Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.§. 159. Schenkung. Einzelne Geschäfte. 4. Ganzes Vermögen. schenkte jede Schuldklage, deren Cession er ohnehin er-zwingen könnte, nun auch ohne wirkliche Cession, als uti- lis actio, anstellen kann (§ 157. t). Wichtiger aber ist die dritte Folge, daß der Beschenkte mit den Glaubigern des Gebers in gar keinem Rechtsverhältniß steht, folglich von diesen nicht belangt werden kann, während der Geber Nichts mehr hat, woraus er sie befriedigen könnte. Wenn hierüber bey der Schenkung selbst Nichts besonders aus- bedungen ist, so gilt die sehr natürliche Annahme, daß sich der Empfänger stillschweigend verpflichtet habe, alle Schul- den zu bezahlen, also den Geber gegen die Glaubiger zu vertreten (f). Diese Annahme ist die unmittelbare Folge des Begriffs vom Vermögen, welches hier den Gegenstand der Schenkung ausmacht; denn Vermögen heißt überall nur diejenige Summe von Rechten, welche dem Inhaber nach Abzug der Schulden übrig bleibt (g). Wie diese Ver- (f) L. 72 pr. de j. dot. (23. 3.). Die Stelle spricht nicht unmittel- bar von einer Schenkung, son- dern von einer Dotation, welche von der Frau durch ihr ganzes Vermögen geschieht. Davon heißt es, der Mann gelte nicht einem Erben gleich, könne also nicht von den Glaubigern verklagt werden; "sed non plus esse in promis- sione bonorum, quam quod su- perest deducto aere alieno." Allerdings ist nun die von der Frau bestellte Dos keine Schen- kung, allein das Verhältniß zu den Glaubigern ist ganz dasselbe. Denn eine promissio bonorum liegt in beiden Fällen zum Grun- de, und die Auslegung einer sol- chen promissio, die hier Paulus in Anwendung auf die Dos gel- tend macht, muß auch in Anwen- dung auf die Schenkung gelten. (g) L. 39 § 1 de V. S. (50.
16.), L. 69 ad L. Falc. (35. 2.), L. 11 de j. fisci (49. 14.), L. 8 § 4 C. de bon. quae lib. (6. 61.). -- Noch wird ausdrücklich be- merkt, daß hierin die Ausdrücke bona und res ganz gleiche Be- deutung haben. L. 43 de usu leg. (33. 2.). §. 159. Schenkung. Einzelne Geſchäfte. 4. Ganzes Vermögen. ſchenkte jede Schuldklage, deren Ceſſion er ohnehin er-zwingen könnte, nun auch ohne wirkliche Ceſſion, als uti- lis actio, anſtellen kann (§ 157. t). Wichtiger aber iſt die dritte Folge, daß der Beſchenkte mit den Glaubigern des Gebers in gar keinem Rechtsverhältniß ſteht, folglich von dieſen nicht belangt werden kann, während der Geber Nichts mehr hat, woraus er ſie befriedigen könnte. Wenn hierüber bey der Schenkung ſelbſt Nichts beſonders aus- bedungen iſt, ſo gilt die ſehr natürliche Annahme, daß ſich der Empfänger ſtillſchweigend verpflichtet habe, alle Schul- den zu bezahlen, alſo den Geber gegen die Glaubiger zu vertreten (f). Dieſe Annahme iſt die unmittelbare Folge des Begriffs vom Vermögen, welches hier den Gegenſtand der Schenkung ausmacht; denn Vermögen heißt überall nur diejenige Summe von Rechten, welche dem Inhaber nach Abzug der Schulden übrig bleibt (g). Wie dieſe Ver- (f) L. 72 pr. de j. dot. (23. 3.). Die Stelle ſpricht nicht unmittel- bar von einer Schenkung, ſon- dern von einer Dotation, welche von der Frau durch ihr ganzes Vermögen geſchieht. Davon heißt es, der Mann gelte nicht einem Erben gleich, könne alſo nicht von den Glaubigern verklagt werden; „sed non plus esse in promis- sione bonorum, quam quod su- perest deducto aere alieno.” Allerdings iſt nun die von der Frau beſtellte Dos keine Schen- kung, allein das Verhältniß zu den Glaubigern iſt ganz daſſelbe. Denn eine promissio bonorum liegt in beiden Fällen zum Grun- de, und die Auslegung einer ſol- chen promissio, die hier Paulus in Anwendung auf die Dos gel- tend macht, muß auch in Anwen- dung auf die Schenkung gelten. (g) L. 39 § 1 de V. S. (50.
16.), L. 69 ad L. Falc. (35. 2.), L. 11 de j. fisci (49. 14.), L. 8 § 4 C. de bon. quae lib. (6. 61.). — Noch wird ausdrücklich be- merkt, daß hierin die Ausdrücke bona und res ganz gleiche Be- deutung haben. L. 43 de usu leg. (33. 2.). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0151" n="137"/><fw place="top" type="header">§. 159. Schenkung. Einzelne Geſchäfte. 4. Ganzes Vermögen.</fw><lb/> ſchenkte jede Schuldklage, deren Ceſſion er ohnehin er-<lb/> zwingen könnte, nun auch ohne wirkliche Ceſſion, als <hi rendition="#aq">uti-<lb/> lis actio,</hi> anſtellen kann (§ 157. <hi rendition="#aq">t</hi>). Wichtiger aber iſt<lb/> die dritte Folge, daß der Beſchenkte mit den Glaubigern<lb/> des Gebers in gar keinem Rechtsverhältniß ſteht, folglich<lb/> von dieſen nicht belangt werden kann, während der Geber<lb/> Nichts mehr hat, woraus er ſie befriedigen könnte. Wenn<lb/> hierüber bey der Schenkung ſelbſt Nichts beſonders aus-<lb/> bedungen iſt, ſo gilt die ſehr natürliche Annahme, daß ſich<lb/> der Empfänger ſtillſchweigend verpflichtet habe, alle Schul-<lb/> den zu bezahlen, alſo den Geber gegen die Glaubiger zu<lb/> vertreten <note place="foot" n="(f)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 72 <hi rendition="#i">pr. de j. dot.</hi></hi> (23. 3.).<lb/> Die Stelle ſpricht nicht unmittel-<lb/> bar von einer Schenkung, ſon-<lb/> dern von einer Dotation, welche<lb/> von der Frau durch ihr ganzes<lb/> Vermögen geſchieht. Davon heißt<lb/> es, der Mann gelte nicht einem<lb/> Erben gleich, könne alſo nicht von<lb/> den Glaubigern verklagt werden;<lb/><hi rendition="#aq">„sed non plus esse <hi rendition="#i">in promis-<lb/> sione bonorum,</hi> quam quod su-<lb/> perest deducto aere alieno.”</hi><lb/> Allerdings iſt nun die von der<lb/> Frau beſtellte Dos keine Schen-<lb/> kung, allein das Verhältniß zu<lb/> den Glaubigern iſt ganz daſſelbe.<lb/> Denn eine <hi rendition="#aq">promissio bonorum</hi><lb/> liegt in beiden Fällen zum Grun-<lb/> de, und die Auslegung einer ſol-<lb/> chen <hi rendition="#aq">promissio,</hi> die hier Paulus<lb/> in Anwendung auf die Dos gel-<lb/> tend macht, muß auch in Anwen-<lb/> dung auf die Schenkung gelten.</note>. Dieſe Annahme iſt die unmittelbare Folge<lb/> des Begriffs vom Vermögen, welches hier den Gegenſtand<lb/> der Schenkung ausmacht; denn Vermögen heißt überall<lb/> nur diejenige Summe von Rechten, welche dem Inhaber<lb/> nach Abzug der Schulden übrig bleibt <note place="foot" n="(g)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 39 § 1 <hi rendition="#i">de V. S.</hi> (50.<lb/> 16.), <hi rendition="#i">L.</hi> 69 <hi rendition="#i">ad L. Falc.</hi> (35. 2.),<lb/><hi rendition="#i">L.</hi> 11 <hi rendition="#i">de j. fisci</hi> (49. 14.), <hi rendition="#i">L.</hi> 8<lb/> § 4 <hi rendition="#i">C. de bon. quae lib.</hi></hi> (6. 61.).<lb/> — Noch wird ausdrücklich be-<lb/> merkt, daß hierin die Ausdrücke<lb/><hi rendition="#aq">bona</hi> und <hi rendition="#aq">res</hi> ganz gleiche Be-<lb/> deutung haben. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 43 <hi rendition="#i">de usu<lb/> leg.</hi></hi> (33. 2.).</note>. Wie dieſe Ver-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [137/0151]
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zwingen könnte, nun auch ohne wirkliche Ceſſion, als uti-
lis actio, anſtellen kann (§ 157. t). Wichtiger aber iſt
die dritte Folge, daß der Beſchenkte mit den Glaubigern
des Gebers in gar keinem Rechtsverhältniß ſteht, folglich
von dieſen nicht belangt werden kann, während der Geber
Nichts mehr hat, woraus er ſie befriedigen könnte. Wenn
hierüber bey der Schenkung ſelbſt Nichts beſonders aus-
bedungen iſt, ſo gilt die ſehr natürliche Annahme, daß ſich
der Empfänger ſtillſchweigend verpflichtet habe, alle Schul-
den zu bezahlen, alſo den Geber gegen die Glaubiger zu
vertreten (f). Dieſe Annahme iſt die unmittelbare Folge
des Begriffs vom Vermögen, welches hier den Gegenſtand
der Schenkung ausmacht; denn Vermögen heißt überall
nur diejenige Summe von Rechten, welche dem Inhaber
nach Abzug der Schulden übrig bleibt (g). Wie dieſe Ver-
(f) L. 72 pr. de j. dot. (23. 3.).
Die Stelle ſpricht nicht unmittel-
bar von einer Schenkung, ſon-
dern von einer Dotation, welche
von der Frau durch ihr ganzes
Vermögen geſchieht. Davon heißt
es, der Mann gelte nicht einem
Erben gleich, könne alſo nicht von
den Glaubigern verklagt werden;
„sed non plus esse in promis-
sione bonorum, quam quod su-
perest deducto aere alieno.”
Allerdings iſt nun die von der
Frau beſtellte Dos keine Schen-
kung, allein das Verhältniß zu
den Glaubigern iſt ganz daſſelbe.
Denn eine promissio bonorum
liegt in beiden Fällen zum Grun-
de, und die Auslegung einer ſol-
chen promissio, die hier Paulus
in Anwendung auf die Dos gel-
tend macht, muß auch in Anwen-
dung auf die Schenkung gelten.
(g) L. 39 § 1 de V. S. (50.
16.), L. 69 ad L. Falc. (35. 2.),
L. 11 de j. fisci (49. 14.), L. 8
§ 4 C. de bon. quae lib. (6. 61.).
— Noch wird ausdrücklich be-
merkt, daß hierin die Ausdrücke
bona und res ganz gleiche Be-
deutung haben. L. 43 de usu
leg. (33. 2.).
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