Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 220. Act, stricti juris (Condictiones), bonae fidei (Forts.)
anzunehmen. Jenes System der vorherrschenden Condic-
tionen in drey verschiedenen Formeln und Klassen, und
der daneben stehenden b. f. actiones, ist zwar allerdings
als nicht allmälig, sondern gleichzeitig entstanden anzuse-
hen, so daß gleich bey der ursprünglichen Bildung des
Formularprozesses die den alten Legis actiones nachge-
bildeten Condictionen in derselben Mannichfaltigkeit auf-
gestellt wurden, worin wir sie in unsren Rechtsquellen
finden. Allein im Laufe der Zeit wurde das der b. f. actio
zum Grunde liegende Princip als das vorzüglichere und
annehmlichere betrachtet, und es findet sich eine sichtbare
Hinneigung, die Condictionen in die freyere Natur der
b. f. actiones hinüber zu leiten, wozu besonders die Prä-
toren auf mancherley Weise mitwirkten. Es geschah Die-
ses durch Mittel und Rechtsformen, welche in dem System
der Condictionen selbst gegründet waren, und es lag da-
her in diesem Verfahren die Befriedigung eines durch stets
wachsende Überzeugung anerkannten praktischen Bedürf-
nisses, ohne daß man Dasselbe einer formellen Inconse-
quenz beschuldigen konnte (c). -- Diese Richtung scheint
schon früh eingetreten zu seyn, wenigstens schon zur Zeit
des Cicero, wofür, von anderen Gründen abgesehen, schon
die Vorliebe Zeugniß giebt, womit er, vom sittlichen Stand-
punkt aus, über die b. f. actiones redet (§ 218. c.). Das
Wesen des früheren Klagensystems stand jedoch fest, so
lange als die alte Gerichtsverfassung bestand; der Judex

(c) Beylage XIII. Num. XX.

§. 220. Act, stricti juris (Condictiones), bonae fidei (Fortſ.)
anzunehmen. Jenes Syſtem der vorherrſchenden Condic-
tionen in drey verſchiedenen Formeln und Klaſſen, und
der daneben ſtehenden b. f. actiones, iſt zwar allerdings
als nicht allmälig, ſondern gleichzeitig entſtanden anzuſe-
hen, ſo daß gleich bey der urſprünglichen Bildung des
Formularprozeſſes die den alten Legis actiones nachge-
bildeten Condictionen in derſelben Mannichfaltigkeit auf-
geſtellt wurden, worin wir ſie in unſren Rechtsquellen
finden. Allein im Laufe der Zeit wurde das der b. f. actio
zum Grunde liegende Princip als das vorzüglichere und
annehmlichere betrachtet, und es findet ſich eine ſichtbare
Hinneigung, die Condictionen in die freyere Natur der
b. f. actiones hinüber zu leiten, wozu beſonders die Prä-
toren auf mancherley Weiſe mitwirkten. Es geſchah Die-
ſes durch Mittel und Rechtsformen, welche in dem Syſtem
der Condictionen ſelbſt gegründet waren, und es lag da-
her in dieſem Verfahren die Befriedigung eines durch ſtets
wachſende Überzeugung anerkannten praktiſchen Bedürf-
niſſes, ohne daß man Daſſelbe einer formellen Inconſe-
quenz beſchuldigen konnte (c). — Dieſe Richtung ſcheint
ſchon früh eingetreten zu ſeyn, wenigſtens ſchon zur Zeit
des Cicero, wofür, von anderen Gründen abgeſehen, ſchon
die Vorliebe Zeugniß giebt, womit er, vom ſittlichen Stand-
punkt aus, über die b. f. actiones redet (§ 218. c.). Das
Weſen des früheren Klagenſyſtems ſtand jedoch feſt, ſo
lange als die alte Gerichtsverfaſſung beſtand; der Judex

(c) Beylage XIII. Num. XX.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0131" n="117"/><fw place="top" type="header">§. 220. <hi rendition="#aq">Act, stricti juris (Condictiones), bonae fidei</hi> (Fort&#x017F;.)</fw><lb/>
anzunehmen. Jenes Sy&#x017F;tem der vorherr&#x017F;chenden Condic-<lb/>
tionen in drey ver&#x017F;chiedenen Formeln und Kla&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
der daneben &#x017F;tehenden <hi rendition="#aq">b. f. actiones,</hi> i&#x017F;t zwar allerdings<lb/>
als nicht allmälig, &#x017F;ondern gleichzeitig ent&#x017F;tanden anzu&#x017F;e-<lb/>
hen, &#x017F;o daß gleich bey der ur&#x017F;prünglichen Bildung des<lb/>
Formularproze&#x017F;&#x017F;es die den alten <hi rendition="#aq">Legis actiones</hi> nachge-<lb/>
bildeten Condictionen in der&#x017F;elben Mannichfaltigkeit auf-<lb/>
ge&#x017F;tellt wurden, worin wir &#x017F;ie in un&#x017F;ren Rechtsquellen<lb/>
finden. Allein im Laufe der Zeit wurde das der <hi rendition="#aq">b. f. actio</hi><lb/>
zum Grunde liegende Princip als das vorzüglichere und<lb/>
annehmlichere betrachtet, und es findet &#x017F;ich eine &#x017F;ichtbare<lb/>
Hinneigung, die Condictionen in die freyere Natur der<lb/><hi rendition="#aq">b. f. actiones</hi> hinüber zu leiten, wozu be&#x017F;onders die Prä-<lb/>
toren auf mancherley Wei&#x017F;e mitwirkten. Es ge&#x017F;chah Die-<lb/>
&#x017F;es durch Mittel und Rechtsformen, welche in dem Sy&#x017F;tem<lb/>
der Condictionen &#x017F;elb&#x017F;t gegründet waren, und es lag da-<lb/>
her in die&#x017F;em Verfahren die Befriedigung eines durch &#x017F;tets<lb/>
wach&#x017F;ende Überzeugung anerkannten prakti&#x017F;chen Bedürf-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;es, ohne daß man Da&#x017F;&#x017F;elbe einer formellen Incon&#x017F;e-<lb/>
quenz be&#x017F;chuldigen konnte <note place="foot" n="(c)">Beylage <hi rendition="#aq">XIII.</hi> Num. <hi rendition="#aq">XX.</hi></note>. &#x2014; Die&#x017F;e Richtung &#x017F;cheint<lb/>
&#x017F;chon früh eingetreten zu &#x017F;eyn, wenig&#x017F;tens &#x017F;chon zur Zeit<lb/>
des Cicero, wofür, von anderen Gründen abge&#x017F;ehen, &#x017F;chon<lb/>
die Vorliebe Zeugniß giebt, womit er, vom &#x017F;ittlichen Stand-<lb/>
punkt aus, über die <hi rendition="#aq">b. f. actiones</hi> redet (§ 218. <hi rendition="#aq">c.</hi>). Das<lb/>
We&#x017F;en des früheren Klagen&#x017F;y&#x017F;tems &#x017F;tand jedoch fe&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
lange als die alte Gerichtsverfa&#x017F;&#x017F;ung be&#x017F;tand; der Judex<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0131] §. 220. Act, stricti juris (Condictiones), bonae fidei (Fortſ.) anzunehmen. Jenes Syſtem der vorherrſchenden Condic- tionen in drey verſchiedenen Formeln und Klaſſen, und der daneben ſtehenden b. f. actiones, iſt zwar allerdings als nicht allmälig, ſondern gleichzeitig entſtanden anzuſe- hen, ſo daß gleich bey der urſprünglichen Bildung des Formularprozeſſes die den alten Legis actiones nachge- bildeten Condictionen in derſelben Mannichfaltigkeit auf- geſtellt wurden, worin wir ſie in unſren Rechtsquellen finden. Allein im Laufe der Zeit wurde das der b. f. actio zum Grunde liegende Princip als das vorzüglichere und annehmlichere betrachtet, und es findet ſich eine ſichtbare Hinneigung, die Condictionen in die freyere Natur der b. f. actiones hinüber zu leiten, wozu beſonders die Prä- toren auf mancherley Weiſe mitwirkten. Es geſchah Die- ſes durch Mittel und Rechtsformen, welche in dem Syſtem der Condictionen ſelbſt gegründet waren, und es lag da- her in dieſem Verfahren die Befriedigung eines durch ſtets wachſende Überzeugung anerkannten praktiſchen Bedürf- niſſes, ohne daß man Daſſelbe einer formellen Inconſe- quenz beſchuldigen konnte (c). — Dieſe Richtung ſcheint ſchon früh eingetreten zu ſeyn, wenigſtens ſchon zur Zeit des Cicero, wofür, von anderen Gründen abgeſehen, ſchon die Vorliebe Zeugniß giebt, womit er, vom ſittlichen Stand- punkt aus, über die b. f. actiones redet (§ 218. c.). Das Weſen des früheren Klagenſyſtems ſtand jedoch feſt, ſo lange als die alte Gerichtsverfaſſung beſtand; der Judex (c) Beylage XIII. Num. XX.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/131
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/131>, abgerufen am 23.12.2024.