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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
Gebrauch gekommen. Noch wichtiger aber ist der Umstand,
daß der Unterschied gerichtlicher und nicht gerichtlicher
Tage, welcher für die Römer die häufigste Veranlassung
zur Anwendung des utile tempus darbot, in diesem Sinn
für uns nicht mehr vorhanden ist (§ 189). Daher kommt
im heutigen Recht das utile tempus nur noch bey wenigen
Klagen vor, und nur bey seltneren Veranlassungen, haupt-
sächlich wenn die Abwesenheit des Klägers oder des Be-
klagten die schleunige Ausübung des Klagerechts verhindert.
Der häufigste Gebrauch möchte davon etwa noch bey den
ädilicischen Klagen gemacht werden können; unter andern
wenn ein umherziehender Verkäufer bald nach dem Verkauf
sich entfernt, und nun nach entdecktem Mangel der gekauf-
ten Sache, längere Zeit nicht wieder aufgefunden wer-
den kann.



Von der hier versuchten Darstellung des utile und
continuum tempus ist die bey unsren Schriftstellern herr-
schende Lehre sehr abweichend (e). Sie geht davon aus,
daß jener Gegensatz eine zweyfache Bedeutung habe, in-
dem er sowohl auf den Anfang als auf die Fort-
setzung
der in einen Zeitraum fallenden Unthätigkeit be-
zogen werden könne. Hieraus ergaben sich Vier mögliche
Combinationen, und man nahm ganz consequent vier Re-

(e) Ich will als Repräsentan-
ten dieser Ansicht nur folgende an-
führen: Höpfner § 666, Glück
B. 3 § 269. a. Haubold l. c.
p.
405. Es könnten aber eben
sowohl andere und neuere ge-
nannt werden.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
Gebrauch gekommen. Noch wichtiger aber iſt der Umſtand,
daß der Unterſchied gerichtlicher und nicht gerichtlicher
Tage, welcher für die Römer die häufigſte Veranlaſſung
zur Anwendung des utile tempus darbot, in dieſem Sinn
für uns nicht mehr vorhanden iſt (§ 189). Daher kommt
im heutigen Recht das utile tempus nur noch bey wenigen
Klagen vor, und nur bey ſeltneren Veranlaſſungen, haupt-
ſächlich wenn die Abweſenheit des Klägers oder des Be-
klagten die ſchleunige Ausübung des Klagerechts verhindert.
Der häufigſte Gebrauch möchte davon etwa noch bey den
ädiliciſchen Klagen gemacht werden können; unter andern
wenn ein umherziehender Verkäufer bald nach dem Verkauf
ſich entfernt, und nun nach entdecktem Mangel der gekauf-
ten Sache, längere Zeit nicht wieder aufgefunden wer-
den kann.



Von der hier verſuchten Darſtellung des utile und
continuum tempus iſt die bey unſren Schriftſtellern herr-
ſchende Lehre ſehr abweichend (e). Sie geht davon aus,
daß jener Gegenſatz eine zweyfache Bedeutung habe, in-
dem er ſowohl auf den Anfang als auf die Fort-
ſetzung
der in einen Zeitraum fallenden Unthätigkeit be-
zogen werden könne. Hieraus ergaben ſich Vier mögliche
Combinationen, und man nahm ganz conſequent vier Re-

(e) Ich will als Repräſentan-
ten dieſer Anſicht nur folgende an-
führen: Höpfner § 666, Glück
B. 3 § 269. a. Haubold l. c.
p.
405. Es könnten aber eben
ſowohl andere und neuere ge-
nannt werden.
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[446/0460] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. Gebrauch gekommen. Noch wichtiger aber iſt der Umſtand, daß der Unterſchied gerichtlicher und nicht gerichtlicher Tage, welcher für die Römer die häufigſte Veranlaſſung zur Anwendung des utile tempus darbot, in dieſem Sinn für uns nicht mehr vorhanden iſt (§ 189). Daher kommt im heutigen Recht das utile tempus nur noch bey wenigen Klagen vor, und nur bey ſeltneren Veranlaſſungen, haupt- ſächlich wenn die Abweſenheit des Klägers oder des Be- klagten die ſchleunige Ausübung des Klagerechts verhindert. Der häufigſte Gebrauch möchte davon etwa noch bey den ädiliciſchen Klagen gemacht werden können; unter andern wenn ein umherziehender Verkäufer bald nach dem Verkauf ſich entfernt, und nun nach entdecktem Mangel der gekauf- ten Sache, längere Zeit nicht wieder aufgefunden wer- den kann. Von der hier verſuchten Darſtellung des utile und continuum tempus iſt die bey unſren Schriftſtellern herr- ſchende Lehre ſehr abweichend (e). Sie geht davon aus, daß jener Gegenſatz eine zweyfache Bedeutung habe, in- dem er ſowohl auf den Anfang als auf die Fort- ſetzung der in einen Zeitraum fallenden Unthätigkeit be- zogen werden könne. Hieraus ergaben ſich Vier mögliche Combinationen, und man nahm ganz conſequent vier Re- (e) Ich will als Repräſentan- ten dieſer Anſicht nur folgende an- führen: Höpfner § 666, Glück B. 3 § 269. a. Haubold l. c. p. 405. Es könnten aber eben ſowohl andere und neuere ge- nannt werden.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/460>, abgerufen am 25.11.2024.