Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
Die Schenkung erscheint auf den ersten Blick als ein ganz einzelnes Rechtsgeschäft, eben so wie der Kauf oder Tausch; daher muß es Anstoß erregen, wenn sie hier in die gemeinsame Betrachtung der Rechtsgeschäfte überhaupt aufgenommen wird. Betrachten wir zuvörderst die Stel- lung, die man ihr anderwärts angewiesen hat.
Justinians Institutionen setzen sie unter die Erwer- bungsarten des Eigenthums (a); offenbar einseitig und willkührlich. Denn erstlich giebt nicht sie allein Eigen- thum, sondern sie in Verbindung mit der Tradition, wel- cher sie allerdings als justa causa dienen kann, aber nicht mehr und nicht weniger als der Kauf; soll also sie des- halb als ein Stück der Lehre vom Eigenthum betrachtet werden, warum nicht eben so der Kauf, und viele andere Verträge? Zweytens ist auch nicht Eigenthum das ein- zige Mittel, eine Schenkung zu bewirken; Ususfructus, Emphyteuse, ein bloßes Versprechen durch Vertrag, der Erlaß einer Schuld -- alle diese Handlungen können eben so gut als das Eigenthum zu einer Schenkung dienen, und es ist also bey jedem dieser Rechtsinstitute eben so viel Grund vorhanden, als bey dem Eigenthum, die Schen- kung als einen Bestandtheil desselben zu behandeln. -- Die meisten Neueren stellen die Schenkung unter die obligato- rischen Verträge (b); offenbar eben so einseitig, da das
(a)Inst. II. 7. Dieselbe Stel- lung giebt ihr Hofacker § 987.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
Die Schenkung erſcheint auf den erſten Blick als ein ganz einzelnes Rechtsgeſchäft, eben ſo wie der Kauf oder Tauſch; daher muß es Anſtoß erregen, wenn ſie hier in die gemeinſame Betrachtung der Rechtsgeſchäfte überhaupt aufgenommen wird. Betrachten wir zuvörderſt die Stel- lung, die man ihr anderwärts angewieſen hat.
Juſtinians Inſtitutionen ſetzen ſie unter die Erwer- bungsarten des Eigenthums (a); offenbar einſeitig und willkührlich. Denn erſtlich giebt nicht ſie allein Eigen- thum, ſondern ſie in Verbindung mit der Tradition, wel- cher ſie allerdings als justa causa dienen kann, aber nicht mehr und nicht weniger als der Kauf; ſoll alſo ſie des- halb als ein Stück der Lehre vom Eigenthum betrachtet werden, warum nicht eben ſo der Kauf, und viele andere Verträge? Zweytens iſt auch nicht Eigenthum das ein- zige Mittel, eine Schenkung zu bewirken; Uſusfructus, Emphyteuſe, ein bloßes Verſprechen durch Vertrag, der Erlaß einer Schuld — alle dieſe Handlungen können eben ſo gut als das Eigenthum zu einer Schenkung dienen, und es iſt alſo bey jedem dieſer Rechtsinſtitute eben ſo viel Grund vorhanden, als bey dem Eigenthum, die Schen- kung als einen Beſtandtheil deſſelben zu behandeln. — Die meiſten Neueren ſtellen die Schenkung unter die obligato- riſchen Verträge (b); offenbar eben ſo einſeitig, da das
(a)Inst. II. 7. Dieſelbe Stel- lung giebt ihr Hofacker § 987.
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
Die Schenkung erſcheint auf den erſten Blick als ein
ganz einzelnes Rechtsgeſchäft, eben ſo wie der Kauf oder
Tauſch; daher muß es Anſtoß erregen, wenn ſie hier in
die gemeinſame Betrachtung der Rechtsgeſchäfte überhaupt
aufgenommen wird. Betrachten wir zuvörderſt die Stel-
lung, die man ihr anderwärts angewieſen hat.
Juſtinians Inſtitutionen ſetzen ſie unter die Erwer-
bungsarten des Eigenthums (a); offenbar einſeitig und
willkührlich. Denn erſtlich giebt nicht ſie allein Eigen-
thum, ſondern ſie in Verbindung mit der Tradition, wel-
cher ſie allerdings als justa causa dienen kann, aber nicht
mehr und nicht weniger als der Kauf; ſoll alſo ſie des-
halb als ein Stück der Lehre vom Eigenthum betrachtet
werden, warum nicht eben ſo der Kauf, und viele andere
Verträge? Zweytens iſt auch nicht Eigenthum das ein-
zige Mittel, eine Schenkung zu bewirken; Uſusfructus,
Emphyteuſe, ein bloßes Verſprechen durch Vertrag, der
Erlaß einer Schuld — alle dieſe Handlungen können eben
ſo gut als das Eigenthum zu einer Schenkung dienen,
und es iſt alſo bey jedem dieſer Rechtsinſtitute eben ſo
viel Grund vorhanden, als bey dem Eigenthum, die Schen-
kung als einen Beſtandtheil deſſelben zu behandeln. — Die
meiſten Neueren ſtellen die Schenkung unter die obligato-
riſchen Verträge (b); offenbar eben ſo einſeitig, da das
(a) Inst. II. 7. Dieſelbe Stel-
lung giebt ihr Hofacker § 987.
(b) Thibaut § 559. Heiſe
B. 3 § 207. Mühlenbruch § 440.
Mackeldey § 421.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/16>, abgerufen am 21.11.2024.
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