Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
hente oder zwölfte Jahr als Pubertät allgemein gelten soll, ohne Beachtung individueller Zustände und Verschieden- heiten. Früher war diese einfache Bestimmung von Vie- len bestritten, und zwar namentlich für die Vierzehen Jahre des männlichen Geschlechts. Es fragt sich aber, und ist jetzt zu untersuchen, ob dieser Streit alle angege- bene Wirkungen der Pubertät, oder etwa nur eine dersel- ben, zum Gegenstand hatte; ferner, ob er sich auch auf die Zwölf Jahre des weiblichen Geschlechts erstreckte. Was nun diese letzte Frage betrifft, so kann gleich hier bemerkt werden, daß wir durch kein altes Zeugniß zu der An- nahme veranlaßt sind, als wären hier die Zwölf Jahre, als Gränze der Mündigkeit, jemals auch nur bezwei- felt worden.
I. Ich betrachte nunmehr genauer die erste und wich- tigste unter jenen drey Wirkungen, die eigene Herrschaft über das Vermögen, welche gleichbedeutend ist mit der Beendigung der Tutel; man kann dieselbe auch als die allgemeine Handlungsfähigkeit bezeichnen, im Gegensatz der beiden anderen, deren jede nur ein einzelnes Rechtsge- schäft zum Gegenstand hat.
Justinian sagt uns, in Beziehung auf das männliche Geschlecht, die Alten hätten außer den Jahren auch die Geschlechtsreife der Einzelnen geprüft; diese Untersuchung untersage er, als dem keuschen Sinn seiner Zeit widerstre- bend, weshalb ohne Unterschied der Individuen das Ende des vierzehenten Lebensjahres als Zeitpunkt der Pubertät
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
hente oder zwoͤlfte Jahr als Pubertät allgemein gelten ſoll, ohne Beachtung individueller Zuſtände und Verſchieden- heiten. Früher war dieſe einfache Beſtimmung von Vie- len beſtritten, und zwar namentlich für die Vierzehen Jahre des männlichen Geſchlechts. Es fragt ſich aber, und iſt jetzt zu unterſuchen, ob dieſer Streit alle angege- bene Wirkungen der Pubertät, oder etwa nur eine derſel- ben, zum Gegenſtand hatte; ferner, ob er ſich auch auf die Zwölf Jahre des weiblichen Geſchlechts erſtreckte. Was nun dieſe letzte Frage betrifft, ſo kann gleich hier bemerkt werden, daß wir durch kein altes Zeugniß zu der An- nahme veranlaßt ſind, als wären hier die Zwölf Jahre, als Gränze der Mündigkeit, jemals auch nur bezwei- felt worden.
I. Ich betrachte nunmehr genauer die erſte und wich- tigſte unter jenen drey Wirkungen, die eigene Herrſchaft über das Vermögen, welche gleichbedeutend iſt mit der Beendigung der Tutel; man kann dieſelbe auch als die allgemeine Handlungsfähigkeit bezeichnen, im Gegenſatz der beiden anderen, deren jede nur ein einzelnes Rechtsge- ſchäft zum Gegenſtand hat.
Juſtinian ſagt uns, in Beziehung auf das männliche Geſchlecht, die Alten hätten außer den Jahren auch die Geſchlechtsreife der Einzelnen geprüft; dieſe Unterſuchung unterſage er, als dem keuſchen Sinn ſeiner Zeit widerſtre- bend, weshalb ohne Unterſchied der Individuen das Ende des vierzehenten Lebensjahres als Zeitpunkt der Pubertät
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0068"n="56"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hirendition="#aq">III.</hi> Entſtehung und Untergang.</fw><lb/>
hente oder zwoͤlfte Jahr als Pubertät allgemein gelten ſoll,<lb/>
ohne Beachtung individueller Zuſtände und Verſchieden-<lb/>
heiten. Früher war dieſe einfache Beſtimmung von Vie-<lb/>
len beſtritten, und zwar namentlich für die Vierzehen<lb/>
Jahre des männlichen Geſchlechts. Es fragt ſich aber,<lb/>
und iſt jetzt zu unterſuchen, ob dieſer Streit alle angege-<lb/>
bene Wirkungen der Pubertät, oder etwa nur eine derſel-<lb/>
ben, zum Gegenſtand hatte; ferner, ob er ſich auch auf<lb/>
die Zwölf Jahre des weiblichen Geſchlechts erſtreckte. Was<lb/>
nun dieſe letzte Frage betrifft, ſo kann gleich hier bemerkt<lb/>
werden, daß wir durch kein altes Zeugniß zu der An-<lb/>
nahme veranlaßt ſind, als wären hier die Zwölf Jahre,<lb/>
als Gränze der Mündigkeit, jemals auch nur bezwei-<lb/>
felt worden.</p><lb/><p><hirendition="#aq">I.</hi> Ich betrachte nunmehr genauer die erſte und wich-<lb/>
tigſte unter jenen drey Wirkungen, die eigene Herrſchaft<lb/>
über das Vermögen, welche gleichbedeutend iſt mit der<lb/>
Beendigung der Tutel; man kann dieſelbe auch als die<lb/>
allgemeine Handlungsfähigkeit bezeichnen, im Gegenſatz der<lb/>
beiden anderen, deren jede nur ein einzelnes Rechtsge-<lb/>ſchäft zum Gegenſtand hat.</p><lb/><p>Juſtinian ſagt uns, in Beziehung auf das männliche<lb/>
Geſchlecht, die Alten hätten außer den Jahren auch die<lb/>
Geſchlechtsreife der Einzelnen geprüft; dieſe Unterſuchung<lb/>
unterſage er, als dem keuſchen Sinn ſeiner Zeit widerſtre-<lb/>
bend, weshalb ohne Unterſchied der Individuen das Ende<lb/>
des vierzehenten Lebensjahres als Zeitpunkt der Pubertät<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[56/0068]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
hente oder zwoͤlfte Jahr als Pubertät allgemein gelten ſoll,
ohne Beachtung individueller Zuſtände und Verſchieden-
heiten. Früher war dieſe einfache Beſtimmung von Vie-
len beſtritten, und zwar namentlich für die Vierzehen
Jahre des männlichen Geſchlechts. Es fragt ſich aber,
und iſt jetzt zu unterſuchen, ob dieſer Streit alle angege-
bene Wirkungen der Pubertät, oder etwa nur eine derſel-
ben, zum Gegenſtand hatte; ferner, ob er ſich auch auf
die Zwölf Jahre des weiblichen Geſchlechts erſtreckte. Was
nun dieſe letzte Frage betrifft, ſo kann gleich hier bemerkt
werden, daß wir durch kein altes Zeugniß zu der An-
nahme veranlaßt ſind, als wären hier die Zwölf Jahre,
als Gränze der Mündigkeit, jemals auch nur bezwei-
felt worden.
I. Ich betrachte nunmehr genauer die erſte und wich-
tigſte unter jenen drey Wirkungen, die eigene Herrſchaft
über das Vermögen, welche gleichbedeutend iſt mit der
Beendigung der Tutel; man kann dieſelbe auch als die
allgemeine Handlungsfähigkeit bezeichnen, im Gegenſatz der
beiden anderen, deren jede nur ein einzelnes Rechtsge-
ſchäft zum Gegenſtand hat.
Juſtinian ſagt uns, in Beziehung auf das männliche
Geſchlecht, die Alten hätten außer den Jahren auch die
Geſchlechtsreife der Einzelnen geprüft; dieſe Unterſuchung
unterſage er, als dem keuſchen Sinn ſeiner Zeit widerſtre-
bend, weshalb ohne Unterſchied der Individuen das Ende
des vierzehenten Lebensjahres als Zeitpunkt der Pubertät
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/68>, abgerufen am 24.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.