Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.§. 148. Schenkung. Begriff. 2. Veräußerung. (Fortsetzung.) Niemand kann auf solchen Erwerb rechnen, und es be-ruht auf unsrer reinen Willkühr, ob unser Vermögen auf diese Weise erst erweitert werden soll: der Gegenstand selbst führt auf eine solche Erweiterung gar nicht. Da- gegen giebt es Vermögenstheile, die eine productive Na- tur an sich tragen, so daß sie gleichsam aus inwohnender Kraft dem Inhaber einen neuen Erwerb bereiten, ohne daß es dazu eines besonderen Entschlusses von seiner Seite bedarf, ja daß es vielmehr auf ungewöhnlicher Willkühr beruht, wenn ein solcher Erwerb unterbleiben soll; auch ist derselbe so wenig zufälliger Art, daß der Lebensun- terhalt darauf regelmäßig gegründet zu werden pflegt. Dahin gehört der Miethertrag eines Hauses, der Frucht- oder Pachtertrag eines Landgutes (§ 146). Die regelmä- ßige Natur dieser Arten der Production führt es mit sich, daß durch sie auch Dasjenige, welches noch nicht zu un- srem Vermögen gehört, als Gegenstand wahrer Veräuße- rung, und somit auch wahrer Schenkung, betrachtet wer- den kann. Gleichsam in die Mitte zwischen diese beiderley Arten der Erwerbung fallen die Geldzinsen. Weit weni- ger zufällig und willkührlich als Erbschaften und Legate, haben sie doch auch nicht eine so regelmäßige und gleich- förmige Natur wie der Fruchtertrag der Grundstücke. Daher werden sie gewöhnlich in das Verhältniß der Schen- kung nicht mit hereingezogen, und wo es geschieht, da reicht der bloße Begriff der Veräußerung nicht aus, son- dern es muß die aus den Umständen hervorgehende beson- IV. 4
§. 148. Schenkung. Begriff. 2. Veräußerung. (Fortſetzung.) Niemand kann auf ſolchen Erwerb rechnen, und es be-ruht auf unſrer reinen Willkühr, ob unſer Vermögen auf dieſe Weiſe erſt erweitert werden ſoll: der Gegenſtand ſelbſt führt auf eine ſolche Erweiterung gar nicht. Da- gegen giebt es Vermögenstheile, die eine productive Na- tur an ſich tragen, ſo daß ſie gleichſam aus inwohnender Kraft dem Inhaber einen neuen Erwerb bereiten, ohne daß es dazu eines beſonderen Entſchluſſes von ſeiner Seite bedarf, ja daß es vielmehr auf ungewöhnlicher Willkühr beruht, wenn ein ſolcher Erwerb unterbleiben ſoll; auch iſt derſelbe ſo wenig zufälliger Art, daß der Lebensun- terhalt darauf regelmäßig gegründet zu werden pflegt. Dahin gehört der Miethertrag eines Hauſes, der Frucht- oder Pachtertrag eines Landgutes (§ 146). Die regelmä- ßige Natur dieſer Arten der Production führt es mit ſich, daß durch ſie auch Dasjenige, welches noch nicht zu un- ſrem Vermögen gehört, als Gegenſtand wahrer Veräuße- rung, und ſomit auch wahrer Schenkung, betrachtet wer- den kann. Gleichſam in die Mitte zwiſchen dieſe beiderley Arten der Erwerbung fallen die Geldzinſen. Weit weni- ger zufällig und willkührlich als Erbſchaften und Legate, haben ſie doch auch nicht eine ſo regelmäßige und gleich- förmige Natur wie der Fruchtertrag der Grundſtücke. Daher werden ſie gewöhnlich in das Verhältniß der Schen- kung nicht mit hereingezogen, und wo es geſchieht, da reicht der bloße Begriff der Veräußerung nicht aus, ſon- dern es muß die aus den Umſtänden hervorgehende beſon- IV. 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0063" n="49"/><fw place="top" type="header">§. 148. Schenkung. Begriff. 2. Veräußerung. (Fortſetzung.)</fw><lb/> Niemand kann auf ſolchen Erwerb rechnen, und es be-<lb/> ruht auf unſrer reinen Willkühr, ob unſer Vermögen auf<lb/> dieſe Weiſe erſt erweitert werden ſoll: der Gegenſtand<lb/> ſelbſt führt auf eine ſolche Erweiterung gar nicht. Da-<lb/> gegen giebt es Vermögenstheile, die eine productive Na-<lb/> tur an ſich tragen, ſo daß ſie gleichſam aus inwohnender<lb/> Kraft dem Inhaber einen neuen Erwerb bereiten, ohne<lb/> daß es dazu eines beſonderen Entſchluſſes von ſeiner Seite<lb/> bedarf, ja daß es vielmehr auf ungewöhnlicher Willkühr<lb/> beruht, wenn ein ſolcher Erwerb unterbleiben ſoll; auch<lb/> iſt derſelbe ſo wenig zufälliger Art, daß der Lebensun-<lb/> terhalt darauf regelmäßig gegründet zu werden pflegt.<lb/> Dahin gehört der Miethertrag eines Hauſes, der Frucht-<lb/> oder Pachtertrag eines Landgutes (§ 146). Die regelmä-<lb/> ßige Natur dieſer Arten der Production führt es mit ſich,<lb/> daß durch ſie auch Dasjenige, welches noch nicht zu un-<lb/> ſrem Vermögen gehört, als Gegenſtand wahrer Veräuße-<lb/> rung, und ſomit auch wahrer Schenkung, betrachtet wer-<lb/> den kann. Gleichſam in die Mitte zwiſchen dieſe beiderley<lb/> Arten der Erwerbung fallen die Geldzinſen. Weit weni-<lb/> ger zufällig und willkührlich als Erbſchaften und Legate,<lb/> haben ſie doch auch nicht eine ſo regelmäßige und gleich-<lb/> förmige Natur wie der Fruchtertrag der Grundſtücke.<lb/> Daher werden ſie gewöhnlich in das Verhältniß der Schen-<lb/> kung nicht mit hereingezogen, und wo es geſchieht, da<lb/> reicht der bloße Begriff der Veräußerung nicht aus, ſon-<lb/> dern es muß die aus den Umſtänden hervorgehende beſon-<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">IV.</hi> 4</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [49/0063]
§. 148. Schenkung. Begriff. 2. Veräußerung. (Fortſetzung.)
Niemand kann auf ſolchen Erwerb rechnen, und es be-
ruht auf unſrer reinen Willkühr, ob unſer Vermögen auf
dieſe Weiſe erſt erweitert werden ſoll: der Gegenſtand
ſelbſt führt auf eine ſolche Erweiterung gar nicht. Da-
gegen giebt es Vermögenstheile, die eine productive Na-
tur an ſich tragen, ſo daß ſie gleichſam aus inwohnender
Kraft dem Inhaber einen neuen Erwerb bereiten, ohne
daß es dazu eines beſonderen Entſchluſſes von ſeiner Seite
bedarf, ja daß es vielmehr auf ungewöhnlicher Willkühr
beruht, wenn ein ſolcher Erwerb unterbleiben ſoll; auch
iſt derſelbe ſo wenig zufälliger Art, daß der Lebensun-
terhalt darauf regelmäßig gegründet zu werden pflegt.
Dahin gehört der Miethertrag eines Hauſes, der Frucht-
oder Pachtertrag eines Landgutes (§ 146). Die regelmä-
ßige Natur dieſer Arten der Production führt es mit ſich,
daß durch ſie auch Dasjenige, welches noch nicht zu un-
ſrem Vermögen gehört, als Gegenſtand wahrer Veräuße-
rung, und ſomit auch wahrer Schenkung, betrachtet wer-
den kann. Gleichſam in die Mitte zwiſchen dieſe beiderley
Arten der Erwerbung fallen die Geldzinſen. Weit weni-
ger zufällig und willkührlich als Erbſchaften und Legate,
haben ſie doch auch nicht eine ſo regelmäßige und gleich-
förmige Natur wie der Fruchtertrag der Grundſtücke.
Daher werden ſie gewöhnlich in das Verhältniß der Schen-
kung nicht mit hereingezogen, und wo es geſchieht, da
reicht der bloße Begriff der Veräußerung nicht aus, ſon-
dern es muß die aus den Umſtänden hervorgehende beſon-
IV. 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |