Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
Kaiser, daß bey Schenkungen oft sorglos, oft unredlich
verfahren werde, und daß daraus viele Prozesse und wi-
dersprechende Urtheile hervorgiengen. Diesem Übel vor-
zubeugen, erläßt derselbe nicht sowohl ein Gesetz, als eine
belehrende Instruction, wie man sichere Schenkungen vor-
zunehmen habe. Er fordert dreyerley: Eine schriftliche
Urkunde vor Zeugen, worin alle Bedingungen der Schen-
kung, dann der Name des Gebers, und der Gegenstand
der Schenkung genau anzugeben sey; Ferner die Tradi-
tion, gleichfalls vor Zeugen (i); Endlich die gerichtliche
Insinuation (k). Man konnte glauben, dieses Alles wäre
als unerläßliche Form vorgeschrieben, in deren Ermang-
lung das Geschäft nichtig seyn sollte. Daß es so nicht
gemeynt war, zeigt deutlich folgende Stelle: Quod si. [ - 1 Zeichen fehlt]
orba publico testimonio liberalitas caecam gratiam ob-
scurosque coetus prodiderit, quoniam sola fraus cognita
est, eorum quae donata dicuntur temere non erit fides
accipienda.
Also, wenn jene Formen versäumt sind, soll
nicht etwa das Geschäft schon deshalb wirkungslos seyn,
sondern der Richter soll nun nicht leicht die angebliche
Schenkung als wahr annehmen, folglich die Thatsachen
strenger prüfen, als er außerdem thun würde. Dieses
paßt in eine Instruction, mehr als in ein Gesetz.


(i) "advocata vicinitate, om-
nibusque arbitris quorum post
fide uti liceat."
Die Tradition
war als nothwendig beybehalten
aus dem älteren Recht.
(k) Die Insinuation war schon
von Constantins Vater eingeführt,
wie sich sogleich zeigen wird; sie
wird also hier nur in Erinnerung
gebracht.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
Kaiſer, daß bey Schenkungen oft ſorglos, oft unredlich
verfahren werde, und daß daraus viele Prozeſſe und wi-
derſprechende Urtheile hervorgiengen. Dieſem Übel vor-
zubeugen, erläßt derſelbe nicht ſowohl ein Geſetz, als eine
belehrende Inſtruction, wie man ſichere Schenkungen vor-
zunehmen habe. Er fordert dreyerley: Eine ſchriftliche
Urkunde vor Zeugen, worin alle Bedingungen der Schen-
kung, dann der Name des Gebers, und der Gegenſtand
der Schenkung genau anzugeben ſey; Ferner die Tradi-
tion, gleichfalls vor Zeugen (i); Endlich die gerichtliche
Inſinuation (k). Man konnte glauben, dieſes Alles wäre
als unerläßliche Form vorgeſchrieben, in deren Ermang-
lung das Geſchäft nichtig ſeyn ſollte. Daß es ſo nicht
gemeynt war, zeigt deutlich folgende Stelle: Quod si. [ – 1 Zeichen fehlt]
orba publico testimonio liberalitas caecam gratiam ob-
scurosque coetus prodiderit, quoniam sola fraus cognita
est, eorum quae donata dicuntur temere non erit fides
accipienda.
Alſo, wenn jene Formen verſäumt ſind, ſoll
nicht etwa das Geſchäft ſchon deshalb wirkungslos ſeyn,
ſondern der Richter ſoll nun nicht leicht die angebliche
Schenkung als wahr annehmen, folglich die Thatſachen
ſtrenger prüfen, als er außerdem thun würde. Dieſes
paßt in eine Inſtruction, mehr als in ein Geſetz.


(i) „advocata vicinitate, om-
nibusque arbitris quorum post
fide uti liceat.”
Die Tradition
war als nothwendig beybehalten
aus dem älteren Recht.
(k) Die Inſinuation war ſchon
von Conſtantins Vater eingeführt,
wie ſich ſogleich zeigen wird; ſie
wird alſo hier nur in Erinnerung
gebracht.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0214" n="200"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Ent&#x017F;tehung und Untergang.</fw><lb/>
Kai&#x017F;er, daß bey Schenkungen oft &#x017F;orglos, oft unredlich<lb/>
verfahren werde, und daß daraus viele Proze&#x017F;&#x017F;e und wi-<lb/>
der&#x017F;prechende Urtheile hervorgiengen. Die&#x017F;em Übel vor-<lb/>
zubeugen, erläßt der&#x017F;elbe nicht &#x017F;owohl ein Ge&#x017F;etz, als eine<lb/>
belehrende In&#x017F;truction, wie man &#x017F;ichere Schenkungen vor-<lb/>
zunehmen habe. Er fordert dreyerley: Eine &#x017F;chriftliche<lb/>
Urkunde vor Zeugen, worin alle Bedingungen der Schen-<lb/>
kung, dann der Name des Gebers, und der Gegen&#x017F;tand<lb/>
der Schenkung genau anzugeben &#x017F;ey; Ferner die Tradi-<lb/>
tion, gleichfalls vor Zeugen <note place="foot" n="(i)"><hi rendition="#aq">&#x201E;advocata vicinitate, om-<lb/>
nibusque arbitris quorum post<lb/>
fide uti liceat.&#x201D;</hi> Die Tradition<lb/>
war als nothwendig beybehalten<lb/>
aus dem älteren Recht.</note>; Endlich die gerichtliche<lb/>
In&#x017F;inuation <note place="foot" n="(k)">Die In&#x017F;inuation war &#x017F;chon<lb/>
von Con&#x017F;tantins Vater eingeführt,<lb/>
wie &#x017F;ich &#x017F;ogleich zeigen wird; &#x017F;ie<lb/>
wird al&#x017F;o hier nur in Erinnerung<lb/>
gebracht.</note>. Man konnte glauben, die&#x017F;es Alles wäre<lb/>
als unerläßliche Form vorge&#x017F;chrieben, in deren Ermang-<lb/>
lung das Ge&#x017F;chäft nichtig &#x017F;eyn &#x017F;ollte. Daß es &#x017F;o nicht<lb/>
gemeynt war, zeigt deutlich folgende Stelle: <hi rendition="#aq">Quod si. <gap unit="chars" quantity="1"/><lb/>
orba publico testimonio liberalitas caecam gratiam ob-<lb/>
scurosque coetus prodiderit, quoniam sola fraus cognita<lb/>
est, eorum quae donata dicuntur <hi rendition="#i">temere non erit fides<lb/>
accipienda.</hi></hi> Al&#x017F;o, wenn jene Formen ver&#x017F;äumt &#x017F;ind, &#x017F;oll<lb/>
nicht etwa das Ge&#x017F;chäft &#x017F;chon deshalb wirkungslos &#x017F;eyn,<lb/>
&#x017F;ondern der Richter &#x017F;oll nun nicht leicht die angebliche<lb/>
Schenkung als wahr annehmen, folglich die That&#x017F;achen<lb/>
&#x017F;trenger prüfen, als er außerdem thun würde. Die&#x017F;es<lb/>
paßt in eine In&#x017F;truction, mehr als in ein Ge&#x017F;etz.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0214] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. Kaiſer, daß bey Schenkungen oft ſorglos, oft unredlich verfahren werde, und daß daraus viele Prozeſſe und wi- derſprechende Urtheile hervorgiengen. Dieſem Übel vor- zubeugen, erläßt derſelbe nicht ſowohl ein Geſetz, als eine belehrende Inſtruction, wie man ſichere Schenkungen vor- zunehmen habe. Er fordert dreyerley: Eine ſchriftliche Urkunde vor Zeugen, worin alle Bedingungen der Schen- kung, dann der Name des Gebers, und der Gegenſtand der Schenkung genau anzugeben ſey; Ferner die Tradi- tion, gleichfalls vor Zeugen (i); Endlich die gerichtliche Inſinuation (k). Man konnte glauben, dieſes Alles wäre als unerläßliche Form vorgeſchrieben, in deren Ermang- lung das Geſchäft nichtig ſeyn ſollte. Daß es ſo nicht gemeynt war, zeigt deutlich folgende Stelle: Quod si. _ orba publico testimonio liberalitas caecam gratiam ob- scurosque coetus prodiderit, quoniam sola fraus cognita est, eorum quae donata dicuntur temere non erit fides accipienda. Alſo, wenn jene Formen verſäumt ſind, ſoll nicht etwa das Geſchäft ſchon deshalb wirkungslos ſeyn, ſondern der Richter ſoll nun nicht leicht die angebliche Schenkung als wahr annehmen, folglich die Thatſachen ſtrenger prüfen, als er außerdem thun würde. Dieſes paßt in eine Inſtruction, mehr als in ein Geſetz. (i) „advocata vicinitate, om- nibusque arbitris quorum post fide uti liceat.” Die Tradition war als nothwendig beybehalten aus dem älteren Recht. (k) Die Inſinuation war ſchon von Conſtantins Vater eingeführt, wie ſich ſogleich zeigen wird; ſie wird alſo hier nur in Erinnerung gebracht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/214
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/214>, abgerufen am 25.11.2024.