der unvordenklichen Zeit, der sie eine unbeschränkte An- wendung zuschreiben, unterworfen seyn müßten.
Die Art der Anwendung wird bestimmt durch eine genauere Zergliederung des oben (§ 195) vorläufig ange- gebenen Begriffs der unvordenklichen Zeit. Dieselbe be- ruht auf dem Bewußtseyn von zwey Menschenaltern; die Jetztlebenden sollen wissen, daß der gegenwärtige Zustand, so lange ihre Erinnerung reicht, unverändert bestanden hat: es soll ihnen ferner von ihren unmittelbaren Vorfah- ren nicht die Wahrnehmung eines entgegen gesetzten Zu- standes mitgetheilt worden seyn. Dadurch erhält die That- sache der unvordenklichen Zeit zwey Theile, einen positiven und einen negativen. Auf beide Theile muß der Beweis gerichtet werden, und für jeden Theil ist die Entkräftung durch Gegenbeweis zulässig (e). So hat sich die Sache in der neueren Praxis vollständig ausgebildet; allein die Grundlage derselben bilden folgende zwey Stellen des Rö- mischen Rechts, beide von der actio aquae pluviae handelnd.
L. 2 § 8 de aqua pluv. (39. 3.). (Paulus.) Idem Labeo ait, cum quaeritur an memoria exstet facto opere ... sufficere .. si factum esse non am- bigatur: nec utique necesse esse, superesse qui me- minerint, verum etiam si qui audierint eos, qui me- moria tenuerint.
Hier ist Beweis und Gegenbeweis nicht genau unter-
(e)Pfeiffer § 5. 6. 9.
§. 199. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung.
der unvordenklichen Zeit, der ſie eine unbeſchränkte An- wendung zuſchreiben, unterworfen ſeyn müßten.
Die Art der Anwendung wird beſtimmt durch eine genauere Zergliederung des oben (§ 195) vorläufig ange- gebenen Begriffs der unvordenklichen Zeit. Dieſelbe be- ruht auf dem Bewußtſeyn von zwey Menſchenaltern; die Jetztlebenden ſollen wiſſen, daß der gegenwärtige Zuſtand, ſo lange ihre Erinnerung reicht, unverändert beſtanden hat: es ſoll ihnen ferner von ihren unmittelbaren Vorfah- ren nicht die Wahrnehmung eines entgegen geſetzten Zu- ſtandes mitgetheilt worden ſeyn. Dadurch erhält die That- ſache der unvordenklichen Zeit zwey Theile, einen poſitiven und einen negativen. Auf beide Theile muß der Beweis gerichtet werden, und für jeden Theil iſt die Entkräftung durch Gegenbeweis zuläſſig (e). So hat ſich die Sache in der neueren Praxis vollſtändig ausgebildet; allein die Grundlage derſelben bilden folgende zwey Stellen des Rö- miſchen Rechts, beide von der actio aquae pluviae handelnd.
L. 2 § 8 de aqua pluv. (39. 3.). (Paulus.) Idem Labeo ait, cum quaeritur an memoria exstet facto opere … sufficere .. si factum esse non am- bigatur: nec utique necesse esse, superesse qui me- minerint, verum etiam si qui audierint eos, qui me- moria tenuerint.
Hier iſt Beweis und Gegenbeweis nicht genau unter-
(e)Pfeiffer § 5. 6. 9.
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§. 199. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung.
der unvordenklichen Zeit, der ſie eine unbeſchränkte An-
wendung zuſchreiben, unterworfen ſeyn müßten.
Die Art der Anwendung wird beſtimmt durch eine
genauere Zergliederung des oben (§ 195) vorläufig ange-
gebenen Begriffs der unvordenklichen Zeit. Dieſelbe be-
ruht auf dem Bewußtſeyn von zwey Menſchenaltern; die
Jetztlebenden ſollen wiſſen, daß der gegenwärtige Zuſtand,
ſo lange ihre Erinnerung reicht, unverändert beſtanden
hat: es ſoll ihnen ferner von ihren unmittelbaren Vorfah-
ren nicht die Wahrnehmung eines entgegen geſetzten Zu-
ſtandes mitgetheilt worden ſeyn. Dadurch erhält die That-
ſache der unvordenklichen Zeit zwey Theile, einen poſitiven
und einen negativen. Auf beide Theile muß der Beweis
gerichtet werden, und für jeden Theil iſt die Entkräftung
durch Gegenbeweis zuläſſig (e). So hat ſich die Sache
in der neueren Praxis vollſtändig ausgebildet; allein die
Grundlage derſelben bilden folgende zwey Stellen des Rö-
miſchen Rechts, beide von der actio aquae pluviae handelnd.
L. 2 § 8 de aqua pluv. (39. 3.). (Paulus.)
Idem Labeo ait, cum quaeritur an memoria exstet
facto opere … sufficere .. si factum esse non am-
bigatur: nec utique necesse esse, superesse qui me-
minerint, verum etiam si qui audierint eos, qui me-
moria tenuerint.
Hier iſt Beweis und Gegenbeweis nicht genau unter-
(e) Pfeiffer § 5. 6. 9.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/531>, abgerufen am 22.11.2024.
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