Fast alle diese Klagen passen zu dem oben aufgestell- ten Begriff der Restitution oder Exhibition, dienen also zur Bestätigung der hier vorgetragenen Lehre. Eine ein- zige Klage kann daran Zweifel erregen, und zwar gerade die, deren arbiträre Natur vorzugsweise und wiederholt in unsren Rechtsquellen wörtlich anerkannt ist: die actio de eo quod certo loco (Note d), welches eine prätorische Klage ist (o). Sie geht gar nicht auf eine Restitution oder Exhibition, sondern auf die örtliche Reduction des Betrags einer Stipulation, welche eigentlich, ihrem wört- lichen Inhalt nach, an einem fremden Ort zu erfüllen ge- wesen wäre. Die Aufforderung des Arbiter, durch deren Erfüllung die Klage abgewendet wird, geht auf Caution wegen Erfüllung des wörtlichen Inhalts der Stipula- tion (p); das Präjudiz bey Verweigerung dieser Erfüllung besteht in einem möglichen sehr hohen, selbst indirecten, Interesse, worauf die Verurtheilung gerichtet werden kann (q). So liegt also in dieser Klage die Anwendung einer, für ganz andere Zwecke und Fälle eingeführten Prozeßform
eine Restitution ante judicium acceptum gemeynt (L. 5 pr. eod.), so daß zu einem arbitrium vor dem Urtheil keine Veranlassung war (vgl. Note t.).
(o)L. 1 de eo quod certo loco (13. 4) "ideo visum est, utilem actionem in eam rem comparare." Heffter observ. in Gajum Lib. 4 p. 83 hält sie für eine eigentliche utilis a., d. h. für eine Fictionsklage, welches je- doch aus jenen Worten nicht noth- wendig folgt. Sie kann auf ge- wöhnliche Weise in factum con- cepta gewesen seyn, und dennoch utilis genannt werden, weil durch sie das ursprüngliche Klagrecht über seine Gränzen ausgedehnt wurde.
(p)L. 4 § 1 de eo quod certo loco (13. 4.).
(q)L. 2 § 8 de eo quod certo loco (13. 4.).
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Faſt alle dieſe Klagen paſſen zu dem oben aufgeſtell- ten Begriff der Reſtitution oder Exhibition, dienen alſo zur Beſtätigung der hier vorgetragenen Lehre. Eine ein- zige Klage kann daran Zweifel erregen, und zwar gerade die, deren arbiträre Natur vorzugsweiſe und wiederholt in unſren Rechtsquellen wörtlich anerkannt iſt: die actio de eo quod certo loco (Note d), welches eine prätoriſche Klage iſt (o). Sie geht gar nicht auf eine Reſtitution oder Exhibition, ſondern auf die örtliche Reduction des Betrags einer Stipulation, welche eigentlich, ihrem wört- lichen Inhalt nach, an einem fremden Ort zu erfüllen ge- weſen wäre. Die Aufforderung des Arbiter, durch deren Erfüllung die Klage abgewendet wird, geht auf Caution wegen Erfüllung des wörtlichen Inhalts der Stipula- tion (p); das Präjudiz bey Verweigerung dieſer Erfüllung beſteht in einem möglichen ſehr hohen, ſelbſt indirecten, Intereſſe, worauf die Verurtheilung gerichtet werden kann (q). So liegt alſo in dieſer Klage die Anwendung einer, für ganz andere Zwecke und Fälle eingeführten Prozeßform
eine Reſtitution ante judicium acceptum gemeynt (L. 5 pr. eod.), ſo daß zu einem arbitrium vor dem Urtheil keine Veranlaſſung war (vgl. Note t.).
(o)L. 1 de eo quod certo loco (13. 4) „ideo visum est, utilem actionem in eam rem comparare.” Heffter observ. in Gajum Lib. 4 p. 83 hält ſie für eine eigentliche utilis a., d. h. für eine Fictionsklage, welches je- doch aus jenen Worten nicht noth- wendig folgt. Sie kann auf ge- wöhnliche Weiſe in factum con- cepta geweſen ſeyn, und dennoch utilis genannt werden, weil durch ſie das urſprüngliche Klagrecht über ſeine Gränzen ausgedehnt wurde.
(p)L. 4 § 1 de eo quod certo loco (13. 4.).
(q)L. 2 § 8 de eo quod certo loco (13. 4.).
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Faſt alle dieſe Klagen paſſen zu dem oben aufgeſtell-
ten Begriff der Reſtitution oder Exhibition, dienen alſo
zur Beſtätigung der hier vorgetragenen Lehre. Eine ein-
zige Klage kann daran Zweifel erregen, und zwar gerade
die, deren arbiträre Natur vorzugsweiſe und wiederholt
in unſren Rechtsquellen wörtlich anerkannt iſt: die actio
de eo quod certo loco (Note d), welches eine prätoriſche
Klage iſt (o). Sie geht gar nicht auf eine Reſtitution
oder Exhibition, ſondern auf die örtliche Reduction des
Betrags einer Stipulation, welche eigentlich, ihrem wört-
lichen Inhalt nach, an einem fremden Ort zu erfüllen ge-
weſen wäre. Die Aufforderung des Arbiter, durch deren
Erfüllung die Klage abgewendet wird, geht auf Caution
wegen Erfüllung des wörtlichen Inhalts der Stipula-
tion (p); das Präjudiz bey Verweigerung dieſer Erfüllung
beſteht in einem möglichen ſehr hohen, ſelbſt indirecten,
Intereſſe, worauf die Verurtheilung gerichtet werden kann (q).
So liegt alſo in dieſer Klage die Anwendung einer, für
ganz andere Zwecke und Fälle eingeführten Prozeßform
(n)
(o) L. 1 de eo quod certo
loco (13. 4) „ideo visum est,
utilem actionem in eam rem
comparare.” Heffter observ.
in Gajum Lib. 4 p. 83 hält ſie
für eine eigentliche utilis a., d. h.
für eine Fictionsklage, welches je-
doch aus jenen Worten nicht noth-
wendig folgt. Sie kann auf ge-
wöhnliche Weiſe in factum con-
cepta geweſen ſeyn, und dennoch
utilis genannt werden, weil durch
ſie das urſprüngliche Klagrecht
über ſeine Gränzen ausgedehnt
wurde.
(p) L. 4 § 1 de eo quod certo
loco (13. 4.).
(q) L. 2 § 8 de eo quod certo
loco (13. 4.).
(n) eine Reſtitution ante judicium
acceptum gemeynt (L. 5 pr. eod.),
ſo daß zu einem arbitrium vor
dem Urtheil keine Veranlaſſung war
(vgl. Note t.).
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/146>, abgerufen am 27.07.2024.
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