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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Irrthum und Unwissenheit.
controversen, als bey dem partikulären Recht vorzugs-
weise der Fall seyn wird; denn in diesen Fällen führt selbst
die Erkundigung bey Rechtsverständigen oft zu keinem sichern
Erfolg, wodurch also der Rechtsirrthum, wo er sich zeigt,
zu einem unverschuldeten wird (Num. IV.). Dieses wird
häufiger in unsrem heutigen Rechtszustand eintreten, aber
auch bey den Römern fehlt es nicht an Beyspielen eines
Rechtsirrthums, bey welchem nach diesem Grundsatz die
condictio indebiti zugelassen werden mußte. So z. B.
wenn der Erbe ein unter unmöglicher Bedingung aufer-
legtes Damnationslegat auszahlte (c), oder wenn der Kauf
auf die Bestimmung des Kaufpreises durch eine dritte Per-
son geschlossen war, und nun der Käufer das Geld aus-
zahlte (d). Denn in diesen beiden Fällen war vor Justi-
nian die Gültigkeit der Obligation controvers, und es
konnte daher von keiner Seite der etwa vorhandene Rechts-
irrthum als ein verschuldeter, leicht zu vermeidender, an-
gesehen werden. -- Ferner darf auch der aufgestellte Satz
nicht zur Anwendung kommen, da wo nicht der Irrthum
als solcher, sondern etwas außer ihm Liegendes, das Über-
wiegende ist. Dieser Fall tritt ein, wenn der Empfänger
den Irrthum veranlaßt hat oder wenigstens wissentlich dul-
det (Num. V.). Hier gilt der Empfang des Geldes so-
gar als wahrer Diebstahl (e), wobey es natürlich keinen

(c) Gajus Lib. 3 § 98.
(d) Gajus Lib. 3 § 140.
(e) L. 18 de condict. furtiva
(13. 1.). ".... furtum fit, cum
quis indebitos numos sciens ac-
ceperit"
...
III. 29

Irrthum und Unwiſſenheit.
controverſen, als bey dem partikulären Recht vorzugs-
weiſe der Fall ſeyn wird; denn in dieſen Fällen führt ſelbſt
die Erkundigung bey Rechtsverſtändigen oft zu keinem ſichern
Erfolg, wodurch alſo der Rechtsirrthum, wo er ſich zeigt,
zu einem unverſchuldeten wird (Num. IV.). Dieſes wird
häufiger in unſrem heutigen Rechtszuſtand eintreten, aber
auch bey den Römern fehlt es nicht an Beyſpielen eines
Rechtsirrthums, bey welchem nach dieſem Grundſatz die
condictio indebiti zugelaſſen werden mußte. So z. B.
wenn der Erbe ein unter unmöglicher Bedingung aufer-
legtes Damnationslegat auszahlte (c), oder wenn der Kauf
auf die Beſtimmung des Kaufpreiſes durch eine dritte Per-
ſon geſchloſſen war, und nun der Käufer das Geld aus-
zahlte (d). Denn in dieſen beiden Fällen war vor Juſti-
nian die Gültigkeit der Obligation controvers, und es
konnte daher von keiner Seite der etwa vorhandene Rechts-
irrthum als ein verſchuldeter, leicht zu vermeidender, an-
geſehen werden. — Ferner darf auch der aufgeſtellte Satz
nicht zur Anwendung kommen, da wo nicht der Irrthum
als ſolcher, ſondern etwas außer ihm Liegendes, das Über-
wiegende iſt. Dieſer Fall tritt ein, wenn der Empfänger
den Irrthum veranlaßt hat oder wenigſtens wiſſentlich dul-
det (Num. V.). Hier gilt der Empfang des Geldes ſo-
gar als wahrer Diebſtahl (e), wobey es natürlich keinen

(c) Gajus Lib. 3 § 98.
(d) Gajus Lib. 3 § 140.
(e) L. 18 de condict. furtiva
(13. 1.). „.... furtum fit, cum
quis indebitos numos sciens ac-
ceperit”
III. 29
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[449/0461] Irrthum und Unwiſſenheit. controverſen, als bey dem partikulären Recht vorzugs- weiſe der Fall ſeyn wird; denn in dieſen Fällen führt ſelbſt die Erkundigung bey Rechtsverſtändigen oft zu keinem ſichern Erfolg, wodurch alſo der Rechtsirrthum, wo er ſich zeigt, zu einem unverſchuldeten wird (Num. IV.). Dieſes wird häufiger in unſrem heutigen Rechtszuſtand eintreten, aber auch bey den Römern fehlt es nicht an Beyſpielen eines Rechtsirrthums, bey welchem nach dieſem Grundſatz die condictio indebiti zugelaſſen werden mußte. So z. B. wenn der Erbe ein unter unmöglicher Bedingung aufer- legtes Damnationslegat auszahlte (c), oder wenn der Kauf auf die Beſtimmung des Kaufpreiſes durch eine dritte Per- ſon geſchloſſen war, und nun der Käufer das Geld aus- zahlte (d). Denn in dieſen beiden Fällen war vor Juſti- nian die Gültigkeit der Obligation controvers, und es konnte daher von keiner Seite der etwa vorhandene Rechts- irrthum als ein verſchuldeter, leicht zu vermeidender, an- geſehen werden. — Ferner darf auch der aufgeſtellte Satz nicht zur Anwendung kommen, da wo nicht der Irrthum als ſolcher, ſondern etwas außer ihm Liegendes, das Über- wiegende iſt. Dieſer Fall tritt ein, wenn der Empfänger den Irrthum veranlaßt hat oder wenigſtens wiſſentlich dul- det (Num. V.). Hier gilt der Empfang des Geldes ſo- gar als wahrer Diebſtahl (e), wobey es natürlich keinen (c) Gajus Lib. 3 § 98. (d) Gajus Lib. 3 § 140. (e) L. 18 de condict. furtiva (13. 1.). „.... furtum fit, cum quis indebitos numos sciens ac- ceperit” … III. 29

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/461>, abgerufen am 27.11.2024.