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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
Sie wird in allen, und nur in solchen, Fällen erfor-
dert, wo durch Zeit entweder ein Recht von publicisti-
schem Character, oder die Befreyung Einzelner von ei-
nem Recht dieser Art, erworben werden soll.

Es erklärt sich aus diesem Grundsatz, warum das er-
wähnte Institut im Römischen Recht eine sehr unterge-
ordnete Stellung einnimmt, vom Mittelalter her aber zu
einer wichtigen und häufigen Anwendung gelangt ist. Denn
seit dieser Zeit findet sich oft eine Vermischung des Pri-
vatrechts mit dem öffentlichen, durch Übergang publicisti-
scher Rechte in den Privatbesitz; vorzüglich auch in Com-
munalverhältnissen kommen solche Fälle häufig vor. -- Im
Römischen Recht fanden sich zwey Fälle, worin die un-
vordenkliche Zeit ohne allen Privatbesitz wirksam ist (§ 196);
dagegen ist ihre Wirksamkeit in einem dritten Fall des
Römischen Rechts (§ 197), so wie in den weit wichtige-
ren Fällen des neueren Rechts (§ 198), allerdings an das
Daseyn eines solchen Besitzes geknüpft. Daher können wir
für die Anwendung des Instituts im heutigen Recht das
Daseyn eines eigentlichen Besitzes als erste Bedingung an-
nehmen. Da jedoch die oben erwähnten Fälle des Römi-
schen Rechts, denen kein Besitz zum Grund liegt, nicht
abzuläugnen sind, so hat mich dieses bestimmt, den Aus-
druck des unvordenklichen Besitzes, als allgemeiner Be-
zeichnung dieses Instituts, zu verwerfen.

Mit diesen Ansichten hat denn auch von jeher großen-
theils die Praxis übereingestimmt, obgleich darin Niemand

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
Sie wird in allen, und nur in ſolchen, Fällen erfor-
dert, wo durch Zeit entweder ein Recht von publiciſti-
ſchem Character, oder die Befreyung Einzelner von ei-
nem Recht dieſer Art, erworben werden ſoll.

Es erklärt ſich aus dieſem Grundſatz, warum das er-
wähnte Inſtitut im Römiſchen Recht eine ſehr unterge-
ordnete Stellung einnimmt, vom Mittelalter her aber zu
einer wichtigen und häufigen Anwendung gelangt iſt. Denn
ſeit dieſer Zeit findet ſich oft eine Vermiſchung des Pri-
vatrechts mit dem öffentlichen, durch Übergang publiciſti-
ſcher Rechte in den Privatbeſitz; vorzüglich auch in Com-
munalverhältniſſen kommen ſolche Fälle häufig vor. — Im
Römiſchen Recht fanden ſich zwey Fälle, worin die un-
vordenkliche Zeit ohne allen Privatbeſitz wirkſam iſt (§ 196);
dagegen iſt ihre Wirkſamkeit in einem dritten Fall des
Römiſchen Rechts (§ 197), ſo wie in den weit wichtige-
ren Fällen des neueren Rechts (§ 198), allerdings an das
Daſeyn eines ſolchen Beſitzes geknüpft. Daher können wir
für die Anwendung des Inſtituts im heutigen Recht das
Daſeyn eines eigentlichen Beſitzes als erſte Bedingung an-
nehmen. Da jedoch die oben erwähnten Fälle des Römi-
ſchen Rechts, denen kein Beſitz zum Grund liegt, nicht
abzuläugnen ſind, ſo hat mich dieſes beſtimmt, den Aus-
druck des unvordenklichen Beſitzes, als allgemeiner Be-
zeichnung dieſes Inſtituts, zu verwerfen.

Mit dieſen Anſichten hat denn auch von jeher großen-
theils die Praxis übereingeſtimmt, obgleich darin Niemand

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[510/0524] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. Sie wird in allen, und nur in ſolchen, Fällen erfor- dert, wo durch Zeit entweder ein Recht von publiciſti- ſchem Character, oder die Befreyung Einzelner von ei- nem Recht dieſer Art, erworben werden ſoll. Es erklärt ſich aus dieſem Grundſatz, warum das er- wähnte Inſtitut im Römiſchen Recht eine ſehr unterge- ordnete Stellung einnimmt, vom Mittelalter her aber zu einer wichtigen und häufigen Anwendung gelangt iſt. Denn ſeit dieſer Zeit findet ſich oft eine Vermiſchung des Pri- vatrechts mit dem öffentlichen, durch Übergang publiciſti- ſcher Rechte in den Privatbeſitz; vorzüglich auch in Com- munalverhältniſſen kommen ſolche Fälle häufig vor. — Im Römiſchen Recht fanden ſich zwey Fälle, worin die un- vordenkliche Zeit ohne allen Privatbeſitz wirkſam iſt (§ 196); dagegen iſt ihre Wirkſamkeit in einem dritten Fall des Römiſchen Rechts (§ 197), ſo wie in den weit wichtige- ren Fällen des neueren Rechts (§ 198), allerdings an das Daſeyn eines ſolchen Beſitzes geknüpft. Daher können wir für die Anwendung des Inſtituts im heutigen Recht das Daſeyn eines eigentlichen Beſitzes als erſte Bedingung an- nehmen. Da jedoch die oben erwähnten Fälle des Römi- ſchen Rechts, denen kein Beſitz zum Grund liegt, nicht abzuläugnen ſind, ſo hat mich dieſes beſtimmt, den Aus- druck des unvordenklichen Beſitzes, als allgemeiner Be- zeichnung dieſes Inſtituts, zu verwerfen. Mit dieſen Anſichten hat denn auch von jeher großen- theils die Praxis übereingeſtimmt, obgleich darin Niemand

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/524>, abgerufen am 22.11.2024.