von ihren Vorfahren nicht eine entgegengesetzte Wahrneh- mung derselben gehört haben. Irrig haben Manche ge- glaubt, dieses gehöre blos zum möglichen Gegenbeweis (h); wenn überhaupt Zeugen vorgebracht werden, so sind diese auch schon vom Beweisführer selbst bestimmt über diesen negativen Punkt zu befragen, damit der Beweis als voll- ständig gelten könne (i). Noch irriger aber ist es, wenn Andere auch über diesen entfernteren Zeitraum die positive Aussage verlangen, daß die Zeugen auch schon von ihren Vorfahren das Daseyn des streitigen Zustandes in der früheren Zeit erfahren haben (k), woraus dann fernere Fragen über die Anzahl und Beschaffenheit jener verstor- benen Zeugen entstehen müßten, die nach der hier vorge- tragenen Meynung als völlig überflüssig erscheinen (l).
Eine Ergänzung des Zeugenbeweises kann darin ent- halten seyn, daß in einem früheren possessorischen Rechts- streit der Besitz anerkannt und geschützt worden ist. Nicht nur ist dieses Urtheil selbst entscheidend für den Besitz der damaligen und meist auch der nachfolgenden Zeit, sondern die demselben zum Grund liegenden Zeugenaussagen kön- nen, je nach ihrem Inhalt, für den vorhergehenden Zeit- raum noch gegenwärtig benutzt werden (m).
Die Zulässigkeit von Urkunden zu diesem Beweise ist
(h)Pufendorf II. 54. Unter- holzner § 150.
(i)Pfeiffer § 10.
(k) So Schelling S. 130 -- 132.
(l) Die richtige Meynung ver- theidigen Pufendorf I. 151 § 3. 7, und Pfeiffer § 11.
von ihren Vorfahren nicht eine entgegengeſetzte Wahrneh- mung derſelben gehört haben. Irrig haben Manche ge- glaubt, dieſes gehöre blos zum möglichen Gegenbeweis (h); wenn überhaupt Zeugen vorgebracht werden, ſo ſind dieſe auch ſchon vom Beweisführer ſelbſt beſtimmt über dieſen negativen Punkt zu befragen, damit der Beweis als voll- ſtändig gelten könne (i). Noch irriger aber iſt es, wenn Andere auch über dieſen entfernteren Zeitraum die poſitive Ausſage verlangen, daß die Zeugen auch ſchon von ihren Vorfahren das Daſeyn des ſtreitigen Zuſtandes in der früheren Zeit erfahren haben (k), woraus dann fernere Fragen über die Anzahl und Beſchaffenheit jener verſtor- benen Zeugen entſtehen müßten, die nach der hier vorge- tragenen Meynung als völlig überflüſſig erſcheinen (l).
Eine Ergänzung des Zeugenbeweiſes kann darin ent- halten ſeyn, daß in einem früheren poſſeſſoriſchen Rechts- ſtreit der Beſitz anerkannt und geſchützt worden iſt. Nicht nur iſt dieſes Urtheil ſelbſt entſcheidend für den Beſitz der damaligen und meiſt auch der nachfolgenden Zeit, ſondern die demſelben zum Grund liegenden Zeugenausſagen kön- nen, je nach ihrem Inhalt, für den vorhergehenden Zeit- raum noch gegenwärtig benutzt werden (m).
Die Zuläſſigkeit von Urkunden zu dieſem Beweiſe iſt
(h)Pufendorf II. 54. Unter- holzner § 150.
(i)Pfeiffer § 10.
(k) So Schelling S. 130 — 132.
(l) Die richtige Meynung ver- theidigen Pufendorf I. 151 § 3. 7, und Pfeiffer § 11.
(m)Pfeiffer S. 53. 54.
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§. 200. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung. (Fortſ.)
von ihren Vorfahren nicht eine entgegengeſetzte Wahrneh-
mung derſelben gehört haben. Irrig haben Manche ge-
glaubt, dieſes gehöre blos zum möglichen Gegenbeweis (h);
wenn überhaupt Zeugen vorgebracht werden, ſo ſind dieſe
auch ſchon vom Beweisführer ſelbſt beſtimmt über dieſen
negativen Punkt zu befragen, damit der Beweis als voll-
ſtändig gelten könne (i). Noch irriger aber iſt es, wenn
Andere auch über dieſen entfernteren Zeitraum die poſitive
Ausſage verlangen, daß die Zeugen auch ſchon von ihren
Vorfahren das Daſeyn des ſtreitigen Zuſtandes in der
früheren Zeit erfahren haben (k), woraus dann fernere
Fragen über die Anzahl und Beſchaffenheit jener verſtor-
benen Zeugen entſtehen müßten, die nach der hier vorge-
tragenen Meynung als völlig überflüſſig erſcheinen (l).
Eine Ergänzung des Zeugenbeweiſes kann darin ent-
halten ſeyn, daß in einem früheren poſſeſſoriſchen Rechts-
ſtreit der Beſitz anerkannt und geſchützt worden iſt. Nicht
nur iſt dieſes Urtheil ſelbſt entſcheidend für den Beſitz der
damaligen und meiſt auch der nachfolgenden Zeit, ſondern
die demſelben zum Grund liegenden Zeugenausſagen kön-
nen, je nach ihrem Inhalt, für den vorhergehenden Zeit-
raum noch gegenwärtig benutzt werden (m).
Die Zuläſſigkeit von Urkunden zu dieſem Beweiſe iſt
(h) Pufendorf II. 54. Unter-
holzner § 150.
(i) Pfeiffer § 10.
(k) So Schelling S. 130
— 132.
(l) Die richtige Meynung ver-
theidigen Pufendorf I. 151 § 3.
7, und Pfeiffer § 11.
(m) Pfeiffer S. 53. 54.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/537>, abgerufen am 16.07.2024.
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