beruhigt werden, daß das Princip der Prozeßconsumtion selbst, worauf sich die Aufhebung bezog, aus dem Justi- nianischen Recht durch bloßes Stillschweigen vertilgt worden ist, so daß wir sein früheres Daseyn und seine wichtige Bedeutung nur erst durch Gajus erfahren haben.
Zweytens giebt es mehrere Rechtsverhältnisse, in wel- chen dem Berechtigten geradezu ein Wahlrecht zwischen mehreren Klagen gegeben ist, so daß in der That durch die bloße Anstellung der einen Klage, ohne Rücksicht auf den Erfolg, die andere absorbirt ist. Diese Fälle haben also eine äußere Ähnlichkeit, sowohl mit der alten Pro- zeßconsumtion, als mit der Klagenconcurrenz; dennoch sind sie von beiden wesentlich verschieden. Bey den allermeisten Fällen dieser Art ist die Grundverschiedenheit schon da- durch unverkennbar, daß die der Wahl überlassenen Kla- gen auf ganz verschiedene Objecte gerichtet sind, so daß es vielmehr eine Wahl zwischen mehreren Rechten, als zwischen Klagen, genannt werden muß. Diese Fälle ha- ben eine ganz isolirte Natur, und beruhen auf keinem ge- meinsamen Princip, namentlich nicht auf dem hier darge- stellten Princip der Concurrenz. Sie hier zu erwähnen, ist deswegen nöthig, damit der nicht seltenen Einmischung derselben in die Lehre von der Concurrenz, wohin sie nicht gehören, vorgebeugt werde. Indem ich sie hier in einer Übersicht zusammenstelle, will ich für die Vollständigkeit dieser Aufzählung nicht einstehen.
1) Wenn bey einem, unter der lex commissoria ge-
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
beruhigt werden, daß das Princip der Prozeßconſumtion ſelbſt, worauf ſich die Aufhebung bezog, aus dem Juſti- nianiſchen Recht durch bloßes Stillſchweigen vertilgt worden iſt, ſo daß wir ſein früheres Daſeyn und ſeine wichtige Bedeutung nur erſt durch Gajus erfahren haben.
Zweytens giebt es mehrere Rechtsverhältniſſe, in wel- chen dem Berechtigten geradezu ein Wahlrecht zwiſchen mehreren Klagen gegeben iſt, ſo daß in der That durch die bloße Anſtellung der einen Klage, ohne Rückſicht auf den Erfolg, die andere abſorbirt iſt. Dieſe Fälle haben alſo eine äußere Ähnlichkeit, ſowohl mit der alten Pro- zeßconſumtion, als mit der Klagenconcurrenz; dennoch ſind ſie von beiden weſentlich verſchieden. Bey den allermeiſten Fällen dieſer Art iſt die Grundverſchiedenheit ſchon da- durch unverkennbar, daß die der Wahl überlaſſenen Kla- gen auf ganz verſchiedene Objecte gerichtet ſind, ſo daß es vielmehr eine Wahl zwiſchen mehreren Rechten, als zwiſchen Klagen, genannt werden muß. Dieſe Fälle ha- ben eine ganz iſolirte Natur, und beruhen auf keinem ge- meinſamen Princip, namentlich nicht auf dem hier darge- ſtellten Princip der Concurrenz. Sie hier zu erwähnen, iſt deswegen nöthig, damit der nicht ſeltenen Einmiſchung derſelben in die Lehre von der Concurrenz, wohin ſie nicht gehören, vorgebeugt werde. Indem ich ſie hier in einer Überſicht zuſammenſtelle, will ich für die Vollſtändigkeit dieſer Aufzählung nicht einſtehen.
1) Wenn bey einem, unter der lex commissoria ge-
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
beruhigt werden, daß das Princip der Prozeßconſumtion
ſelbſt, worauf ſich die Aufhebung bezog, aus dem Juſti-
nianiſchen Recht durch bloßes Stillſchweigen vertilgt worden
iſt, ſo daß wir ſein früheres Daſeyn und ſeine wichtige
Bedeutung nur erſt durch Gajus erfahren haben.
Zweytens giebt es mehrere Rechtsverhältniſſe, in wel-
chen dem Berechtigten geradezu ein Wahlrecht zwiſchen
mehreren Klagen gegeben iſt, ſo daß in der That durch
die bloße Anſtellung der einen Klage, ohne Rückſicht auf
den Erfolg, die andere abſorbirt iſt. Dieſe Fälle haben
alſo eine äußere Ähnlichkeit, ſowohl mit der alten Pro-
zeßconſumtion, als mit der Klagenconcurrenz; dennoch ſind
ſie von beiden weſentlich verſchieden. Bey den allermeiſten
Fällen dieſer Art iſt die Grundverſchiedenheit ſchon da-
durch unverkennbar, daß die der Wahl überlaſſenen Kla-
gen auf ganz verſchiedene Objecte gerichtet ſind, ſo daß
es vielmehr eine Wahl zwiſchen mehreren Rechten, als
zwiſchen Klagen, genannt werden muß. Dieſe Fälle ha-
ben eine ganz iſolirte Natur, und beruhen auf keinem ge-
meinſamen Princip, namentlich nicht auf dem hier darge-
ſtellten Princip der Concurrenz. Sie hier zu erwähnen,
iſt deswegen nöthig, damit der nicht ſeltenen Einmiſchung
derſelben in die Lehre von der Concurrenz, wohin ſie nicht
gehören, vorgebeugt werde. Indem ich ſie hier in einer
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/270>, abgerufen am 12.12.2024.
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