Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
Zeiten nur als Surrogat der Usucapion, wo deren Bedin- gungen fehlten, eintreten konnte.
B.Ungenannter Fall.
L. 101 de R. J. (50. 17.). (Paul. lib. sing. de cogni- tionibus). Ubi lex duorum mensum facit mentionem, et qui sexagesimo et primo die venerit audiendus est: ita enim et Imp. Antoninus cum Divo patre (vulg. fratre) suo rescripsit.
Wie die Stelle hier lautet, enthält sie eine allgemeine Interpretationsregel für alle Gesetze, vergangene und künf- tige, die etwa eine juristische Handlung an die Beobach- tung einer Zeit von duo menses, und zwar genan mit Anwendung dieses Ausdrucks (facit mentionem), binden möchten. Niemand wird im Ernst behaupten wollen, daß Paulus eine solche abstracte Regel aufgestellt habe, beson- ders über Volksschlüsse, die ja schon längst, als wirkliche Mittel zur Fortbildung des Rechts, nicht mehr gebraucht wurden. Es wäre also eine Anweisung gewesen, wie man solche alte leges, in denen etwa der Ausdruck duo menses vorkam, verstehen und anwenden möge; diese aber ist nicht nur an sich selbst unwahrscheinlich, sondern vollends in einem ganz praktischen Werk, dem liber sing. de cogni- tionibus, wahrscheinlich einer Sammlung merkwürdiger Entscheidungen des kaiserlichen Gerichtshofs. In den Di- gesten allerdings hat die Stelle jene abstracte Bedeutung, und zwar nun gar nicht mehr in besonderer Beziehung auf
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
Zeiten nur als Surrogat der Uſucapion, wo deren Bedin- gungen fehlten, eintreten konnte.
B.Ungenannter Fall.
L. 101 de R. J. (50. 17.). (Paul. lib. sing. de cogni- tionibus). Ubi lex duorum mensum facit mentionem, et qui sexagesimo et primo die venerit audiendus est: ita enim et Imp. Antoninus cum Divo patre (vulg. fratre) suo rescripsit.
Wie die Stelle hier lautet, enthält ſie eine allgemeine Interpretationsregel für alle Geſetze, vergangene und künf- tige, die etwa eine juriſtiſche Handlung an die Beobach- tung einer Zeit von duo menses, und zwar genan mit Anwendung dieſes Ausdrucks (facit mentionem), binden möchten. Niemand wird im Ernſt behaupten wollen, daß Paulus eine ſolche abſtracte Regel aufgeſtellt habe, beſon- ders über Volksſchlüſſe, die ja ſchon längſt, als wirkliche Mittel zur Fortbildung des Rechts, nicht mehr gebraucht wurden. Es wäre alſo eine Anweiſung geweſen, wie man ſolche alte leges, in denen etwa der Ausdruck duo menses vorkam, verſtehen und anwenden möge; dieſe aber iſt nicht nur an ſich ſelbſt unwahrſcheinlich, ſondern vollends in einem ganz praktiſchen Werk, dem liber sing. de cogni- tionibus, wahrſcheinlich einer Sammlung merkwürdiger Entſcheidungen des kaiſerlichen Gerichtshofs. In den Di- geſten allerdings hat die Stelle jene abſtracte Bedeutung, und zwar nun gar nicht mehr in beſonderer Beziehung auf
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0406"n="392"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hirendition="#aq">III.</hi> Entſtehung und Untergang.</fw><lb/>
Zeiten nur als Surrogat der Uſucapion, wo deren Bedin-<lb/>
gungen fehlten, eintreten konnte.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="4"><head><hirendition="#i"><hirendition="#aq">B.</hi></hi><hirendition="#g">Ungenannter Fall</hi>.</head><lb/><quote><hirendition="#aq"><hirendition="#i">L.</hi> 101 <hirendition="#i">de R. J.</hi> (50. 17.). (Paul. lib. sing. de cogni-<lb/>
tionibus). Ubi lex duorum mensum facit mentionem,<lb/>
et qui sexagesimo et primo die venerit audiendus<lb/>
est: ita enim et Imp. Antoninus cum Divo patre<lb/>
(vulg. <hirendition="#i">fratre</hi>) suo rescripsit.</hi></quote><lb/><p>Wie die Stelle hier lautet, enthält ſie eine allgemeine<lb/>
Interpretationsregel für alle Geſetze, vergangene und künf-<lb/>
tige, die etwa eine juriſtiſche Handlung an die Beobach-<lb/>
tung einer Zeit von <hirendition="#aq">duo menses,</hi> und zwar genan mit<lb/>
Anwendung dieſes Ausdrucks (<hirendition="#aq">facit mentionem</hi>), binden<lb/>
möchten. Niemand wird im Ernſt behaupten wollen, daß<lb/>
Paulus eine ſolche abſtracte Regel aufgeſtellt habe, beſon-<lb/>
ders über Volksſchlüſſe, die ja ſchon längſt, als wirkliche<lb/>
Mittel zur Fortbildung des Rechts, nicht mehr gebraucht<lb/>
wurden. Es wäre alſo eine Anweiſung geweſen, wie man<lb/>ſolche alte <hirendition="#aq">leges,</hi> in denen etwa der Ausdruck <hirendition="#aq">duo menses</hi><lb/>
vorkam, verſtehen und anwenden möge; dieſe aber iſt nicht<lb/>
nur an ſich ſelbſt unwahrſcheinlich, ſondern vollends in<lb/>
einem ganz praktiſchen Werk, dem <hirendition="#aq">liber sing. de cogni-<lb/>
tionibus</hi>, wahrſcheinlich einer Sammlung merkwürdiger<lb/>
Entſcheidungen des kaiſerlichen Gerichtshofs. In den Di-<lb/>
geſten allerdings hat die Stelle jene abſtracte Bedeutung,<lb/>
und zwar nun gar nicht mehr in beſonderer Beziehung auf<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[392/0406]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
Zeiten nur als Surrogat der Uſucapion, wo deren Bedin-
gungen fehlten, eintreten konnte.
B. Ungenannter Fall.
L. 101 de R. J. (50. 17.). (Paul. lib. sing. de cogni-
tionibus). Ubi lex duorum mensum facit mentionem,
et qui sexagesimo et primo die venerit audiendus
est: ita enim et Imp. Antoninus cum Divo patre
(vulg. fratre) suo rescripsit.
Wie die Stelle hier lautet, enthält ſie eine allgemeine
Interpretationsregel für alle Geſetze, vergangene und künf-
tige, die etwa eine juriſtiſche Handlung an die Beobach-
tung einer Zeit von duo menses, und zwar genan mit
Anwendung dieſes Ausdrucks (facit mentionem), binden
möchten. Niemand wird im Ernſt behaupten wollen, daß
Paulus eine ſolche abſtracte Regel aufgeſtellt habe, beſon-
ders über Volksſchlüſſe, die ja ſchon längſt, als wirkliche
Mittel zur Fortbildung des Rechts, nicht mehr gebraucht
wurden. Es wäre alſo eine Anweiſung geweſen, wie man
ſolche alte leges, in denen etwa der Ausdruck duo menses
vorkam, verſtehen und anwenden möge; dieſe aber iſt nicht
nur an ſich ſelbſt unwahrſcheinlich, ſondern vollends in
einem ganz praktiſchen Werk, dem liber sing. de cogni-
tionibus, wahrſcheinlich einer Sammlung merkwürdiger
Entſcheidungen des kaiſerlichen Gerichtshofs. In den Di-
geſten allerdings hat die Stelle jene abſtracte Bedeutung,
und zwar nun gar nicht mehr in beſonderer Beziehung auf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/406>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.