechtigten, kommt, der vorige Eigen- thümer gegen Dieſen vindiciren kann (d), welches bey ver- lornem Recht ganz undenkbar ſeyn würde. Wäre aber Dieſes auch nicht anerkannt, ſo würde dennoch die An- nahme, daß der Eigenthümer ſein Recht (das Eigenthum) verlöre, zu einem ganz abſurden Erfolg führen. Die Sache wäre nun herrenlos geworden, und da der unredliche Be- ſitz noch immer fortdauert, ſo würde in demſelben Augen- blick der Beſitzer durch Occupation das Eigenthum dieſer herrenloſen Sache erwerben, alſo auf einem anderen Wege gerade den Vortheil erlangen, den ihm Juſtinian durchaus verſagt (e). — Nicht glücklich iſt die Wendung, womit ein Vertheidiger der ſtärkeren Wirkung dieſen Einwürfen zu entgehen verſucht, indem er ſagt, das Recht ſelbſt (b) Vgl. oben § 230 S. 197 Num. 1. (c) L. 8 § 1 C. de praescr. XXX. (7. 39.). (d) L. 8 § 1 C. cit., verb. „tunc licentia sit priori domi- no … eam vindicare …” (e) Dieſe gute Bemerkung macht Guyet S. 89. 90. Ganz unbe- friedigend iſt die Erwiederung von Vermehren S. 358.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/382
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/382>, abgerufen am 23.12.2024.