Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. behaupten kann, daß er noch zu rechter Zeit klage (c). --So ist es in den gewöhnlichen Fällen, worin eine Rechts- regel den Ablauf eines Zeitraums als Bedingung einer Rechtsänderung ausdrückt; ist dagegen die Bedingung aus- drücklich auf die Überschreitung des Zeitraums gestellt, so muß stets die nachfolgende Mitternacht angenommen werden (auch wo vom Erwerb eines Rechts die Rede ist), weil, eben wegen der Untheilbarkeit des Kalendertags, erst am folgenden Tag die Überschreitung des Zeitraums behauptet werden kann (d). Von der hier versuchten Grundlegung der civilen Zeit- (c) Man könnte in beiden Fäl- len die Regel umkehren wollen, indem bey der Usucapion der bis- herige Eigenthümer sein Recht ver- liert, bey der Klagverjährung der Schuldner eine Exception erwirbt. Allein die Rücksicht auf diese Per- sonen ist offenbar eine unterge- ordnete, so daß die Rechtsregel unmittelbar nicht an sie gerichtet ist, sondern an ihre Gegner, de- ren Thätigkeit oder Unthätig- keit Grund einer Rechtsänderung seyn soll. (d) Auf den ersten Blick möchte
man geneigt seyn, diese letzte Un- terscheidung als allzu subtil zu ver- werfen; allein gerade hierüber sind die Stellen der alten Juristen am wenigsten zweifelhaft. L. 1 de manumiss. (40. 1.) "non enim majori XX. annis permitti ma- numittere, sed minorem manu- mittere vetari: jam autem mi- nor non est, qui diem supre- mum agit anni vicesimi." (Hätte also die lex von einem major ge- sprochen, so würde der folgende Tag gefordert worden seyn). L. 66 de V. O. (45. 1.) "quia de mi- nore lex loquitur." L. 3 de j. immun. (50. 6.). "Majores LXX. annis a tutelis et muneribus va- cant .. non videtur major esse LXX. annis, qui annum agit septuagesimum." Vergl. L. un. C. qui aetate (5. 68.), L. 3 C. qui aetate (10. 49.), L. 2 pr. de excus. (27. 1.). Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. behaupten kann, daß er noch zu rechter Zeit klage (c). —So iſt es in den gewöhnlichen Fällen, worin eine Rechts- regel den Ablauf eines Zeitraums als Bedingung einer Rechtsänderung ausdrückt; iſt dagegen die Bedingung aus- drücklich auf die Überſchreitung des Zeitraums geſtellt, ſo muß ſtets die nachfolgende Mitternacht angenommen werden (auch wo vom Erwerb eines Rechts die Rede iſt), weil, eben wegen der Untheilbarkeit des Kalendertags, erſt am folgenden Tag die Überſchreitung des Zeitraums behauptet werden kann (d). Von der hier verſuchten Grundlegung der civilen Zeit- (c) Man könnte in beiden Fäl- len die Regel umkehren wollen, indem bey der Uſucapion der bis- herige Eigenthümer ſein Recht ver- liert, bey der Klagverjährung der Schuldner eine Exception erwirbt. Allein die Rückſicht auf dieſe Per- ſonen iſt offenbar eine unterge- ordnete, ſo daß die Rechtsregel unmittelbar nicht an ſie gerichtet iſt, ſondern an ihre Gegner, de- ren Thätigkeit oder Unthätig- keit Grund einer Rechtsänderung ſeyn ſoll. (d) Auf den erſten Blick möchte
man geneigt ſeyn, dieſe letzte Un- terſcheidung als allzu ſubtil zu ver- werfen; allein gerade hierüber ſind die Stellen der alten Juriſten am wenigſten zweifelhaft. L. 1 de manumiss. (40. 1.) „non enim majori XX. annis permitti ma- numittere, sed minorem manu- mittere vetari: jam autem mi- nor non est, qui diem supre- mum agit anni vicesimi.” (Hätte alſo die lex von einem major ge- ſprochen, ſo würde der folgende Tag gefordert worden ſeyn). L. 66 de V. O. (45. 1.) „quia de mi- nore lex loquitur.” L. 3 de j. immun. (50. 6.). „Majores LXX. annis a tutelis et muneribus va- cant .. non videtur major esse LXX. annis, qui annum agit septuagesimum.” Vergl. L. un. C. qui aetate (5. 68.), L. 3 C. qui aetate (10. 49.), L. 2 pr. de excus. (27. 1.). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0366" n="352"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Entſtehung und Untergang.</fw><lb/> behaupten kann, daß er noch zu rechter Zeit klage <note place="foot" n="(c)">Man könnte in beiden Fäl-<lb/> len die Regel umkehren wollen,<lb/> indem bey der Uſucapion der bis-<lb/> herige Eigenthümer ſein Recht ver-<lb/> liert, bey der Klagverjährung der<lb/> Schuldner eine Exception erwirbt.<lb/> Allein die Rückſicht auf dieſe Per-<lb/> ſonen iſt offenbar eine unterge-<lb/> ordnete, ſo daß die Rechtsregel<lb/> unmittelbar nicht an ſie gerichtet<lb/> iſt, ſondern an ihre Gegner, de-<lb/> ren Thätigkeit oder Unthätig-<lb/> keit Grund einer Rechtsänderung<lb/> ſeyn ſoll.</note>. —<lb/> So iſt es in den gewöhnlichen Fällen, worin eine Rechts-<lb/> regel den <hi rendition="#g">Ablauf</hi> eines Zeitraums als Bedingung einer<lb/> Rechtsänderung ausdrückt; iſt dagegen die Bedingung aus-<lb/> drücklich auf die <hi rendition="#g">Überſchreitung</hi> des Zeitraums geſtellt,<lb/> ſo muß ſtets die nachfolgende Mitternacht angenommen<lb/> werden (auch wo vom Erwerb eines Rechts die Rede iſt),<lb/> weil, eben wegen der Untheilbarkeit des Kalendertags,<lb/> erſt am folgenden Tag die Überſchreitung des Zeitraums<lb/> behauptet werden kann <note place="foot" n="(d)">Auf den erſten Blick möchte<lb/> man geneigt ſeyn, dieſe letzte Un-<lb/> terſcheidung als allzu ſubtil zu ver-<lb/> werfen; allein gerade hierüber ſind<lb/> die Stellen der alten Juriſten am<lb/> wenigſten zweifelhaft. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 1 <hi rendition="#i">de<lb/> manumiss.</hi> (40. 1.) „non enim<lb/> majori XX. annis permitti ma-<lb/> numittere, sed minorem manu-<lb/> mittere vetari: jam autem mi-<lb/> nor non est, qui diem supre-<lb/> mum agit anni vicesimi.”</hi> (Hätte<lb/> alſo die <hi rendition="#aq">lex</hi> von einem <hi rendition="#aq">major</hi> ge-<lb/> ſprochen, ſo würde der folgende<lb/> Tag gefordert worden ſeyn). <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 66<lb/><hi rendition="#i">de V. O.</hi> (45. 1.) „quia de mi-<lb/> nore lex loquitur.” <hi rendition="#i">L.</hi> 3 <hi rendition="#i">de j.<lb/> immun.</hi> (50. 6.). „Majores LXX.<lb/> annis a tutelis et muneribus va-<lb/> cant .. non videtur major esse<lb/> LXX. annis, qui annum agit<lb/> septuagesimum.”</hi> Vergl. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L. un.<lb/> C. qui aetate</hi> (5. 68.), <hi rendition="#i">L.</hi> 3 <hi rendition="#i">C.<lb/> qui aetate</hi> (10. 49.), <hi rendition="#i">L.</hi> 2 <hi rendition="#i">pr.<lb/> de excus.</hi></hi> (27. 1.).</note>.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Von der hier verſuchten Grundlegung der civilen Zeit-<lb/> rechnung weicht die gewöhnliche gänzlich ab. Dieſe läßt<lb/> ſich auf folgende Sätze zurück führen, worin wenigſtens<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [352/0366]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
behaupten kann, daß er noch zu rechter Zeit klage (c). —
So iſt es in den gewöhnlichen Fällen, worin eine Rechts-
regel den Ablauf eines Zeitraums als Bedingung einer
Rechtsänderung ausdrückt; iſt dagegen die Bedingung aus-
drücklich auf die Überſchreitung des Zeitraums geſtellt,
ſo muß ſtets die nachfolgende Mitternacht angenommen
werden (auch wo vom Erwerb eines Rechts die Rede iſt),
weil, eben wegen der Untheilbarkeit des Kalendertags,
erſt am folgenden Tag die Überſchreitung des Zeitraums
behauptet werden kann (d).
Von der hier verſuchten Grundlegung der civilen Zeit-
rechnung weicht die gewöhnliche gänzlich ab. Dieſe läßt
ſich auf folgende Sätze zurück führen, worin wenigſtens
(c) Man könnte in beiden Fäl-
len die Regel umkehren wollen,
indem bey der Uſucapion der bis-
herige Eigenthümer ſein Recht ver-
liert, bey der Klagverjährung der
Schuldner eine Exception erwirbt.
Allein die Rückſicht auf dieſe Per-
ſonen iſt offenbar eine unterge-
ordnete, ſo daß die Rechtsregel
unmittelbar nicht an ſie gerichtet
iſt, ſondern an ihre Gegner, de-
ren Thätigkeit oder Unthätig-
keit Grund einer Rechtsänderung
ſeyn ſoll.
(d) Auf den erſten Blick möchte
man geneigt ſeyn, dieſe letzte Un-
terſcheidung als allzu ſubtil zu ver-
werfen; allein gerade hierüber ſind
die Stellen der alten Juriſten am
wenigſten zweifelhaft. L. 1 de
manumiss. (40. 1.) „non enim
majori XX. annis permitti ma-
numittere, sed minorem manu-
mittere vetari: jam autem mi-
nor non est, qui diem supre-
mum agit anni vicesimi.” (Hätte
alſo die lex von einem major ge-
ſprochen, ſo würde der folgende
Tag gefordert worden ſeyn). L. 66
de V. O. (45. 1.) „quia de mi-
nore lex loquitur.” L. 3 de j.
immun. (50. 6.). „Majores LXX.
annis a tutelis et muneribus va-
cant .. non videtur major esse
LXX. annis, qui annum agit
septuagesimum.” Vergl. L. un.
C. qui aetate (5. 68.), L. 3 C.
qui aetate (10. 49.), L. 2 pr.
de excus. (27. 1.).
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