Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.§. 180. Zeit. 1. Kalender. (Fortsetzung.) genaue Bezeichnung eines Tages wäre also z. B. gewe-sen: die X. ante Kalendas Januarias (für den 23. De- cember). Allein es war üblich, die Präposition zu ver- setzen, indem man sagte: ante diem X. Kal. Jan., welcher Ausdruck genau dieselbe Bedeutung hat wie jener. Wenn man diese Laune des Römischen Sprachgebrauchs über- sieht, und die voranstehende Präposition buchstäblich nimmt, so kommt man zu dem Irrthum, als ob ante diem X. Kal. irgend eine dem dies X. Kal. vorhergehende Zeit be- zeichnen sollte, da doch immer nur dieser Tag selbst ge- meynt ist (e). Eine Stelle des Römischen Rechts warnt ausdrücklich gegen dieses Misverständniß (f). Die eben (e) Die entscheidenden Stellen über diesen Sprachgebrauch sind gesammelt bey Ideler II. 127. 128. Die Präposition war da- durch gewissermaaßen ein nichts- sagender Zusatz zu der Tagesbe- zeichnung geworden, so daß man sie nun sogar in solchen Fällen gedankenlos anwendete, wo gar nicht zurück gerechnet werden sollte. L. 13 de V. O. "Qui ante Ka- lendas proximas stipulatur, si- milis est ei qui Kalendis sti- pulatur." Eben so entscheidend dafür, daß ante völlig bedeu- tungslos geworden war, ist die Zusammenstellung mit anderen Präpositionen, z. B. in ante diem IV. für in diem IV., eben so ex ante diem für ex die. (f) L. 132 pr. de V.S. (50. 16.).
"Anniculus amittitur qui extre- mo die anni moritur: et con- suetudo loquendi id ita esse de- clarat, ante diem X. Kalenda- rum, post diem X. Kalenda- rum. Neque utro enim ser- mone undecim dies significan- tur." Ich bleibe zunächst bey dem ante stehen, das allein hierher ge- hört. Unter dem ante d. X. Kal. (sagt der Jurist) ist nicht etwa ein Tag jenseits des dies X. zu verstehen, so daß damit Eilf (oder noch mehr) Tage bezeichnet wä- ren, sondern gerade der dies X. selbst. Auf ähnliche Weise steht nun auch das post diem X. für die X. post Kalendas, es ist also der zehente Januar, nicht ein Tag jenseits des zehenten, welches wie- der Eilf Tage geben würde. Die- ses letzte ist also eine individuelle, willkührliche, außer der gewöhn- lichen Kalendersprache liegende Bezeichnung, etwa so wie wenn §. 180. Zeit. 1. Kalender. (Fortſetzung.) genaue Bezeichnung eines Tages wäre alſo z. B. gewe-ſen: die X. ante Kalendas Januarias (für den 23. De- cember). Allein es war üblich, die Präpoſition zu ver- ſetzen, indem man ſagte: ante diem X. Kal. Jan., welcher Ausdruck genau dieſelbe Bedeutung hat wie jener. Wenn man dieſe Laune des Römiſchen Sprachgebrauchs über- ſieht, und die voranſtehende Präpoſition buchſtäblich nimmt, ſo kommt man zu dem Irrthum, als ob ante diem X. Kal. irgend eine dem dies X. Kal. vorhergehende Zeit be- zeichnen ſollte, da doch immer nur dieſer Tag ſelbſt ge- meynt iſt (e). Eine Stelle des Römiſchen Rechts warnt ausdrücklich gegen dieſes Misverſtändniß (f). Die eben (e) Die entſcheidenden Stellen über dieſen Sprachgebrauch ſind geſammelt bey Ideler II. 127. 128. Die Präpoſition war da- durch gewiſſermaaßen ein nichts- ſagender Zuſatz zu der Tagesbe- zeichnung geworden, ſo daß man ſie nun ſogar in ſolchen Fällen gedankenlos anwendete, wo gar nicht zurück gerechnet werden ſollte. L. 13 de V. O. „Qui ante Ka- lendas proximas stipulatur, si- milis est ei qui Kalendis sti- pulatur.” Eben ſo entſcheidend dafür, daß ante völlig bedeu- tungslos geworden war, iſt die Zuſammenſtellung mit anderen Präpoſitionen, z. B. in ante diem IV. für in diem IV., eben ſo ex ante diem für ex die. (f) L. 132 pr. de V.S. (50. 16.).
„Anniculus amittitur qui extre- mo die anni moritur: et con- suetudo loquendi id ita esse de- clarat, ante diem X. Kalenda- rum, post diem X. Kalenda- rum. Neque utro enim ser- mone undecim dies significan- tur.” Ich bleibe zunächſt bey dem ante ſtehen, das allein hierher ge- hört. Unter dem ante d. X. Kal. (ſagt der Juriſt) iſt nicht etwa ein Tag jenſeits des dies X. zu verſtehen, ſo daß damit Eilf (oder noch mehr) Tage bezeichnet wä- ren, ſondern gerade der dies X. ſelbſt. Auf ähnliche Weiſe ſteht nun auch das post diem X. für die X. post Kalendas, es iſt alſo der zehente Januar, nicht ein Tag jenſeits des zehenten, welches wie- der Eilf Tage geben würde. Die- ſes letzte iſt alſo eine individuelle, willkührliche, außer der gewöhn- lichen Kalenderſprache liegende Bezeichnung, etwa ſo wie wenn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0343" n="329"/><fw place="top" type="header">§. 180. Zeit. 1. Kalender. (Fortſetzung.)</fw><lb/> genaue Bezeichnung eines Tages wäre alſo z. B. gewe-<lb/> ſen: <hi rendition="#aq">die X. ante Kalendas Januarias</hi> (für den 23. De-<lb/> cember). Allein es war üblich, die Präpoſition zu ver-<lb/> ſetzen, indem man ſagte: <hi rendition="#aq">ante diem X. Kal. Jan.,</hi> welcher<lb/> Ausdruck genau dieſelbe Bedeutung hat wie jener. Wenn<lb/> man dieſe Laune des Römiſchen Sprachgebrauchs über-<lb/> ſieht, und die voranſtehende Präpoſition buchſtäblich nimmt,<lb/> ſo kommt man zu dem Irrthum, als ob <hi rendition="#aq">ante diem X.<lb/> Kal.</hi> irgend eine dem <hi rendition="#aq">dies X. Kal.</hi> vorhergehende Zeit be-<lb/> zeichnen ſollte, da doch immer nur dieſer Tag ſelbſt ge-<lb/> meynt iſt <note place="foot" n="(e)">Die entſcheidenden Stellen<lb/> über dieſen Sprachgebrauch ſind<lb/> geſammelt bey <hi rendition="#g">Ideler</hi> <hi rendition="#aq">II.</hi> 127.<lb/> 128. Die Präpoſition war da-<lb/> durch gewiſſermaaßen ein nichts-<lb/> ſagender Zuſatz zu der Tagesbe-<lb/> zeichnung geworden, ſo daß man<lb/> ſie nun ſogar in ſolchen Fällen<lb/> gedankenlos anwendete, wo gar<lb/> nicht zurück gerechnet werden ſollte.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L</hi>. 13 <hi rendition="#i">de V. O. „Qui ante Ka-<lb/> lendas proximas</hi> stipulatur, si-<lb/> milis est ei qui <hi rendition="#i">Kalendis</hi> sti-<lb/> pulatur.”</hi> Eben ſo entſcheidend<lb/> dafür, daß <hi rendition="#aq">ante</hi> völlig bedeu-<lb/> tungslos geworden war, iſt die<lb/> Zuſammenſtellung mit anderen<lb/> Präpoſitionen, z. B. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">in ante</hi> diem<lb/> IV.</hi> für <hi rendition="#aq">in diem IV.,</hi> eben ſo <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ex<lb/> ante</hi> diem</hi> für <hi rendition="#aq">ex die.</hi></note>. Eine Stelle des Römiſchen Rechts warnt<lb/> ausdrücklich gegen dieſes Misverſtändniß <note xml:id="seg2pn_63_1" next="#seg2pn_63_2" place="foot" n="(f)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 132 <hi rendition="#i">pr. de V.S.</hi> (50. 16.).<lb/> „Anniculus amittitur qui extre-<lb/> mo die anni moritur: et con-<lb/> suetudo loquendi id ita esse de-<lb/> clarat, <hi rendition="#i">ante diem X. Kalenda-<lb/> rum, post diem X. Kalenda-<lb/> rum</hi>. Neque utro enim ser-<lb/> mone undecim dies significan-<lb/> tur.”</hi> Ich bleibe zunächſt bey dem<lb/><hi rendition="#aq">ante</hi> ſtehen, das allein hierher ge-<lb/> hört. Unter dem <hi rendition="#aq">ante d. X. Kal.</hi><lb/> (ſagt der Juriſt) iſt nicht etwa<lb/> ein Tag jenſeits des <hi rendition="#aq">dies X.</hi> zu<lb/> verſtehen, ſo daß damit Eilf (oder<lb/> noch mehr) Tage bezeichnet wä-<lb/> ren, ſondern gerade der <hi rendition="#aq">dies X.</hi><lb/> ſelbſt. Auf ähnliche Weiſe ſteht<lb/> nun auch das <hi rendition="#aq">post diem X.</hi> für<lb/><hi rendition="#aq">die X. post Kalendas,</hi> es iſt alſo<lb/> der zehente Januar, nicht ein Tag<lb/> jenſeits des zehenten, welches wie-<lb/> der Eilf Tage geben würde. Die-<lb/> ſes letzte iſt alſo eine individuelle,<lb/> willkührliche, außer der gewöhn-<lb/> lichen Kalenderſprache liegende<lb/> Bezeichnung, etwa ſo wie wenn</note>. Die eben<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [329/0343]
§. 180. Zeit. 1. Kalender. (Fortſetzung.)
genaue Bezeichnung eines Tages wäre alſo z. B. gewe-
ſen: die X. ante Kalendas Januarias (für den 23. De-
cember). Allein es war üblich, die Präpoſition zu ver-
ſetzen, indem man ſagte: ante diem X. Kal. Jan., welcher
Ausdruck genau dieſelbe Bedeutung hat wie jener. Wenn
man dieſe Laune des Römiſchen Sprachgebrauchs über-
ſieht, und die voranſtehende Präpoſition buchſtäblich nimmt,
ſo kommt man zu dem Irrthum, als ob ante diem X.
Kal. irgend eine dem dies X. Kal. vorhergehende Zeit be-
zeichnen ſollte, da doch immer nur dieſer Tag ſelbſt ge-
meynt iſt (e). Eine Stelle des Römiſchen Rechts warnt
ausdrücklich gegen dieſes Misverſtändniß (f). Die eben
(e) Die entſcheidenden Stellen
über dieſen Sprachgebrauch ſind
geſammelt bey Ideler II. 127.
128. Die Präpoſition war da-
durch gewiſſermaaßen ein nichts-
ſagender Zuſatz zu der Tagesbe-
zeichnung geworden, ſo daß man
ſie nun ſogar in ſolchen Fällen
gedankenlos anwendete, wo gar
nicht zurück gerechnet werden ſollte.
L. 13 de V. O. „Qui ante Ka-
lendas proximas stipulatur, si-
milis est ei qui Kalendis sti-
pulatur.” Eben ſo entſcheidend
dafür, daß ante völlig bedeu-
tungslos geworden war, iſt die
Zuſammenſtellung mit anderen
Präpoſitionen, z. B. in ante diem
IV. für in diem IV., eben ſo ex
ante diem für ex die.
(f) L. 132 pr. de V.S. (50. 16.).
„Anniculus amittitur qui extre-
mo die anni moritur: et con-
suetudo loquendi id ita esse de-
clarat, ante diem X. Kalenda-
rum, post diem X. Kalenda-
rum. Neque utro enim ser-
mone undecim dies significan-
tur.” Ich bleibe zunächſt bey dem
ante ſtehen, das allein hierher ge-
hört. Unter dem ante d. X. Kal.
(ſagt der Juriſt) iſt nicht etwa
ein Tag jenſeits des dies X. zu
verſtehen, ſo daß damit Eilf (oder
noch mehr) Tage bezeichnet wä-
ren, ſondern gerade der dies X.
ſelbſt. Auf ähnliche Weiſe ſteht
nun auch das post diem X. für
die X. post Kalendas, es iſt alſo
der zehente Januar, nicht ein Tag
jenſeits des zehenten, welches wie-
der Eilf Tage geben würde. Die-
ſes letzte iſt alſo eine individuelle,
willkührliche, außer der gewöhn-
lichen Kalenderſprache liegende
Bezeichnung, etwa ſo wie wenn
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