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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Beylage VIII.
kauf eines Grundstücks mit einem Verlust von mehr als
7/12 des Werthes. -- Der Rechtsirrthum wird nur in zwey
einzelnen Fällen nachtheiliger, als der factische, behan-
delt: bey dem gerichtlichen Geständniß (art. 1356), und
bey dem Vergleich (art. 2052. 2053). In allen übrigen
Fällen stehen beide Arten des Irrthums einander ganz
gleich. Namentlich zur condictio indebiti berechtigt jeder
Irrthum ohne Unterschied (art. 1235. 1376--1381), und
dieser allgemeine Ausdruck wird von den Auslegern und
in der Praxis so verstanden, daß auch der Rechtsirrthum
zur Klage berechtigt (c). Dieses Letzte ist bemerkenswerth,
da Pothier, dessen Lehrmeynungen sonst auf die Bestim-
mungen des Code überwiegenden Einfluß auszuüben pfle-
gen, für das Römische Recht den entgegengesetzten Grund-
satz vertheidigt (d).



Vergleicht man diese gesetzliche Bestimmungen in Be-
ziehung auf die condictio indebiti, so geben sie folgendes
merkwürdige Resultat. Das Römische und das Preußische
Recht lassen den Rechtsirrthum nicht zu, das Österreichi-
sche und das Französische lassen ihn zu. Und betrachtet
man diese letzte Bestimmung von dem legislativen Stand-
punkt aus, so liegt darin eigentlich die praktische Aner-

(c) Merlin Repertoire v. Igno-
rance § 1. Toullier droit ci-
vil T. 6 Num. 59--67 Num. 75.
T. 11 Num.
63.
(d) Pothier traites de bien-
faisance, Condictio indebiti
Num.
162. Anders freylich äu-
ßert sich derselbe an einem an-
dern Ort. Pandectae Justin.
XXII. 6. Num.
5.

Beylage VIII.
kauf eines Grundſtücks mit einem Verluſt von mehr als
7/12 des Werthes. — Der Rechtsirrthum wird nur in zwey
einzelnen Fällen nachtheiliger, als der factiſche, behan-
delt: bey dem gerichtlichen Geſtändniß (art. 1356), und
bey dem Vergleich (art. 2052. 2053). In allen übrigen
Fällen ſtehen beide Arten des Irrthums einander ganz
gleich. Namentlich zur condictio indebiti berechtigt jeder
Irrthum ohne Unterſchied (art. 1235. 1376—1381), und
dieſer allgemeine Ausdruck wird von den Auslegern und
in der Praxis ſo verſtanden, daß auch der Rechtsirrthum
zur Klage berechtigt (c). Dieſes Letzte iſt bemerkenswerth,
da Pothier, deſſen Lehrmeynungen ſonſt auf die Beſtim-
mungen des Code überwiegenden Einfluß auszuüben pfle-
gen, für das Roͤmiſche Recht den entgegengeſetzten Grund-
ſatz vertheidigt (d).



Vergleicht man dieſe geſetzliche Beſtimmungen in Be-
ziehung auf die condictio indebiti, ſo geben ſie folgendes
merkwürdige Reſultat. Das Römiſche und das Preußiſche
Recht laſſen den Rechtsirrthum nicht zu, das Öſterreichi-
ſche und das Franzöſiſche laſſen ihn zu. Und betrachtet
man dieſe letzte Beſtimmung von dem legislativen Stand-
punkt aus, ſo liegt darin eigentlich die praktiſche Aner-

(c) Merlin Répertoire v. Igno-
rance § 1. Toullier droit ci-
vil T. 6 Num. 59—67 Num. 75.
T. 11 Num.
63.
(d) Pothier traités de bien-
faisance, Condictio indebiti
Num.
162. Anders freylich äu-
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dern Ort. Pandectae Justin.
XXII. 6. Num.
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[472/0484] Beylage VIII. kauf eines Grundſtücks mit einem Verluſt von mehr als 7/12 des Werthes. — Der Rechtsirrthum wird nur in zwey einzelnen Fällen nachtheiliger, als der factiſche, behan- delt: bey dem gerichtlichen Geſtändniß (art. 1356), und bey dem Vergleich (art. 2052. 2053). In allen übrigen Fällen ſtehen beide Arten des Irrthums einander ganz gleich. Namentlich zur condictio indebiti berechtigt jeder Irrthum ohne Unterſchied (art. 1235. 1376—1381), und dieſer allgemeine Ausdruck wird von den Auslegern und in der Praxis ſo verſtanden, daß auch der Rechtsirrthum zur Klage berechtigt (c). Dieſes Letzte iſt bemerkenswerth, da Pothier, deſſen Lehrmeynungen ſonſt auf die Beſtim- mungen des Code überwiegenden Einfluß auszuüben pfle- gen, für das Roͤmiſche Recht den entgegengeſetzten Grund- ſatz vertheidigt (d). Vergleicht man dieſe geſetzliche Beſtimmungen in Be- ziehung auf die condictio indebiti, ſo geben ſie folgendes merkwürdige Reſultat. Das Römiſche und das Preußiſche Recht laſſen den Rechtsirrthum nicht zu, das Öſterreichi- ſche und das Franzöſiſche laſſen ihn zu. Und betrachtet man dieſe letzte Beſtimmung von dem legislativen Stand- punkt aus, ſo liegt darin eigentlich die praktiſche Aner- (c) Merlin Répertoire v. Igno- rance § 1. Toullier droit ci- vil T. 6 Num. 59—67 Num. 75. T. 11 Num. 63. (d) Pothier traités de bien- faisance, Condictio indebiti Num. 162. Anders freylich äu- ßert ſich derſelbe an einem an- dern Ort. Pandectae Justin. XXII. 6. Num. 5.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/484>, abgerufen am 27.11.2024.