Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
der von dem Berechtigten herbeygeführte Untergang jener Klagen nur als absichtlich unterlassener Erwerb eines Ver- mögensrechts, nicht als Veräußerung anzusehen.
Zu derselben zweyten Klasse von Fällen ohne wahre Schenkung gehören noch folgende, deren Natur nicht so unzweifelhaft ist, wie die der bisher abgehandelten.
Es wurde oben gesagt, daß das Commodat in der Regel keine Schenkung enthalte (§ 145), und für gewöhn- liche Fälle kann dieses auch keinen Zweifel haben. Wer einem Freund Pferd oder Wagen zu einer Reise unent- geldlich überläßt, wird dadurch nicht ärmer, er entbehrt nur eine Zeit lang die Bequemlichkeit, die ihm der eigene Gebrauch der verliehenen Sachen gewähren konnte. Es giebt jedoch eine Art von Sachen, die vor anderen zum gleichförmig nothwendigen Lebensbedarf gehören. Jeder Mensch bedarf einer Wohnung, und insofern er nicht un- tergeordnetes Mitglied eines Hausstandes ist, kann er die- ses Bedürfniß in der Regel nur durch Grundeigenthum, oder durch einen Miethvertrag, befriedigen. Eben so wird umgekehrt der Eigenthümer eines Hauses dieses entweder selbst bewohnen, oder vermiethen; daß er es leer stehen lasse, gehört zu den seltnen Ausnahmen. Daher läßt sich bey Wohngebäuden, mehr als bey anderen Sachen, der
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
der von dem Berechtigten herbeygeführte Untergang jener Klagen nur als abſichtlich unterlaſſener Erwerb eines Ver- mögensrechts, nicht als Veräußerung anzuſehen.
Zu derſelben zweyten Klaſſe von Fällen ohne wahre Schenkung gehören noch folgende, deren Natur nicht ſo unzweifelhaft iſt, wie die der bisher abgehandelten.
Es wurde oben geſagt, daß das Commodat in der Regel keine Schenkung enthalte (§ 145), und für gewöhn- liche Fälle kann dieſes auch keinen Zweifel haben. Wer einem Freund Pferd oder Wagen zu einer Reiſe unent- geldlich überläßt, wird dadurch nicht ärmer, er entbehrt nur eine Zeit lang die Bequemlichkeit, die ihm der eigene Gebrauch der verliehenen Sachen gewähren konnte. Es giebt jedoch eine Art von Sachen, die vor anderen zum gleichförmig nothwendigen Lebensbedarf gehören. Jeder Menſch bedarf einer Wohnung, und inſofern er nicht un- tergeordnetes Mitglied eines Hausſtandes iſt, kann er die- ſes Bedürfniß in der Regel nur durch Grundeigenthum, oder durch einen Miethvertrag, befriedigen. Eben ſo wird umgekehrt der Eigenthümer eines Hauſes dieſes entweder ſelbſt bewohnen, oder vermiethen; daß er es leer ſtehen laſſe, gehört zu den ſeltnen Ausnahmen. Daher läßt ſich bey Wohngebäuden, mehr als bey anderen Sachen, der
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
der von dem Berechtigten herbeygeführte Untergang jener
Klagen nur als abſichtlich unterlaſſener Erwerb eines Ver-
mögensrechts, nicht als Veräußerung anzuſehen.
§. 146.
V. Schenkung. — Begriff. 2. Veräußerung.
(Fortſetzung.)
Zu derſelben zweyten Klaſſe von Fällen ohne wahre
Schenkung gehören noch folgende, deren Natur nicht ſo
unzweifelhaft iſt, wie die der bisher abgehandelten.
Es wurde oben geſagt, daß das Commodat in der
Regel keine Schenkung enthalte (§ 145), und für gewöhn-
liche Fälle kann dieſes auch keinen Zweifel haben. Wer
einem Freund Pferd oder Wagen zu einer Reiſe unent-
geldlich überläßt, wird dadurch nicht ärmer, er entbehrt
nur eine Zeit lang die Bequemlichkeit, die ihm der eigene
Gebrauch der verliehenen Sachen gewähren konnte. Es
giebt jedoch eine Art von Sachen, die vor anderen zum
gleichförmig nothwendigen Lebensbedarf gehören. Jeder
Menſch bedarf einer Wohnung, und inſofern er nicht un-
tergeordnetes Mitglied eines Hausſtandes iſt, kann er die-
ſes Bedürfniß in der Regel nur durch Grundeigenthum,
oder durch einen Miethvertrag, befriedigen. Eben ſo wird
umgekehrt der Eigenthümer eines Hauſes dieſes entweder
ſelbſt bewohnen, oder vermiethen; daß er es leer ſtehen
laſſe, gehört zu den ſeltnen Ausnahmen. Daher läßt ſich
bey Wohngebäuden, mehr als bey anderen Sachen, der
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/46>, abgerufen am 21.11.2024.
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