Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
den, der schon in dem letzten zu seinem zwanzigsten Jahr gehörenden Kalendertag steht.
Ulpian will also eigentlich sagen: er kann manumitti- ren an seinem Geburtstage selbst, und zwar gleich nach dessen Anbruch, das heißt nachdem die Mitternacht vor- über ist, die ihm vorhergeht. Er bestimmt also für die Manumissionsfähigkeit genau dasselbe, welches oben für den Ablauf der Usucapion nachgewiesen worden ist. Zur Rechtfertigung dieser Erklärung mögen folgende Bemer- kungen dienen. Die Bedeutung der hora sexta noctis pri- die Kal. Jan. ist schon oben bey L. 7 de usurp. nachge- wiesen worden. Der Unterschied beider Stellen liegt nur darin, daß L. 7 sagt: hora sexta, und hinzu denkt exacta, anstatt daß es in unsrer L. 1 heißt: post sextam. Dieser Unterschied ist auch nicht ganz zufällig und bedeutungslos. Denn von der Usucapion kann man sagen, daß genau der Augenblick der Mitternacht sie vollendet, und das Eigen- thum giebt. Die Manumission aber, als eine Handlung, erfordert eine gewisse Zeit, und kann daher nicht in dem Moment der Mitternacht, sondern nur nach demselben, ge- schehen. Allein das ist einleuchtend, daß die hora sexta noctis pridie Kal. Jan. immer derselbe Zeitraum bleibt, es mag nun die Beziehung zu demselben durch das hinzu- gedachte exacta, oder durch ein vorangesetztes post oder auch ante ausgedrückt werden (o). -- Das quasi comple-
(o)Erb S. 197. 198 erklärt die L. 1 de manum. vom Anfang des 31. Decembers, ohne Zweifel indem er die Worte pridie Kal.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
den, der ſchon in dem letzten zu ſeinem zwanzigſten Jahr gehörenden Kalendertag ſteht.
Ulpian will alſo eigentlich ſagen: er kann manumitti- ren an ſeinem Geburtstage ſelbſt, und zwar gleich nach deſſen Anbruch, das heißt nachdem die Mitternacht vor- über iſt, die ihm vorhergeht. Er beſtimmt alſo für die Manumiſſionsfähigkeit genau daſſelbe, welches oben für den Ablauf der Uſucapion nachgewieſen worden iſt. Zur Rechtfertigung dieſer Erklärung mögen folgende Bemer- kungen dienen. Die Bedeutung der hora sexta noctis pri- die Kal. Jan. iſt ſchon oben bey L. 7 de usurp. nachge- wieſen worden. Der Unterſchied beider Stellen liegt nur darin, daß L. 7 ſagt: hora sexta, und hinzu denkt exacta, anſtatt daß es in unſrer L. 1 heißt: post sextam. Dieſer Unterſchied iſt auch nicht ganz zufällig und bedeutungslos. Denn von der Uſucapion kann man ſagen, daß genau der Augenblick der Mitternacht ſie vollendet, und das Eigen- thum giebt. Die Manumiſſion aber, als eine Handlung, erfordert eine gewiſſe Zeit, und kann daher nicht in dem Moment der Mitternacht, ſondern nur nach demſelben, ge- ſchehen. Allein das iſt einleuchtend, daß die hora sexta noctis pridie Kal. Jan. immer derſelbe Zeitraum bleibt, es mag nun die Beziehung zu demſelben durch das hinzu- gedachte exacta, oder durch ein vorangeſetztes post oder auch ante ausgedrückt werden (o). — Das quasi comple-
(o)Erb S. 197. 198 erklärt die L. 1 de manum. vom Anfang des 31. Decembers, ohne Zweifel indem er die Worte pridie Kal.
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
den, der ſchon in dem letzten zu ſeinem zwanzigſten Jahr
gehörenden Kalendertag ſteht.
Ulpian will alſo eigentlich ſagen: er kann manumitti-
ren an ſeinem Geburtstage ſelbſt, und zwar gleich nach
deſſen Anbruch, das heißt nachdem die Mitternacht vor-
über iſt, die ihm vorhergeht. Er beſtimmt alſo für die
Manumiſſionsfähigkeit genau daſſelbe, welches oben für
den Ablauf der Uſucapion nachgewieſen worden iſt. Zur
Rechtfertigung dieſer Erklärung mögen folgende Bemer-
kungen dienen. Die Bedeutung der hora sexta noctis pri-
die Kal. Jan. iſt ſchon oben bey L. 7 de usurp. nachge-
wieſen worden. Der Unterſchied beider Stellen liegt nur
darin, daß L. 7 ſagt: hora sexta, und hinzu denkt exacta,
anſtatt daß es in unſrer L. 1 heißt: post sextam. Dieſer
Unterſchied iſt auch nicht ganz zufällig und bedeutungslos.
Denn von der Uſucapion kann man ſagen, daß genau der
Augenblick der Mitternacht ſie vollendet, und das Eigen-
thum giebt. Die Manumiſſion aber, als eine Handlung,
erfordert eine gewiſſe Zeit, und kann daher nicht in dem
Moment der Mitternacht, ſondern nur nach demſelben, ge-
ſchehen. Allein das iſt einleuchtend, daß die hora sexta
noctis pridie Kal. Jan. immer derſelbe Zeitraum bleibt,
es mag nun die Beziehung zu demſelben durch das hinzu-
gedachte exacta, oder durch ein vorangeſetztes post oder
auch ante ausgedrückt werden (o). — Das quasi comple-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/388>, abgerufen am 24.11.2024.
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