Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 206. In personam, in rem actiones.
an sich möglichen Mißverständniß vorbeugt. Denn judi-
cium
heißt im Justinianischen Recht nicht mehr der Pro-
zeß vor einem Judex, sondern jedes Gericht und jeder
Rechtsstreit überhaupt; und auch der Ausdruck quod sibi
debetur
kann in diesem Zusammenhang füglich von Allem,
was man zu erwarten und zu verlangen hat, verstanden
werden, ohne ausschließende Beziehung auf eine Obligation
als Grund des Verlangens.

Bisher ist der verschiedene Sprachgebrauch als bloße
Thatsache nachgewiesen worden. Der Grund desselben liegt
darin, daß lange Zeit überhaupt keine andere Klagen vor-
kamen, als in personam, in welcher Zeit auch der Name
actio mit diesen identisch seyn mußte. Als späterhin auch
eigene Klagen in rem eingeführt wurden, gebrauchte man
für diese zuerst den unterscheidenden Namen petitio, bis
man es gerathener fand, den Ausdruck actio so auszudeh-
nen, daß beiderley Klagen als Arten unter einen gemein-
schaftlichen Gattungsbegriff zusammen gefaßt werden konn-
ten. Dieser historische Zusammenhang kann erst in Ver-
bindung mit der nun folgenden Eintheilung der Klagen
nachgewiesen werden.

§. 206.
Arten der Klagen. In personam, in rem.

Die Arten der Klagen, deren genaue Unterscheidung
allein im Stande ist, der in dieser Lehre häufig wahrzu-
nehmenden Verworrenheit abzuhelfen, haben eine verschie-

§. 206. In personam, in rem actiones.
an ſich möglichen Mißverſtändniß vorbeugt. Denn judi-
cium
heißt im Juſtinianiſchen Recht nicht mehr der Pro-
zeß vor einem Judex, ſondern jedes Gericht und jeder
Rechtsſtreit überhaupt; und auch der Ausdruck quod sibi
debetur
kann in dieſem Zuſammenhang füglich von Allem,
was man zu erwarten und zu verlangen hat, verſtanden
werden, ohne ausſchließende Beziehung auf eine Obligation
als Grund des Verlangens.

Bisher iſt der verſchiedene Sprachgebrauch als bloße
Thatſache nachgewieſen worden. Der Grund deſſelben liegt
darin, daß lange Zeit überhaupt keine andere Klagen vor-
kamen, als in personam, in welcher Zeit auch der Name
actio mit dieſen identiſch ſeyn mußte. Als ſpäterhin auch
eigene Klagen in rem eingeführt wurden, gebrauchte man
für dieſe zuerſt den unterſcheidenden Namen petitio, bis
man es gerathener fand, den Ausdruck actio ſo auszudeh-
nen, daß beiderley Klagen als Arten unter einen gemein-
ſchaftlichen Gattungsbegriff zuſammen gefaßt werden konn-
ten. Dieſer hiſtoriſche Zuſammenhang kann erſt in Ver-
bindung mit der nun folgenden Eintheilung der Klagen
nachgewieſen werden.

§. 206.
Arten der Klagen. In personam, in rem.

Die Arten der Klagen, deren genaue Unterſcheidung
allein im Stande iſt, der in dieſer Lehre häufig wahrzu-
nehmenden Verworrenheit abzuhelfen, haben eine verſchie-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0025" n="11"/><fw place="top" type="header">§. 206. <hi rendition="#aq">In personam, in rem actiones.</hi></fw><lb/>
an &#x017F;ich möglichen Mißver&#x017F;tändniß vorbeugt. Denn <hi rendition="#aq">judi-<lb/>
cium</hi> heißt im Ju&#x017F;tiniani&#x017F;chen Recht nicht mehr der Pro-<lb/>
zeß vor einem Judex, &#x017F;ondern jedes Gericht und jeder<lb/>
Rechts&#x017F;treit überhaupt; und auch der Ausdruck <hi rendition="#aq">quod sibi<lb/>
debetur</hi> kann in die&#x017F;em Zu&#x017F;ammenhang füglich von Allem,<lb/>
was man zu erwarten und zu verlangen hat, ver&#x017F;tanden<lb/>
werden, ohne aus&#x017F;chließende Beziehung auf eine Obligation<lb/>
als Grund des Verlangens.</p><lb/>
            <p>Bisher i&#x017F;t der ver&#x017F;chiedene Sprachgebrauch als bloße<lb/>
That&#x017F;ache nachgewie&#x017F;en worden. Der Grund de&#x017F;&#x017F;elben liegt<lb/>
darin, daß lange Zeit überhaupt keine andere Klagen vor-<lb/>
kamen, als <hi rendition="#aq">in personam,</hi> in welcher Zeit auch der Name<lb/><hi rendition="#aq">actio</hi> mit die&#x017F;en identi&#x017F;ch &#x017F;eyn mußte. Als &#x017F;päterhin auch<lb/>
eigene Klagen <hi rendition="#aq">in rem</hi> eingeführt wurden, gebrauchte man<lb/>
für die&#x017F;e zuer&#x017F;t den unter&#x017F;cheidenden Namen <hi rendition="#aq">petitio,</hi> bis<lb/>
man es gerathener fand, den Ausdruck <hi rendition="#aq">actio</hi> &#x017F;o auszudeh-<lb/>
nen, daß beiderley Klagen als Arten unter einen gemein-<lb/>
&#x017F;chaftlichen Gattungsbegriff zu&#x017F;ammen gefaßt werden konn-<lb/>
ten. Die&#x017F;er hi&#x017F;tori&#x017F;che Zu&#x017F;ammenhang kann er&#x017F;t in Ver-<lb/>
bindung mit der nun folgenden Eintheilung der Klagen<lb/>
nachgewie&#x017F;en werden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 206.<lb/><hi rendition="#g">Arten der Klagen. <hi rendition="#aq">In personam, in rem.</hi></hi></head><lb/>
            <p>Die Arten der Klagen, deren genaue Unter&#x017F;cheidung<lb/>
allein im Stande i&#x017F;t, der in die&#x017F;er Lehre häufig wahrzu-<lb/>
nehmenden Verworrenheit abzuhelfen, haben eine ver&#x017F;chie-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0025] §. 206. In personam, in rem actiones. an ſich möglichen Mißverſtändniß vorbeugt. Denn judi- cium heißt im Juſtinianiſchen Recht nicht mehr der Pro- zeß vor einem Judex, ſondern jedes Gericht und jeder Rechtsſtreit überhaupt; und auch der Ausdruck quod sibi debetur kann in dieſem Zuſammenhang füglich von Allem, was man zu erwarten und zu verlangen hat, verſtanden werden, ohne ausſchließende Beziehung auf eine Obligation als Grund des Verlangens. Bisher iſt der verſchiedene Sprachgebrauch als bloße Thatſache nachgewieſen worden. Der Grund deſſelben liegt darin, daß lange Zeit überhaupt keine andere Klagen vor- kamen, als in personam, in welcher Zeit auch der Name actio mit dieſen identiſch ſeyn mußte. Als ſpäterhin auch eigene Klagen in rem eingeführt wurden, gebrauchte man für dieſe zuerſt den unterſcheidenden Namen petitio, bis man es gerathener fand, den Ausdruck actio ſo auszudeh- nen, daß beiderley Klagen als Arten unter einen gemein- ſchaftlichen Gattungsbegriff zuſammen gefaßt werden konn- ten. Dieſer hiſtoriſche Zuſammenhang kann erſt in Ver- bindung mit der nun folgenden Eintheilung der Klagen nachgewieſen werden. §. 206. Arten der Klagen. In personam, in rem. Die Arten der Klagen, deren genaue Unterſcheidung allein im Stande iſt, der in dieſer Lehre häufig wahrzu- nehmenden Verworrenheit abzuhelfen, haben eine verſchie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/25
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/25>, abgerufen am 22.12.2024.