gegen die Freyheit der Andern äußert sich abwehrend, wie- derherstellend, also auf eine meist negative Weise. Auch wird diese Art des Schutzes großentheils hinreichen, um in dem Verkehr der Menschen unter einander eine rechtliche Ordnung zu erhalten; soweit er hinreicht, bedarf es eines Zwanges zu positiven Handlungen nicht, und soll dieser dennoch angewendet werden, so kann die Rechtfertigung desselben nur in der besonders nachgewiesenen Unentbehr- lichkeit liegen.
Wenn zum Beyspiel Einer sein Haus vermiethet, und der Miether die Rückgabe verweigert, so kann zum Schutz gegen dieses Unrecht schon die Eigenthumsklage ge- nügen. Gegen die Verweigerung des Miethgeldes freylich schützt diese Klage nicht, und dadurch wird dennoch eine wohlbegründete Erwartung des Vermiethers gestört; eben so verhält es sich mit dem Inhalt der meisten anderen Verträge. Diese Erwartungen nun stehen zunächst unter dem Schutz der bey rechtlichen Menschen geltenden Sitte, und dieser Schutz, selbst ohne äußere Unterstützung, ist stärker, als man in blos juristischer Betrachtung anzuneh- men geneigt seyn mag. Es ist hier nicht die Rede von edler Gesinnung, Grosmuth, Aufopferung, auf welche durchschnittlich zu rechnen nie gerathen seyn möchte; zur Beobachtung jener Sitte kann schon verständige Selbst- sucht antreiben, da auf ihr das schwer zu entbehrende Zu- trauen Anderer beruht. Wir bezeichnen diesen Zustand als Treue und Glauben, die Römer nennen ihn bona fides.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
gegen die Freyheit der Andern äußert ſich abwehrend, wie- derherſtellend, alſo auf eine meiſt negative Weiſe. Auch wird dieſe Art des Schutzes großentheils hinreichen, um in dem Verkehr der Menſchen unter einander eine rechtliche Ordnung zu erhalten; ſoweit er hinreicht, bedarf es eines Zwanges zu poſitiven Handlungen nicht, und ſoll dieſer dennoch angewendet werden, ſo kann die Rechtfertigung deſſelben nur in der beſonders nachgewieſenen Unentbehr- lichkeit liegen.
Wenn zum Beyſpiel Einer ſein Haus vermiethet, und der Miether die Rückgabe verweigert, ſo kann zum Schutz gegen dieſes Unrecht ſchon die Eigenthumsklage ge- nügen. Gegen die Verweigerung des Miethgeldes freylich ſchützt dieſe Klage nicht, und dadurch wird dennoch eine wohlbegründete Erwartung des Vermiethers geſtört; eben ſo verhält es ſich mit dem Inhalt der meiſten anderen Verträge. Dieſe Erwartungen nun ſtehen zunächſt unter dem Schutz der bey rechtlichen Menſchen geltenden Sitte, und dieſer Schutz, ſelbſt ohne äußere Unterſtützung, iſt ſtärker, als man in blos juriſtiſcher Betrachtung anzuneh- men geneigt ſeyn mag. Es iſt hier nicht die Rede von edler Geſinnung, Grosmuth, Aufopferung, auf welche durchſchnittlich zu rechnen nie gerathen ſeyn möchte; zur Beobachtung jener Sitte kann ſchon verſtändige Selbſt- ſucht antreiben, da auf ihr das ſchwer zu entbehrende Zu- trauen Anderer beruht. Wir bezeichnen dieſen Zuſtand als Treue und Glauben, die Römer nennen ihn bona fides.
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
gegen die Freyheit der Andern äußert ſich abwehrend, wie-
derherſtellend, alſo auf eine meiſt negative Weiſe. Auch
wird dieſe Art des Schutzes großentheils hinreichen, um in
dem Verkehr der Menſchen unter einander eine rechtliche
Ordnung zu erhalten; ſoweit er hinreicht, bedarf es eines
Zwanges zu poſitiven Handlungen nicht, und ſoll dieſer
dennoch angewendet werden, ſo kann die Rechtfertigung
deſſelben nur in der beſonders nachgewieſenen Unentbehr-
lichkeit liegen.
Wenn zum Beyſpiel Einer ſein Haus vermiethet, und
der Miether die Rückgabe verweigert, ſo kann zum
Schutz gegen dieſes Unrecht ſchon die Eigenthumsklage ge-
nügen. Gegen die Verweigerung des Miethgeldes freylich
ſchützt dieſe Klage nicht, und dadurch wird dennoch eine
wohlbegründete Erwartung des Vermiethers geſtört; eben
ſo verhält es ſich mit dem Inhalt der meiſten anderen
Verträge. Dieſe Erwartungen nun ſtehen zunächſt unter
dem Schutz der bey rechtlichen Menſchen geltenden Sitte,
und dieſer Schutz, ſelbſt ohne äußere Unterſtützung, iſt
ſtärker, als man in blos juriſtiſcher Betrachtung anzuneh-
men geneigt ſeyn mag. Es iſt hier nicht die Rede von
edler Geſinnung, Grosmuth, Aufopferung, auf welche
durchſchnittlich zu rechnen nie gerathen ſeyn möchte; zur
Beobachtung jener Sitte kann ſchon verſtändige Selbſt-
ſucht antreiben, da auf ihr das ſchwer zu entbehrende Zu-
trauen Anderer beruht. Wir bezeichnen dieſen Zuſtand
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/122>, abgerufen am 23.12.2024.
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