Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.Beylage VIII. gefunden werden kann, dieses aber allerdings in Rescriptenbedenklicher als in anderen Stellen ist. Es wäre also denkbar, daß die Kaiser in diesen vier Stellen die Zuläs- sigkeit des factischen Irrthums ausgesprochen hätten, ohne dabey als Gegensatz die Unzulässigkeit des Rechtsirrthums andeuten zu wollen. Allein wahrscheinlich ist dieses doch nicht, weil sonst überall der Gegensatz beider Arten des Irrthums in der Art vorkommt, daß der eine hilft, der andere nicht hilft. Wer also in irgend einer Anwendung die helfende Natur des factischen Irrthums ausspricht (wie es in jenen vier Stellen geschieht), der wird dabey so nothwendig an die nichthelfende Natur des Rechtsirrthums erinnert, daß er es fast unvermeidlich ausdrücken müßte, wenn er sie nicht anerkennen wollte. -- Allein selbst jener schwache Schein verschwindet bey der ersten der abgedruck- ten Stellen. Diese sagt auf das Bestimmteste: der facti- sche Irrthum hilft zur condictio indebiti, der Rechtsirr- thum hilft dazu nicht. Was sagt nun dagegen Mühlen- bruch? Nichts, als es sey ein Rescript, und es könne irgend Etwas dabey gestanden haben, wodurch die ausge- sprochene Regel beschränkt, oder eigentlich vernichtet werde. Doch nein: er giebt sogar an, was daneben gestanden haben werde, nämlich ein Fall von der Falcidischen Quart. Aber erstlich ist dieses eine rein willkührliche Zuthat, und zweytens führt es ihn gar nicht einmal zu seinem Zweck, wie sich sogleich bey der folgenden Stelle zeigen wird. Und heißt denn das überhaupt interpretiren? Die Römer Beylage VIII. gefunden werden kann, dieſes aber allerdings in Reſcriptenbedenklicher als in anderen Stellen iſt. Es wäre alſo denkbar, daß die Kaiſer in dieſen vier Stellen die Zuläſ- ſigkeit des factiſchen Irrthums ausgeſprochen hätten, ohne dabey als Gegenſatz die Unzuläſſigkeit des Rechtsirrthums andeuten zu wollen. Allein wahrſcheinlich iſt dieſes doch nicht, weil ſonſt überall der Gegenſatz beider Arten des Irrthums in der Art vorkommt, daß der eine hilft, der andere nicht hilft. Wer alſo in irgend einer Anwendung die helfende Natur des factiſchen Irrthums ausſpricht (wie es in jenen vier Stellen geſchieht), der wird dabey ſo nothwendig an die nichthelfende Natur des Rechtsirrthums erinnert, daß er es faſt unvermeidlich ausdrücken müßte, wenn er ſie nicht anerkennen wollte. — Allein ſelbſt jener ſchwache Schein verſchwindet bey der erſten der abgedruck- ten Stellen. Dieſe ſagt auf das Beſtimmteſte: der facti- ſche Irrthum hilft zur condictio indebiti, der Rechtsirr- thum hilft dazu nicht. Was ſagt nun dagegen Mühlen- bruch? Nichts, als es ſey ein Reſcript, und es könne irgend Etwas dabey geſtanden haben, wodurch die ausge- ſprochene Regel beſchränkt, oder eigentlich vernichtet werde. Doch nein: er giebt ſogar an, was daneben geſtanden haben werde, nämlich ein Fall von der Falcidiſchen Quart. Aber erſtlich iſt dieſes eine rein willkührliche Zuthat, und zweytens führt es ihn gar nicht einmal zu ſeinem Zweck, wie ſich ſogleich bey der folgenden Stelle zeigen wird. Und heißt denn das überhaupt interpretiren? Die Römer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0468" n="456"/><fw place="top" type="header">Beylage <hi rendition="#aq">VIII.</hi></fw><lb/> gefunden werden kann, dieſes aber allerdings in Reſcripten<lb/> bedenklicher als in anderen Stellen iſt. Es wäre alſo<lb/> denkbar, daß die Kaiſer in dieſen vier Stellen die Zuläſ-<lb/> ſigkeit des factiſchen Irrthums ausgeſprochen hätten, ohne<lb/> dabey als Gegenſatz die Unzuläſſigkeit des Rechtsirrthums<lb/> andeuten zu wollen. Allein wahrſcheinlich iſt dieſes doch<lb/> nicht, weil ſonſt überall der Gegenſatz beider Arten des<lb/> Irrthums in der Art vorkommt, daß der eine hilft, der<lb/> andere nicht hilft. 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Beylage VIII.
gefunden werden kann, dieſes aber allerdings in Reſcripten
bedenklicher als in anderen Stellen iſt. Es wäre alſo
denkbar, daß die Kaiſer in dieſen vier Stellen die Zuläſ-
ſigkeit des factiſchen Irrthums ausgeſprochen hätten, ohne
dabey als Gegenſatz die Unzuläſſigkeit des Rechtsirrthums
andeuten zu wollen. Allein wahrſcheinlich iſt dieſes doch
nicht, weil ſonſt überall der Gegenſatz beider Arten des
Irrthums in der Art vorkommt, daß der eine hilft, der
andere nicht hilft. Wer alſo in irgend einer Anwendung
die helfende Natur des factiſchen Irrthums ausſpricht (wie
es in jenen vier Stellen geſchieht), der wird dabey ſo
nothwendig an die nichthelfende Natur des Rechtsirrthums
erinnert, daß er es faſt unvermeidlich ausdrücken müßte,
wenn er ſie nicht anerkennen wollte. — Allein ſelbſt jener
ſchwache Schein verſchwindet bey der erſten der abgedruck-
ten Stellen. Dieſe ſagt auf das Beſtimmteſte: der facti-
ſche Irrthum hilft zur condictio indebiti, der Rechtsirr-
thum hilft dazu nicht. Was ſagt nun dagegen Mühlen-
bruch? Nichts, als es ſey ein Reſcript, und es könne
irgend Etwas dabey geſtanden haben, wodurch die ausge-
ſprochene Regel beſchränkt, oder eigentlich vernichtet werde.
Doch nein: er giebt ſogar an, was daneben geſtanden
haben werde, nämlich ein Fall von der Falcidiſchen Quart.
Aber erſtlich iſt dieſes eine rein willkührliche Zuthat, und
zweytens führt es ihn gar nicht einmal zu ſeinem Zweck,
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