Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.§. 189. Zeit. 4. Utile tempus. gen, sondern in größeren Zeitabschnitten (Jahr oder Mo-nat) ausgedrückt ist (c). Das Eigenthümliche dieser billi- gen Begünstigung besteht nun darin, daß dieselbe ganz von selbst, in Folge einer allgemeinen Rechtsregel (ipso jure) eintritt, nicht durch eine Restitution, welche stets die freye Einwirkung der Obrigkeit auf ein einzelnes Rechtsverhält- niß voraussetzt, und daher von dem utile tempus durch- aus verschieden ist. Es würde irrig seyn, wenn man diesen zur vorläufi- (c) L. 2 pr. quis ordo (8. 15.).
"Utile tempus est bonorum pos- sessionum admittendarum. Ita autem utile tempus est, ut sin- guli dies utiles sint: scilicet ut per singulos dies et scierit et potuerit admittere. Ceterum quacunque die nescierit, aut non potuerit, nulla dubitatio est, quin dies ei non cedat." Diese Zeitbestimmung nun gieng, nach Verschiedenheit der Fälle, auf Ein Jahr oder 100 Tage. Un- bedenklich aber ist die hier für die B. P. ausgesprochene Regel auch auf die Klagverjährungen anzu- wenden. -- Tritt das Hinderniß mitten in einem Tage ein, so muß dieser ganze Tag als ausfallend gelten, weil die Rechtsregel stets eine Anzahl vollständiger Tage zum Handeln gestattet, die- ser Tag aber kein vollständiger ist. Reinfelder S. 16. 17 will hier Stunden und Minuten ein- zeln zählen; das würde nicht nur sehr kleinlich seyn, auch dem Aus- druck der angeführten Stelle nicht entsprechen, sondern es wäre über- dem an sich irrig. Denn die Ge- schäftszeit jedes Tages beträgt stets sehr viel weniger als 24 Stun- den, und läßt sich gar nicht auf eine bestimmte Stundenzahl be- schränken. §. 189. Zeit. 4. Utile tempus. gen, ſondern in größeren Zeitabſchnitten (Jahr oder Mo-nat) ausgedrückt iſt (c). Das Eigenthümliche dieſer billi- gen Begünſtigung beſteht nun darin, daß dieſelbe ganz von ſelbſt, in Folge einer allgemeinen Rechtsregel (ipso jure) eintritt, nicht durch eine Reſtitution, welche ſtets die freye Einwirkung der Obrigkeit auf ein einzelnes Rechtsverhält- niß vorausſetzt, und daher von dem utile tempus durch- aus verſchieden iſt. Es würde irrig ſeyn, wenn man dieſen zur vorläufi- (c) L. 2 pr. quis ordo (8. 15.).
„Utile tempus est bonorum pos- sessionum admittendarum. Ita autem utile tempus est, ut sin- guli dies utiles sint: scilicet ut per singulos dies et scierit et potuerit admittere. Ceterum quacunque die nescierit, aut non potuerit, nulla dubitatio est, quin dies ei non cedat.” Dieſe Zeitbeſtimmung nun gieng, nach Verſchiedenheit der Fälle, auf Ein Jahr oder 100 Tage. Un- bedenklich aber iſt die hier für die B. P. ausgeſprochene Regel auch auf die Klagverjährungen anzu- wenden. — Tritt das Hinderniß mitten in einem Tage ein, ſo muß dieſer ganze Tag als ausfallend gelten, weil die Rechtsregel ſtets eine Anzahl vollſtändiger Tage zum Handeln geſtattet, die- ſer Tag aber kein vollſtändiger iſt. Reinfelder S. 16. 17 will hier Stunden und Minuten ein- zeln zählen; das würde nicht nur ſehr kleinlich ſeyn, auch dem Aus- druck der angeführten Stelle nicht entſprechen, ſondern es wäre über- dem an ſich irrig. Denn die Ge- ſchäftszeit jedes Tages beträgt ſtets ſehr viel weniger als 24 Stun- den, und läßt ſich gar nicht auf eine beſtimmte Stundenzahl be- ſchränken. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0437" n="423"/><fw place="top" type="header">§. 189. Zeit. 4. <hi rendition="#aq">Utile tempus.</hi></fw><lb/> gen, ſondern in größeren Zeitabſchnitten (Jahr oder Mo-<lb/> nat) ausgedrückt iſt <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 2 <hi rendition="#i">pr. quis ordo</hi> (8. 15.).<lb/> „Utile tempus est bonorum pos-<lb/> sessionum admittendarum. Ita<lb/> autem utile tempus est, <hi rendition="#i">ut sin-<lb/> guli dies utiles sint:</hi> scilicet<lb/> ut per singulos dies et scierit<lb/> et potuerit admittere. Ceterum<lb/><hi rendition="#i">quacunque die</hi> nescierit, aut<lb/> non potuerit, nulla dubitatio<lb/> est, quin <hi rendition="#i">dies ei non cedat.</hi>”</hi><lb/> Dieſe Zeitbeſtimmung nun gieng,<lb/> nach Verſchiedenheit der Fälle, auf<lb/> Ein Jahr oder 100 Tage. Un-<lb/> bedenklich aber iſt die hier für die<lb/><hi rendition="#aq">B. P.</hi> ausgeſprochene Regel auch<lb/> auf die Klagverjährungen anzu-<lb/> wenden. — Tritt das Hinderniß<lb/> mitten in einem Tage ein, ſo muß<lb/> dieſer ganze Tag als ausfallend<lb/> gelten, weil die Rechtsregel ſtets<lb/> eine Anzahl <hi rendition="#g">vollſtändiger</hi><lb/> Tage zum Handeln geſtattet, die-<lb/> ſer Tag aber kein vollſtändiger<lb/> iſt. <hi rendition="#g">Reinfelder</hi> S. 16. 17 will<lb/> hier Stunden und Minuten ein-<lb/> zeln zählen; das würde nicht nur<lb/> ſehr kleinlich ſeyn, auch dem Aus-<lb/> druck der angeführten Stelle nicht<lb/> entſprechen, ſondern es wäre über-<lb/> dem an ſich irrig. Denn die Ge-<lb/> ſchäftszeit jedes Tages beträgt<lb/> ſtets ſehr viel weniger als 24 Stun-<lb/> den, und läßt ſich gar nicht auf<lb/> eine beſtimmte Stundenzahl be-<lb/> ſchränken.</note>. Das Eigenthümliche dieſer billi-<lb/> gen Begünſtigung beſteht nun darin, daß dieſelbe ganz von<lb/> ſelbſt, in Folge einer allgemeinen Rechtsregel (<hi rendition="#aq">ipso jure</hi>)<lb/> eintritt, nicht durch eine Reſtitution, welche ſtets die freye<lb/> Einwirkung der Obrigkeit auf ein einzelnes Rechtsverhält-<lb/> niß vorausſetzt, und daher von dem <hi rendition="#aq">utile tempus</hi> durch-<lb/> aus verſchieden iſt.</p><lb/> <p>Es würde irrig ſeyn, wenn man dieſen zur vorläufi-<lb/> gen Überſicht aufgeſtellten formellen Begriff des <hi rendition="#aq">utile tem-<lb/> pus</hi> ſo auffaſſen wollte, als ob daſſelbe in allen Fällen<lb/> der hier beſchriebenen Art wirklich zur Anwendung käme.<lb/> Zwar negativ läßt ſich auch ſchon dieſer blos formelle<lb/> Begriff mit Sicherheit gebrauchen, um alle darunter nicht<lb/> enthaltene Fälle entſchieden auszuſchließen. So dauerte<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [423/0437]
§. 189. Zeit. 4. Utile tempus.
gen, ſondern in größeren Zeitabſchnitten (Jahr oder Mo-
nat) ausgedrückt iſt (c). Das Eigenthümliche dieſer billi-
gen Begünſtigung beſteht nun darin, daß dieſelbe ganz von
ſelbſt, in Folge einer allgemeinen Rechtsregel (ipso jure)
eintritt, nicht durch eine Reſtitution, welche ſtets die freye
Einwirkung der Obrigkeit auf ein einzelnes Rechtsverhält-
niß vorausſetzt, und daher von dem utile tempus durch-
aus verſchieden iſt.
Es würde irrig ſeyn, wenn man dieſen zur vorläufi-
gen Überſicht aufgeſtellten formellen Begriff des utile tem-
pus ſo auffaſſen wollte, als ob daſſelbe in allen Fällen
der hier beſchriebenen Art wirklich zur Anwendung käme.
Zwar negativ läßt ſich auch ſchon dieſer blos formelle
Begriff mit Sicherheit gebrauchen, um alle darunter nicht
enthaltene Fälle entſchieden auszuſchließen. So dauerte
(c) L. 2 pr. quis ordo (8. 15.).
„Utile tempus est bonorum pos-
sessionum admittendarum. Ita
autem utile tempus est, ut sin-
guli dies utiles sint: scilicet
ut per singulos dies et scierit
et potuerit admittere. Ceterum
quacunque die nescierit, aut
non potuerit, nulla dubitatio
est, quin dies ei non cedat.”
Dieſe Zeitbeſtimmung nun gieng,
nach Verſchiedenheit der Fälle, auf
Ein Jahr oder 100 Tage. Un-
bedenklich aber iſt die hier für die
B. P. ausgeſprochene Regel auch
auf die Klagverjährungen anzu-
wenden. — Tritt das Hinderniß
mitten in einem Tage ein, ſo muß
dieſer ganze Tag als ausfallend
gelten, weil die Rechtsregel ſtets
eine Anzahl vollſtändiger
Tage zum Handeln geſtattet, die-
ſer Tag aber kein vollſtändiger
iſt. Reinfelder S. 16. 17 will
hier Stunden und Minuten ein-
zeln zählen; das würde nicht nur
ſehr kleinlich ſeyn, auch dem Aus-
druck der angeführten Stelle nicht
entſprechen, ſondern es wäre über-
dem an ſich irrig. Denn die Ge-
ſchäftszeit jedes Tages beträgt
ſtets ſehr viel weniger als 24 Stun-
den, und läßt ſich gar nicht auf
eine beſtimmte Stundenzahl be-
ſchränken.
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