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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 182. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung.
Rede ist. So hat bey einer alternativen oder generischen
Obligation der Schuldner die Wahl, welches Individuum
oder welche Qualität er geben will (a). Umgekehrt hat
bey einer nach Zeit oder Ort ganz unbestimmten Obliga-
tion der Glaubiger die Wahl, wann oder wo er klagen
will, weil sein im Allgemeinen anerkanntes Klagrecht in
diesen Beziehungen unbeschränkt geblieben ist (b). -- Wen-
den wir dieses Princip auf den vorliegenden Fall an, so
führt es auf folgende Behandlung. Soll durch den Ab-
lauf des Zeitraums ein Recht erworben werden, wie bey
der Usucapion, so ist die vorhergehende Mitternacht als
juristischer Endpunkt anzunehmen, weil, bey der angege-
benen Unbestimmtheit, der Erwerber befugt ist, in jedem
Moment des ganzen Kalendertags den Erwerb als vollen-
det anzusehen. Soll dagegen durch den abgelaufenen Zeit-
raum ein Recht verloren werden, wie bey der Klagver-
jährung, so muß die nachfolgende Mitternacht angenom-
men werden, weil der Klagberechtigte, gleichfalls wegen
jener Unbestimmtheit, in jedem Moment des Kalendertags

(a) L. 138 § 1 de V. O. (45.
1.), L. 52 mandati
(17. 1.). --
Eben so hat Der, welcher sich ver-
pflichtet, innerhalb eines bestimm-
ten Jahres zu zahlen, die Wahl
des Tages, an welchem er zahlen
will. L. 50 de O. et A. (44. 7.).
(b) L. 41 § 1 de V. O. (45. 1.),
§ 33 J. de act.
(4. 6.), welche
letzte Stelle blos bey einem aus-
drücklich bestimmten Zahlungsort
die Willkühr des Klägers be-
schränkt, für andere Fälle also
unbeschränkt läßt. -- Wollte man
bey der ganz unbestimmt gelasse-
nen Zeit den Schuldner als den
zum Handeln Berufenen betrach-
ten, also Ihm die Wahl der Zeit
lassen, so würde das den Grund-
begriff der Obligation, als einer
Nothwendigkeit, aufheben, in-
dem diese illusorisch werden würde.

§. 182. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung.
Rede iſt. So hat bey einer alternativen oder generiſchen
Obligation der Schuldner die Wahl, welches Individuum
oder welche Qualität er geben will (a). Umgekehrt hat
bey einer nach Zeit oder Ort ganz unbeſtimmten Obliga-
tion der Glaubiger die Wahl, wann oder wo er klagen
will, weil ſein im Allgemeinen anerkanntes Klagrecht in
dieſen Beziehungen unbeſchränkt geblieben iſt (b). — Wen-
den wir dieſes Princip auf den vorliegenden Fall an, ſo
führt es auf folgende Behandlung. Soll durch den Ab-
lauf des Zeitraums ein Recht erworben werden, wie bey
der Uſucapion, ſo iſt die vorhergehende Mitternacht als
juriſtiſcher Endpunkt anzunehmen, weil, bey der angege-
benen Unbeſtimmtheit, der Erwerber befugt iſt, in jedem
Moment des ganzen Kalendertags den Erwerb als vollen-
det anzuſehen. Soll dagegen durch den abgelaufenen Zeit-
raum ein Recht verloren werden, wie bey der Klagver-
jährung, ſo muß die nachfolgende Mitternacht angenom-
men werden, weil der Klagberechtigte, gleichfalls wegen
jener Unbeſtimmtheit, in jedem Moment des Kalendertags

(a) L. 138 § 1 de V. O. (45.
1.), L. 52 mandati
(17. 1.). —
Eben ſo hat Der, welcher ſich ver-
pflichtet, innerhalb eines beſtimm-
ten Jahres zu zahlen, die Wahl
des Tages, an welchem er zahlen
will. L. 50 de O. et A. (44. 7.).
(b) L. 41 § 1 de V. O. (45. 1.),
§ 33 J. de act.
(4. 6.), welche
letzte Stelle blos bey einem aus-
drücklich beſtimmten Zahlungsort
die Willkühr des Klägers be-
ſchränkt, für andere Fälle alſo
unbeſchränkt läßt. — Wollte man
bey der ganz unbeſtimmt gelaſſe-
nen Zeit den Schuldner als den
zum Handeln Berufenen betrach-
ten, alſo Ihm die Wahl der Zeit
laſſen, ſo würde das den Grund-
begriff der Obligation, als einer
Nothwendigkeit, aufheben, in-
dem dieſe illuſoriſch werden würde.
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[351/0365] §. 182. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. Rede iſt. So hat bey einer alternativen oder generiſchen Obligation der Schuldner die Wahl, welches Individuum oder welche Qualität er geben will (a). Umgekehrt hat bey einer nach Zeit oder Ort ganz unbeſtimmten Obliga- tion der Glaubiger die Wahl, wann oder wo er klagen will, weil ſein im Allgemeinen anerkanntes Klagrecht in dieſen Beziehungen unbeſchränkt geblieben iſt (b). — Wen- den wir dieſes Princip auf den vorliegenden Fall an, ſo führt es auf folgende Behandlung. Soll durch den Ab- lauf des Zeitraums ein Recht erworben werden, wie bey der Uſucapion, ſo iſt die vorhergehende Mitternacht als juriſtiſcher Endpunkt anzunehmen, weil, bey der angege- benen Unbeſtimmtheit, der Erwerber befugt iſt, in jedem Moment des ganzen Kalendertags den Erwerb als vollen- det anzuſehen. Soll dagegen durch den abgelaufenen Zeit- raum ein Recht verloren werden, wie bey der Klagver- jährung, ſo muß die nachfolgende Mitternacht angenom- men werden, weil der Klagberechtigte, gleichfalls wegen jener Unbeſtimmtheit, in jedem Moment des Kalendertags (a) L. 138 § 1 de V. O. (45. 1.), L. 52 mandati (17. 1.). — Eben ſo hat Der, welcher ſich ver- pflichtet, innerhalb eines beſtimm- ten Jahres zu zahlen, die Wahl des Tages, an welchem er zahlen will. L. 50 de O. et A. (44. 7.). (b) L. 41 § 1 de V. O. (45. 1.), § 33 J. de act. (4. 6.), welche letzte Stelle blos bey einem aus- drücklich beſtimmten Zahlungsort die Willkühr des Klägers be- ſchränkt, für andere Fälle alſo unbeſchränkt läßt. — Wollte man bey der ganz unbeſtimmt gelaſſe- nen Zeit den Schuldner als den zum Handeln Berufenen betrach- ten, alſo Ihm die Wahl der Zeit laſſen, ſo würde das den Grund- begriff der Obligation, als einer Nothwendigkeit, aufheben, in- dem dieſe illuſoriſch werden würde.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/365>, abgerufen am 24.11.2024.