Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
gelten zu lassen wie bey der Testamentsmündigkeit, also auf die vorhergehende Mitternacht (nach Anderen um ei- nen Tag weiter) zurück zu gehen. Allein bey genauerer Betrachtung erscheinen doch die Verhältnisse etwas ver- schieden, indem die Tutel eine Schutzanstalt gegen Gefah- ren in sich schließt, von welchen bey der Unfähigkeit zum letzten Willen nicht die Rede ist. Dagegen ist die Gleich- artigkeit der Tutel mit der Curatel hierin so unverkenn- bar, daß ich es für richtiger halte, auch bey dem Ende der Tutel die Rechnung ad momenta im Römischen Recht anzunehmen. -- Übrigens verschwindet diese letzte Frage völlig für unser heutiges Recht, in welchem die Tutel der Unmündigen mit der Curatel der Minderjährigen zusam- men fällt, also ein besonderes Ende der Tutel nicht mehr eintritt. Auch bey den Römern war das Interesse der Frage in Beziehung auf die Tutel geringer. Erstlich weil der Unmündige unmittelbar in die Minderjährigkeit ein- trat, nun also gegen seine eigene Unvorsichtigkeit durch Restitution, späterhin auch durch die Curatel, geschützt war. Zweytens weil in der alten Zeit, wie ich glaube, das Ende der Tutel meist nicht an das bestimmte Alter, sondern an die Anlegung der männlichen Toga, also an eine willkührliche und feyerliche Handlung, geknüpft war (§ 109).
In denjenigen Fällen, worin gar nicht von dem Ab- lauf eines ganzen, gleichmäßig erfüllten Zeitraums, son-
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
gelten zu laſſen wie bey der Teſtamentsmündigkeit, alſo auf die vorhergehende Mitternacht (nach Anderen um ei- nen Tag weiter) zurück zu gehen. Allein bey genauerer Betrachtung erſcheinen doch die Verhältniſſe etwas ver- ſchieden, indem die Tutel eine Schutzanſtalt gegen Gefah- ren in ſich ſchließt, von welchen bey der Unfähigkeit zum letzten Willen nicht die Rede iſt. Dagegen iſt die Gleich- artigkeit der Tutel mit der Curatel hierin ſo unverkenn- bar, daß ich es für richtiger halte, auch bey dem Ende der Tutel die Rechnung ad momenta im Römiſchen Recht anzunehmen. — Übrigens verſchwindet dieſe letzte Frage völlig für unſer heutiges Recht, in welchem die Tutel der Unmündigen mit der Curatel der Minderjährigen zuſam- men fällt, alſo ein beſonderes Ende der Tutel nicht mehr eintritt. Auch bey den Römern war das Intereſſe der Frage in Beziehung auf die Tutel geringer. Erſtlich weil der Unmündige unmittelbar in die Minderjährigkeit ein- trat, nun alſo gegen ſeine eigene Unvorſichtigkeit durch Reſtitution, ſpäterhin auch durch die Curatel, geſchützt war. Zweytens weil in der alten Zeit, wie ich glaube, das Ende der Tutel meiſt nicht an das beſtimmte Alter, ſondern an die Anlegung der männlichen Toga, alſo an eine willkührliche und feyerliche Handlung, geknüpft war (§ 109).
In denjenigen Fällen, worin gar nicht von dem Ab- lauf eines ganzen, gleichmäßig erfüllten Zeitraums, ſon-
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
gelten zu laſſen wie bey der Teſtamentsmündigkeit, alſo
auf die vorhergehende Mitternacht (nach Anderen um ei-
nen Tag weiter) zurück zu gehen. Allein bey genauerer
Betrachtung erſcheinen doch die Verhältniſſe etwas ver-
ſchieden, indem die Tutel eine Schutzanſtalt gegen Gefah-
ren in ſich ſchließt, von welchen bey der Unfähigkeit zum
letzten Willen nicht die Rede iſt. Dagegen iſt die Gleich-
artigkeit der Tutel mit der Curatel hierin ſo unverkenn-
bar, daß ich es für richtiger halte, auch bey dem Ende
der Tutel die Rechnung ad momenta im Römiſchen Recht
anzunehmen. — Übrigens verſchwindet dieſe letzte Frage
völlig für unſer heutiges Recht, in welchem die Tutel der
Unmündigen mit der Curatel der Minderjährigen zuſam-
men fällt, alſo ein beſonderes Ende der Tutel nicht mehr
eintritt. Auch bey den Römern war das Intereſſe der
Frage in Beziehung auf die Tutel geringer. Erſtlich weil
der Unmündige unmittelbar in die Minderjährigkeit ein-
trat, nun alſo gegen ſeine eigene Unvorſichtigkeit durch
Reſtitution, ſpäterhin auch durch die Curatel, geſchützt
war. Zweytens weil in der alten Zeit, wie ich glaube,
das Ende der Tutel meiſt nicht an das beſtimmte Alter,
ſondern an die Anlegung der männlichen Toga, alſo an
eine willkührliche und feyerliche Handlung, geknüpft war
(§ 109).
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/432>, abgerufen am 16.02.2025.
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