Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. nach ganzen Tagen rechnen, als ob die Tage untheilbare Zeit-stücke wären: bey welchem Ausdruck es vorläufig noch un- bestimmt bleibt, ob durch dieses Verfahren der Zeitraum verkürzt oder ausgedehnt werden soll. -- Offenbar also kommen die Ausdrücke civilis und naturalis computatio gar nicht vor, und blos in dem Ausdruck civiliter nume- rare liegt Etwas, das ihnen einigermaßen ähnlich sieht, und das unsre Schriftsteller sehr willkührlich zu jener Ter- minologie ausgebildet haben (g). Diese aber ist wichtiger, als sie auf den ersten Blick scheint, und hat von jeher die unbefangene Kritik sehr zurück gedrängt. Denn aus die- sen beiden Theilungsgliedern schien von selbst hervorzuge- hen, daß es außer der Rechnung ad momenta nur noch die einzige gebe, die man sich einmal gewöhnt hatte als civilis computatio anzusehen, und die durch diesen ver- meyntlichen Kunstausdruck als ein einfacher, ausschließen- der Begriff fixirt worden war, nämlich diejenige Rech- nungsart, wodurch der Zeitraum verkürzt wird; ferner (g) Der Ausdruck annus civi-
lis bey Macrob. saturn. I. 14 bezeichnet das von Cäsar neu ein- gerichtete Kalenderjahr, und ge- hört also eben so wenig hierher, als der Ausdruck dies civilis (§ 180.b). Dagegen steht aller- dings civilis annus in der Über- schrift von Gellius III. 2 in Be- ziehung auf die besondere Zeit- rechnung, wovon hier die Rede ist; allein diese Überschriften kön- nen nicht als quellenmäßige Zeug- nisse gelten, und identisch mit der Terminologie unsrer juristischen Schriftsteller ist dieser Ausdruck ohnehin nicht. -- Ich habe den Ausdruck civile Zeitrech- nung gewählt, um auf der ei- nen Seite für die an den bisher herrschenden Sprachgebrauch Ge- wöhnten verständlich zu bleiben, auf der anderen Seite aber durch Vermeidung der lateinischen Form nicht mehr dem Irrthum Nah- rung zu geben, als ob diese Form in den Quellen als Kunstausdruck vorkäme. Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. nach ganzen Tagen rechnen, als ob die Tage untheilbare Zeit-ſtücke wären: bey welchem Ausdruck es vorläufig noch un- beſtimmt bleibt, ob durch dieſes Verfahren der Zeitraum verkürzt oder ausgedehnt werden ſoll. — Offenbar alſo kommen die Ausdrücke civilis und naturalis computatio gar nicht vor, und blos in dem Ausdruck civiliter nume- rare liegt Etwas, das ihnen einigermaßen ähnlich ſieht, und das unſre Schriftſteller ſehr willkührlich zu jener Ter- minologie ausgebildet haben (g). Dieſe aber iſt wichtiger, als ſie auf den erſten Blick ſcheint, und hat von jeher die unbefangene Kritik ſehr zurück gedrängt. Denn aus die- ſen beiden Theilungsgliedern ſchien von ſelbſt hervorzuge- hen, daß es außer der Rechnung ad momenta nur noch die einzige gebe, die man ſich einmal gewöhnt hatte als civilis computatio anzuſehen, und die durch dieſen ver- meyntlichen Kunſtausdruck als ein einfacher, ausſchließen- der Begriff fixirt worden war, nämlich diejenige Rech- nungsart, wodurch der Zeitraum verkürzt wird; ferner (g) Der Ausdruck annus civi-
lis bey Macrob. saturn. I. 14 bezeichnet das von Cäſar neu ein- gerichtete Kalenderjahr, und ge- hört alſo eben ſo wenig hierher, als der Ausdruck dies civilis (§ 180.b). Dagegen ſteht aller- dings civilis annus in der Über- ſchrift von Gellius III. 2 in Be- ziehung auf die beſondere Zeit- rechnung, wovon hier die Rede iſt; allein dieſe Überſchriften kön- nen nicht als quellenmäßige Zeug- niſſe gelten, und identiſch mit der Terminologie unſrer juriſtiſchen Schriftſteller iſt dieſer Ausdruck ohnehin nicht. — Ich habe den Ausdruck civile Zeitrech- nung gewählt, um auf der ei- nen Seite für die an den bisher herrſchenden Sprachgebrauch Ge- wöhnten verſtändlich zu bleiben, auf der anderen Seite aber durch Vermeidung der lateiniſchen Form nicht mehr dem Irrthum Nah- rung zu geben, als ob dieſe Form in den Quellen als Kunſtausdruck vorkäme. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0370" n="356"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Entſtehung und Untergang.</fw><lb/> nach ganzen Tagen rechnen, als ob die Tage untheilbare Zeit-<lb/> ſtücke wären: bey welchem Ausdruck es vorläufig noch un-<lb/> beſtimmt bleibt, ob durch dieſes Verfahren der Zeitraum<lb/> verkürzt oder ausgedehnt werden ſoll. — Offenbar alſo<lb/> kommen die Ausdrücke <hi rendition="#aq">civilis</hi> und <hi rendition="#aq">naturalis computatio</hi><lb/> gar nicht vor, und blos in dem Ausdruck <hi rendition="#aq">civiliter nume-<lb/> rare</hi> liegt Etwas, das ihnen einigermaßen ähnlich ſieht,<lb/> und das unſre Schriftſteller ſehr willkührlich zu jener Ter-<lb/> minologie ausgebildet haben <note place="foot" n="(g)">Der Ausdruck <hi rendition="#aq">annus civi-<lb/> lis</hi> bey <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Macrob</hi>. saturn. I.</hi> 14<lb/> bezeichnet das von Cäſar neu ein-<lb/> gerichtete Kalenderjahr, und ge-<lb/> hört alſo eben ſo wenig hierher,<lb/> als der Ausdruck <hi rendition="#aq">dies civilis</hi><lb/> (§ 180.<hi rendition="#aq">b</hi>). Dagegen ſteht aller-<lb/> dings <hi rendition="#aq">civilis annus</hi> in der Über-<lb/> ſchrift von <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Gellius</hi> III.</hi> 2 in Be-<lb/> ziehung auf die beſondere Zeit-<lb/> rechnung, wovon hier die Rede<lb/> iſt; allein dieſe Überſchriften kön-<lb/> nen nicht als quellenmäßige Zeug-<lb/> niſſe gelten, und identiſch mit der<lb/> Terminologie unſrer juriſtiſchen<lb/> Schriftſteller iſt dieſer Ausdruck<lb/> ohnehin nicht. — Ich habe den<lb/> Ausdruck <hi rendition="#g">civile Zeitrech-<lb/> nung</hi> gewählt, um auf der ei-<lb/> nen Seite für die an den bisher<lb/> herrſchenden Sprachgebrauch Ge-<lb/> wöhnten verſtändlich zu bleiben,<lb/> auf der anderen Seite aber durch<lb/> Vermeidung der lateiniſchen Form<lb/> nicht mehr dem Irrthum Nah-<lb/> rung zu geben, als ob dieſe Form<lb/> in den Quellen als Kunſtausdruck<lb/> vorkäme.</note>. Dieſe aber iſt wichtiger,<lb/> als ſie auf den erſten Blick ſcheint, und hat von jeher die<lb/> unbefangene Kritik ſehr zurück gedrängt. Denn aus die-<lb/> ſen beiden Theilungsgliedern ſchien von ſelbſt hervorzuge-<lb/> hen, daß es außer der Rechnung <hi rendition="#aq">ad momenta</hi> nur noch<lb/> die einzige gebe, die man ſich einmal gewöhnt hatte als<lb/><hi rendition="#aq">civilis computatio</hi> anzuſehen, und die durch dieſen ver-<lb/> meyntlichen Kunſtausdruck als ein einfacher, ausſchließen-<lb/> der Begriff fixirt worden war, nämlich diejenige Rech-<lb/> nungsart, wodurch der Zeitraum <hi rendition="#g">verkürzt</hi> wird; ferner<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [356/0370]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
nach ganzen Tagen rechnen, als ob die Tage untheilbare Zeit-
ſtücke wären: bey welchem Ausdruck es vorläufig noch un-
beſtimmt bleibt, ob durch dieſes Verfahren der Zeitraum
verkürzt oder ausgedehnt werden ſoll. — Offenbar alſo
kommen die Ausdrücke civilis und naturalis computatio
gar nicht vor, und blos in dem Ausdruck civiliter nume-
rare liegt Etwas, das ihnen einigermaßen ähnlich ſieht,
und das unſre Schriftſteller ſehr willkührlich zu jener Ter-
minologie ausgebildet haben (g). Dieſe aber iſt wichtiger,
als ſie auf den erſten Blick ſcheint, und hat von jeher die
unbefangene Kritik ſehr zurück gedrängt. Denn aus die-
ſen beiden Theilungsgliedern ſchien von ſelbſt hervorzuge-
hen, daß es außer der Rechnung ad momenta nur noch
die einzige gebe, die man ſich einmal gewöhnt hatte als
civilis computatio anzuſehen, und die durch dieſen ver-
meyntlichen Kunſtausdruck als ein einfacher, ausſchließen-
der Begriff fixirt worden war, nämlich diejenige Rech-
nungsart, wodurch der Zeitraum verkürzt wird; ferner
(g) Der Ausdruck annus civi-
lis bey Macrob. saturn. I. 14
bezeichnet das von Cäſar neu ein-
gerichtete Kalenderjahr, und ge-
hört alſo eben ſo wenig hierher,
als der Ausdruck dies civilis
(§ 180.b). Dagegen ſteht aller-
dings civilis annus in der Über-
ſchrift von Gellius III. 2 in Be-
ziehung auf die beſondere Zeit-
rechnung, wovon hier die Rede
iſt; allein dieſe Überſchriften kön-
nen nicht als quellenmäßige Zeug-
niſſe gelten, und identiſch mit der
Terminologie unſrer juriſtiſchen
Schriftſteller iſt dieſer Ausdruck
ohnehin nicht. — Ich habe den
Ausdruck civile Zeitrech-
nung gewählt, um auf der ei-
nen Seite für die an den bisher
herrſchenden Sprachgebrauch Ge-
wöhnten verſtändlich zu bleiben,
auf der anderen Seite aber durch
Vermeidung der lateiniſchen Form
nicht mehr dem Irrthum Nah-
rung zu geben, als ob dieſe Form
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