Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.Irrthum und Unwissenheit. Regeln aufgestellt, die großentheils mit den RömischenGrundsätzen über den error in corpore u. s. w., jedoch mit manchen Erweiterungen, übereinstimmen. Dann aber wird ausdrücklich der wichtige Satz anerkannt, daß jeder andere Irrthum die Gültigkeit der Willenserklärung nicht aufhebe, namentlich nicht der Irrthum im Beweggrund, außer wenn der Gegner in dolo sey, oder das Geschäft eine blos lucrative Natur habe (§ 83. 148--150). Die- ses stimmt im Ganzen mit dem R. R. überein, nur die letzte Ausnahme enthält eine absichtliche und nicht zu tad- lende Abweichung von demselben. Endlich die condictio indebiti (I. 16) wird, so wie im Im Ganzen also wird hier die Rechtsunwissenheit mit (a) Ursprünglich hatte Suarez,
dem R. R. folgend, die condic- tio indebiti wegen jedes Rechts- irrthums schlechthin versagen wol- len. Dieses wurde späterhin ver- worfen, und die Condiction, dem Grundsatz nach, für jeden Irr- thum ohne Unterschied zugelassen. Jedoch ist diese geänderte Ansicht praktisch nicht erheblich. Denn da in der Regel ein Rechtsirrthum gar nicht als vorhanden angenom- men werden darf (L. R., Einlei- tung § 12. 13), so kann man sich auch zur Begründung der con- dictio indebiti auf denselben nicht berufen. Dieser Gedanke liegt zum Grunde bey L. R. I. 16 § 176. 184 Irrthum und Unwiſſenheit. Regeln aufgeſtellt, die großentheils mit den RömiſchenGrundſätzen über den error in corpore u. ſ. w., jedoch mit manchen Erweiterungen, übereinſtimmen. Dann aber wird ausdrücklich der wichtige Satz anerkannt, daß jeder andere Irrthum die Gültigkeit der Willenserklärung nicht aufhebe, namentlich nicht der Irrthum im Beweggrund, außer wenn der Gegner in dolo ſey, oder das Geſchäft eine blos lucrative Natur habe (§ 83. 148—150). Die- ſes ſtimmt im Ganzen mit dem R. R. überein, nur die letzte Ausnahme enthält eine abſichtliche und nicht zu tad- lende Abweichung von demſelben. Endlich die condictio indebiti (I. 16) wird, ſo wie im Im Ganzen alſo wird hier die Rechtsunwiſſenheit mit (a) Urſprünglich hatte Suarez,
dem R. R. folgend, die condic- tio indebiti wegen jedes Rechts- irrthums ſchlechthin verſagen wol- len. Dieſes wurde ſpäterhin ver- worfen, und die Condiction, dem Grundſatz nach, für jeden Irr- thum ohne Unterſchied zugelaſſen. Jedoch iſt dieſe geänderte Anſicht praktiſch nicht erheblich. Denn da in der Regel ein Rechtsirrthum gar nicht als vorhanden angenom- men werden darf (L. R., Einlei- tung § 12. 13), ſo kann man ſich auch zur Begründung der con- dictio indebiti auf denſelben nicht berufen. Dieſer Gedanke liegt zum Grunde bey L. R. I. 16 § 176. 184 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0481" n="469"/><fw place="top" type="header">Irrthum und Unwiſſenheit.</fw><lb/> Regeln aufgeſtellt, die großentheils mit den Römiſchen<lb/> Grundſätzen über den <hi rendition="#aq">error in corpore</hi> u. ſ. w., jedoch<lb/> mit manchen Erweiterungen, übereinſtimmen. Dann aber<lb/> wird ausdrücklich der wichtige Satz anerkannt, daß jeder<lb/> andere Irrthum die Gültigkeit der Willenserklärung nicht<lb/> aufhebe, namentlich nicht der Irrthum im Beweggrund,<lb/> außer wenn der Gegner <hi rendition="#aq">in dolo</hi> ſey, oder das Geſchäft<lb/> eine blos lucrative Natur habe (§ 83. 148—150). Die-<lb/> ſes ſtimmt im Ganzen mit dem R. R. überein, nur die<lb/> letzte Ausnahme enthält eine abſichtliche und nicht zu tad-<lb/> lende Abweichung von demſelben.</p><lb/> <p>Endlich die <hi rendition="#aq">condictio indebiti (I.</hi> 16) wird, ſo wie im<lb/> Römiſchen Recht, auf Irrthum des Zahlenden gegründet,<lb/> den Derſelbe zu beweiſen hat (§ 166. 178. 181). Ein Rechts-<lb/> irrthum aber iſt dazu deswegen nicht hinreichend, weil das<lb/> Daſeyn deſſelben in der Regel nicht angenommen werden<lb/> kann <note place="foot" n="(a)">Urſprünglich hatte Suarez,<lb/> dem R. R. folgend, die <hi rendition="#aq">condic-<lb/> tio indebiti</hi> wegen jedes Rechts-<lb/> irrthums ſchlechthin verſagen wol-<lb/> len. Dieſes wurde ſpäterhin ver-<lb/> worfen, und die Condiction, dem<lb/> Grundſatz nach, für jeden Irr-<lb/> thum ohne Unterſchied zugelaſſen.<lb/> Jedoch iſt dieſe geänderte Anſicht<lb/> praktiſch nicht erheblich. Denn da<lb/> in der Regel ein Rechtsirrthum<lb/> gar nicht als vorhanden angenom-<lb/> men werden darf (L. R., Einlei-<lb/> tung § 12. 13), ſo kann man ſich<lb/> auch zur Begründung der <hi rendition="#aq">con-<lb/> dictio indebiti</hi> auf denſelben nicht<lb/> berufen. Dieſer Gedanke liegt zum<lb/> Grunde bey L. R. <hi rendition="#aq">I.</hi> 16 § 176. 184</note>. Nur der Dolus des Gegners erſetzt jede an-<lb/> dere fehlende Bedingung (§ 167).</p><lb/> <p>Im Ganzen alſo wird hier die Rechtsunwiſſenheit mit<lb/> noch weniger Nachſicht, als im Römiſchen Recht, behan-<lb/> delt, obgleich unſer heutiger Rechtszuſtand eine mildere<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [469/0481]
Irrthum und Unwiſſenheit.
Regeln aufgeſtellt, die großentheils mit den Römiſchen
Grundſätzen über den error in corpore u. ſ. w., jedoch
mit manchen Erweiterungen, übereinſtimmen. Dann aber
wird ausdrücklich der wichtige Satz anerkannt, daß jeder
andere Irrthum die Gültigkeit der Willenserklärung nicht
aufhebe, namentlich nicht der Irrthum im Beweggrund,
außer wenn der Gegner in dolo ſey, oder das Geſchäft
eine blos lucrative Natur habe (§ 83. 148—150). Die-
ſes ſtimmt im Ganzen mit dem R. R. überein, nur die
letzte Ausnahme enthält eine abſichtliche und nicht zu tad-
lende Abweichung von demſelben.
Endlich die condictio indebiti (I. 16) wird, ſo wie im
Römiſchen Recht, auf Irrthum des Zahlenden gegründet,
den Derſelbe zu beweiſen hat (§ 166. 178. 181). Ein Rechts-
irrthum aber iſt dazu deswegen nicht hinreichend, weil das
Daſeyn deſſelben in der Regel nicht angenommen werden
kann (a). Nur der Dolus des Gegners erſetzt jede an-
dere fehlende Bedingung (§ 167).
Im Ganzen alſo wird hier die Rechtsunwiſſenheit mit
noch weniger Nachſicht, als im Römiſchen Recht, behan-
delt, obgleich unſer heutiger Rechtszuſtand eine mildere
(a) Urſprünglich hatte Suarez,
dem R. R. folgend, die condic-
tio indebiti wegen jedes Rechts-
irrthums ſchlechthin verſagen wol-
len. Dieſes wurde ſpäterhin ver-
worfen, und die Condiction, dem
Grundſatz nach, für jeden Irr-
thum ohne Unterſchied zugelaſſen.
Jedoch iſt dieſe geänderte Anſicht
praktiſch nicht erheblich. Denn da
in der Regel ein Rechtsirrthum
gar nicht als vorhanden angenom-
men werden darf (L. R., Einlei-
tung § 12. 13), ſo kann man ſich
auch zur Begründung der con-
dictio indebiti auf denſelben nicht
berufen. Dieſer Gedanke liegt zum
Grunde bey L. R. I. 16 § 176. 184
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