Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. auch ist dieses die herrschende Meynung der Schriftsteller;in der That aber verhält es sich damit anders, und zwar auf folgende Weise (a). Bey der Bonorum possessio al- lerdings war schon durch den Ausdruck des Edicts die Unwissenheit mit der Unmöglichkeit der Agnition ganz auf gleiche Linie gestellt (b). Daher wurde es hier als natür- liche Folge des utile tempus angesehen, daß jeder Tag der Unwissenheit dem Berufenen nicht angerechnet werden dürfe (c). Ganz anders bey der Klagverjährung, bey welcher nur allein von der Abwesenheit äußerer Hinder- nisse die Rede ist (d); die Unwissenheit des Berechtigten (a) Diese Untersuchung ist aus- führlich schon oben angestellt in der Beylage VIII Num. XXIV -- XXVIII. Hier werden daher blos die Resultate in wenigen Worten zusammen gestellt. (b) Jedoch nur die facti, nicht die juris ignorantia. Vgl. Bey- lage VIII Num. XXIV. (c) L. 2 pr. quis ordo (38. 15.). "Ita autem utile tempus est, ut singuli dies in eo utiles sint: scilicet ut per singulos dies et scierit et potuerit ad- mittere: ceterum quacunque die nescierit aut non potuerit, nulla dubitatio est, quin dies ei non cedat." Offenbar ist hier folgender Gedanke ausgedrückt: das nescire ist dem Begriff nach von dem non posse unterschie- den, nicht schon in ihm enthal- ten, aber beide sollen in Bezie- hung auf die B. P. praktisch gleich behandelt werden, so daß hier die Beachtung des einen wie des andern Moments durch die Vor- schrift des utile tempus begrün- det wird. (d) L. 1 de div. temp. praescr.
(44. 3.). "Quia tractatus de utilibus diebus frequens est, videamus quid sit, experiundi potestatem habere." In dem bloßen posse experiri ist das scire keinesweges schon mit als Bedingung eingeschlossen (vgl. die vorhergehende Note), da der über sein Klagrecht Unwissende in der Regel diese Unwissenheit über- winden kann und soll. Daß es auch wirklich so gemeynt ist, zeigt die nachfolgende Aufzählung der Fälle fehlender experiundi po- testas; unter diesen steht die Un- wissenheit nicht, die doch häufiger vorkommt, als die meisten hier genannten Fälle, also vorzugs- Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. auch iſt dieſes die herrſchende Meynung der Schriftſteller;in der That aber verhält es ſich damit anders, und zwar auf folgende Weiſe (a). Bey der Bonorum possessio al- lerdings war ſchon durch den Ausdruck des Edicts die Unwiſſenheit mit der Unmöglichkeit der Agnition ganz auf gleiche Linie geſtellt (b). Daher wurde es hier als natür- liche Folge des utile tempus angeſehen, daß jeder Tag der Unwiſſenheit dem Berufenen nicht angerechnet werden dürfe (c). Ganz anders bey der Klagverjährung, bey welcher nur allein von der Abweſenheit äußerer Hinder- niſſe die Rede iſt (d); die Unwiſſenheit des Berechtigten (a) Dieſe Unterſuchung iſt aus- führlich ſchon oben angeſtellt in der Beylage VIII Num. XXIV — XXVIII. Hier werden daher blos die Reſultate in wenigen Worten zuſammen geſtellt. (b) Jedoch nur die facti, nicht die juris ignorantia. Vgl. Bey- lage VIII Num. XXIV. (c) L. 2 pr. quis ordo (38. 15.). „Ita autem utile tempus est, ut singuli dies in eo utiles sint: scilicet ut per singulos dies et scierit et potuerit ad- mittere: ceterum quacunque die nescierit aut non potuerit, nulla dubitatio est, quin dies ei non cedat.” Offenbar iſt hier folgender Gedanke ausgedrückt: das nescire iſt dem Begriff nach von dem non posse unterſchie- den, nicht ſchon in ihm enthal- ten, aber beide ſollen in Bezie- hung auf die B. P. praktiſch gleich behandelt werden, ſo daß hier die Beachtung des einen wie des andern Moments durch die Vor- ſchrift des utile tempus begrün- det wird. (d) L. 1 de div. temp. praescr.
(44. 3.). „Quia tractatus de utilibus diebus frequens est, videamus quid sit, experiundi potestatem habere.” In dem bloßen posse experiri iſt das scire keinesweges ſchon mit als Bedingung eingeſchloſſen (vgl. die vorhergehende Note), da der über ſein Klagrecht Unwiſſende in der Regel dieſe Unwiſſenheit über- winden kann und ſoll. Daß es auch wirklich ſo gemeynt iſt, zeigt die nachfolgende Aufzählung der Fälle fehlender experiundi po- testas; unter dieſen ſteht die Un- wiſſenheit nicht, die doch häufiger vorkommt, als die meiſten hier genannten Fälle, alſo vorzugs- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0448" n="434"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Entſtehung und Untergang.</fw><lb/> auch iſt dieſes die herrſchende Meynung der Schriftſteller;<lb/> in der That aber verhält es ſich damit anders, und zwar<lb/> auf folgende Weiſe <note place="foot" n="(a)">Dieſe Unterſuchung iſt aus-<lb/> führlich ſchon oben angeſtellt in<lb/> der Beylage <hi rendition="#aq">VIII</hi> Num. <hi rendition="#aq">XXIV —<lb/> XXVIII.</hi> Hier werden daher blos<lb/> die Reſultate in wenigen Worten<lb/> zuſammen geſtellt.</note>. Bey der <hi rendition="#aq">Bonorum possessio</hi> al-<lb/> lerdings war ſchon durch den Ausdruck des Edicts die<lb/> Unwiſſenheit mit der Unmöglichkeit der Agnition ganz auf<lb/> gleiche Linie geſtellt <note place="foot" n="(b)">Jedoch nur die <hi rendition="#aq">facti,</hi> nicht<lb/> die <hi rendition="#aq">juris ignorantia.</hi> Vgl. Bey-<lb/> lage <hi rendition="#aq">VIII</hi> Num. <hi rendition="#aq">XXIV.</hi></note>. Daher wurde es hier als natür-<lb/> liche Folge des <hi rendition="#aq">utile tempus</hi> angeſehen, daß jeder Tag<lb/> der Unwiſſenheit dem Berufenen nicht angerechnet werden<lb/> dürfe <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 2 <hi rendition="#i">pr. quis ordo</hi> (38. 15.).<lb/> „Ita autem utile tempus est,<lb/> ut singuli dies in eo utiles<lb/> sint: scilicet ut per singulos<lb/> dies <hi rendition="#i">et scierit et potuerit</hi> ad-<lb/> mittere: ceterum quacunque<lb/> die <hi rendition="#i">nescierit aut non potuerit</hi>,<lb/> nulla dubitatio est, quin dies<lb/> ei non cedat.”</hi> Offenbar iſt hier<lb/> folgender Gedanke ausgedrückt:<lb/> das <hi rendition="#aq">nescire</hi> iſt dem Begriff nach<lb/> von dem <hi rendition="#aq">non posse</hi> unterſchie-<lb/> den, nicht ſchon in ihm enthal-<lb/> ten, aber beide ſollen in Bezie-<lb/> hung auf die <hi rendition="#aq">B. P.</hi> praktiſch gleich<lb/> behandelt werden, ſo daß hier<lb/> die Beachtung des einen wie des<lb/> andern Moments durch die Vor-<lb/> ſchrift des <hi rendition="#aq">utile tempus</hi> begrün-<lb/> det wird.</note>. Ganz anders bey der Klagverjährung, bey<lb/> welcher nur allein von der Abweſenheit äußerer Hinder-<lb/> niſſe die Rede iſt <note xml:id="seg2pn_83_1" next="#seg2pn_83_2" place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 1 <hi rendition="#i">de div. temp. praescr.</hi><lb/> (44. 3.). „Quia tractatus de<lb/> utilibus diebus frequens est,<lb/> videamus quid sit, <hi rendition="#i">experiundi<lb/> potestatem</hi> habere.”</hi> In dem<lb/> bloßen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">posse</hi> experiri</hi> iſt das<lb/><hi rendition="#aq">scire</hi> keinesweges ſchon mit als<lb/> Bedingung eingeſchloſſen (vgl. die<lb/> vorhergehende Note), da der über<lb/> ſein Klagrecht Unwiſſende in der<lb/> Regel dieſe Unwiſſenheit über-<lb/> winden kann und ſoll. Daß es<lb/> auch wirklich ſo gemeynt iſt, zeigt<lb/> die nachfolgende Aufzählung der<lb/> Fälle fehlender <hi rendition="#aq">experiundi po-<lb/> testas;</hi> unter dieſen ſteht die Un-<lb/> wiſſenheit nicht, die doch häufiger<lb/> vorkommt, als die meiſten hier<lb/> genannten Fälle, alſo vorzugs-</note>; die Unwiſſenheit des Berechtigten<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [434/0448]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
auch iſt dieſes die herrſchende Meynung der Schriftſteller;
in der That aber verhält es ſich damit anders, und zwar
auf folgende Weiſe (a). Bey der Bonorum possessio al-
lerdings war ſchon durch den Ausdruck des Edicts die
Unwiſſenheit mit der Unmöglichkeit der Agnition ganz auf
gleiche Linie geſtellt (b). Daher wurde es hier als natür-
liche Folge des utile tempus angeſehen, daß jeder Tag
der Unwiſſenheit dem Berufenen nicht angerechnet werden
dürfe (c). Ganz anders bey der Klagverjährung, bey
welcher nur allein von der Abweſenheit äußerer Hinder-
niſſe die Rede iſt (d); die Unwiſſenheit des Berechtigten
(a) Dieſe Unterſuchung iſt aus-
führlich ſchon oben angeſtellt in
der Beylage VIII Num. XXIV —
XXVIII. Hier werden daher blos
die Reſultate in wenigen Worten
zuſammen geſtellt.
(b) Jedoch nur die facti, nicht
die juris ignorantia. Vgl. Bey-
lage VIII Num. XXIV.
(c) L. 2 pr. quis ordo (38. 15.).
„Ita autem utile tempus est,
ut singuli dies in eo utiles
sint: scilicet ut per singulos
dies et scierit et potuerit ad-
mittere: ceterum quacunque
die nescierit aut non potuerit,
nulla dubitatio est, quin dies
ei non cedat.” Offenbar iſt hier
folgender Gedanke ausgedrückt:
das nescire iſt dem Begriff nach
von dem non posse unterſchie-
den, nicht ſchon in ihm enthal-
ten, aber beide ſollen in Bezie-
hung auf die B. P. praktiſch gleich
behandelt werden, ſo daß hier
die Beachtung des einen wie des
andern Moments durch die Vor-
ſchrift des utile tempus begrün-
det wird.
(d) L. 1 de div. temp. praescr.
(44. 3.). „Quia tractatus de
utilibus diebus frequens est,
videamus quid sit, experiundi
potestatem habere.” In dem
bloßen posse experiri iſt das
scire keinesweges ſchon mit als
Bedingung eingeſchloſſen (vgl. die
vorhergehende Note), da der über
ſein Klagrecht Unwiſſende in der
Regel dieſe Unwiſſenheit über-
winden kann und ſoll. Daß es
auch wirklich ſo gemeynt iſt, zeigt
die nachfolgende Aufzählung der
Fälle fehlender experiundi po-
testas; unter dieſen ſteht die Un-
wiſſenheit nicht, die doch häufiger
vorkommt, als die meiſten hier
genannten Fälle, alſo vorzugs-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |