Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
Nichtigkeit von selbst. Nirgend konnte sich diese weniger von selbst verstehen, als gerade bey der Schenkung. Seit vielen Jahrhunderten war man hier an sehr positive For- men gewöhnt, aber deren Vernachlässigung hatte stets ganz andere Folgen gehabt, als die Nichtigkeit. Ohne Zweifel setzten die Verfasser des Theodosischen Codex diese andere Folgen als bekannt voraus, und rechneten darauf, daß Jeder dieselben an die hier aufgenommene Verordnung an- knüpfen würde. Eine solche Voraussetzung war nicht zu tadeln, indem damals die Schriften der alten Juristen, woraus man sich hierüber belehren konnte, in den Hän- den aller Richter waren.
Vierzig Jahre nach der Erscheinung des Theodosischen Codex wurde von Manchen, wie es scheint, zu ängstlich auf der Zuziehung von Zeugen bey Schenkungen bestan- den. Daher verordnete K. Zeno (m), durch die gericht- liche Insinuation werde die Zuziehung von Zeugen bey der Tradition ganz entbehrlich (n). Auch wo die Insinua- tion erlassen sey (o), brauche die Urkunde nicht von Zeu- gen unterschrieben zu werden; ohnehin aber bleibe es bey der schon gegebenen Vorschrift, daß auch ganz ohne Ur- kunde gültig geschenkt werden könne.
(m)L. 31 C. de don. (8. 54.) vom J. 478.
(n)"non esse necessarium ... vicinos vel alios testes ad- hibere." Wörtliche Anspielung auf die von Constantin bey der Tradition erforderten Zeugen (Note i).
(o) Das heißt, nach dem da- mals geltenden Recht, bey do- natio ante nuptias, die nicht über 200 Solidos betrug. L. 8 C. Th. de spons. (3. 5.).
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
Nichtigkeit von ſelbſt. Nirgend konnte ſich dieſe weniger von ſelbſt verſtehen, als gerade bey der Schenkung. Seit vielen Jahrhunderten war man hier an ſehr poſitive For- men gewöhnt, aber deren Vernachläſſigung hatte ſtets ganz andere Folgen gehabt, als die Nichtigkeit. Ohne Zweifel ſetzten die Verfaſſer des Theodoſiſchen Codex dieſe andere Folgen als bekannt voraus, und rechneten darauf, daß Jeder dieſelben an die hier aufgenommene Verordnung an- knüpfen würde. Eine ſolche Vorausſetzung war nicht zu tadeln, indem damals die Schriften der alten Juriſten, woraus man ſich hierüber belehren konnte, in den Hän- den aller Richter waren.
Vierzig Jahre nach der Erſcheinung des Theodoſiſchen Codex wurde von Manchen, wie es ſcheint, zu ängſtlich auf der Zuziehung von Zeugen bey Schenkungen beſtan- den. Daher verordnete K. Zeno (m), durch die gericht- liche Inſinuation werde die Zuziehung von Zeugen bey der Tradition ganz entbehrlich (n). Auch wo die Inſinua- tion erlaſſen ſey (o), brauche die Urkunde nicht von Zeu- gen unterſchrieben zu werden; ohnehin aber bleibe es bey der ſchon gegebenen Vorſchrift, daß auch ganz ohne Ur- kunde gültig geſchenkt werden könne.
(m)L. 31 C. de don. (8. 54.) vom J. 478.
(n)„non esse necessarium … vicinos vel alios testes ad- hibere.” Wörtliche Anſpielung auf die von Conſtantin bey der Tradition erforderten Zeugen (Note i).
(o) Das heißt, nach dem da- mals geltenden Recht, bey do- natio ante nuptias, die nicht über 200 Solidos betrug. L. 8 C. Th. de spons. (3. 5.).
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
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vielen Jahrhunderten war man hier an ſehr poſitive For-
men gewöhnt, aber deren Vernachläſſigung hatte ſtets ganz
andere Folgen gehabt, als die Nichtigkeit. Ohne Zweifel
ſetzten die Verfaſſer des Theodoſiſchen Codex dieſe andere
Folgen als bekannt voraus, und rechneten darauf, daß
Jeder dieſelben an die hier aufgenommene Verordnung an-
knüpfen würde. Eine ſolche Vorausſetzung war nicht zu
tadeln, indem damals die Schriften der alten Juriſten,
woraus man ſich hierüber belehren konnte, in den Hän-
den aller Richter waren.
Vierzig Jahre nach der Erſcheinung des Theodoſiſchen
Codex wurde von Manchen, wie es ſcheint, zu ängſtlich
auf der Zuziehung von Zeugen bey Schenkungen beſtan-
den. Daher verordnete K. Zeno (m), durch die gericht-
liche Inſinuation werde die Zuziehung von Zeugen bey
der Tradition ganz entbehrlich (n). Auch wo die Inſinua-
tion erlaſſen ſey (o), brauche die Urkunde nicht von Zeu-
gen unterſchrieben zu werden; ohnehin aber bleibe es bey
der ſchon gegebenen Vorſchrift, daß auch ganz ohne Ur-
kunde gültig geſchenkt werden könne.
(m) L. 31 C. de don. (8. 54.)
vom J. 478.
(n) „non esse necessarium
… vicinos vel alios testes ad-
hibere.” Wörtliche Anſpielung
auf die von Conſtantin bey der
Tradition erforderten Zeugen
(Note i).
(o) Das heißt, nach dem da-
mals geltenden Recht, bey do-
natio ante nuptias, die nicht über
200 Solidos betrug. L. 8 C. Th.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/216>, abgerufen am 16.02.2025.
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