Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Irrthum und Unwissenheit.
Inventarium freylich sind kurze Fristen vorgeschrieben; aber
von der Beobachtung dieser Fristen sind wieder die Sol-
daten dispensirt (f).

Bey Strafgesetzen genießen sie keine allgemeine Be-
freyung. Ein Soldat, der in ein ihm dictirtes Testament
eine Verfügung zu seinem Vortheil aufnahm, erhielt Frey-
heit von der Strafe (Num. XXI. Note p).

Über diese einzelnen Fälle hinaus zu gehen, ist selbst
im Justinianischen Recht kein Grund vorhanden. Für das
heutige Recht aber müssen wir die Unanwendbarkeit auch
dieser Bestimmungen behaupten, da sie sich auf die Stel-
lung der Soldaten als eines eigenen Standes bezieht, die
zu den Staatseinrichtungen, also zum öffentlichen Rechte,
gehört (g).



Fassen wir die hier dargestellten Klassen von Perso-
nen (Num. XXX -- XXXIII.) unter einen gemeinsamen Ge-
sichtspunkt zusammen, so finden wir, daß ihnen allen mehr
als gewöhnlich die Rechtsunwissenheit nachgesehen, das
heißt daß sie zu ihrem Vortheil der factischen Unwissenheit
gleich behandelt wird; jedoch dieses wieder in verschiede-
nen Graden, so daß sich eine durchgreifende praktische Re-

(f) L. 22 § 15 C. de j. delib.
(6. 30.).
(g) Anders ist es mit dem Mi-
litärtestament, wobey nicht blos
der Stand als solcher, sondern
auch die Handlung unter beson-
deren Umständen, in Betracht
kommt, welche Umstände in un-
srer Zeit dieselben sind wie bey
den Römern. Ohnehin ist diese
Testamentsform in den Deut-
schen Reichsgesetzen ausdrücklich
anerkannt.

Irrthum und Unwiſſenheit.
Inventarium freylich ſind kurze Friſten vorgeſchrieben; aber
von der Beobachtung dieſer Friſten ſind wieder die Sol-
daten dispenſirt (f).

Bey Strafgeſetzen genießen ſie keine allgemeine Be-
freyung. Ein Soldat, der in ein ihm dictirtes Teſtament
eine Verfügung zu ſeinem Vortheil aufnahm, erhielt Frey-
heit von der Strafe (Num. XXI. Note p).

Über dieſe einzelnen Fälle hinaus zu gehen, iſt ſelbſt
im Juſtinianiſchen Recht kein Grund vorhanden. Für das
heutige Recht aber müſſen wir die Unanwendbarkeit auch
dieſer Beſtimmungen behaupten, da ſie ſich auf die Stel-
lung der Soldaten als eines eigenen Standes bezieht, die
zu den Staatseinrichtungen, alſo zum öffentlichen Rechte,
gehört (g).



Faſſen wir die hier dargeſtellten Klaſſen von Perſo-
nen (Num. XXX — XXXIII.) unter einen gemeinſamen Ge-
ſichtspunkt zuſammen, ſo finden wir, daß ihnen allen mehr
als gewöhnlich die Rechtsunwiſſenheit nachgeſehen, das
heißt daß ſie zu ihrem Vortheil der factiſchen Unwiſſenheit
gleich behandelt wird; jedoch dieſes wieder in verſchiede-
nen Graden, ſo daß ſich eine durchgreifende praktiſche Re-

(f) L. 22 § 15 C. de j. delib.
(6. 30.).
(g) Anders iſt es mit dem Mi-
litärteſtament, wobey nicht blos
der Stand als ſolcher, ſondern
auch die Handlung unter beſon-
deren Umſtänden, in Betracht
kommt, welche Umſtände in un-
ſrer Zeit dieſelben ſind wie bey
den Römern. Ohnehin iſt dieſe
Teſtamentsform in den Deut-
ſchen Reichsgeſetzen ausdrücklich
anerkannt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0451" n="439"/><fw place="top" type="header">Irrthum und Unwi&#x017F;&#x017F;enheit.</fw><lb/>
Inventarium freylich &#x017F;ind kurze Fri&#x017F;ten vorge&#x017F;chrieben; aber<lb/>
von der Beobachtung die&#x017F;er Fri&#x017F;ten &#x017F;ind wieder die Sol-<lb/>
daten dispen&#x017F;irt <note place="foot" n="(f)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 22 § 15 <hi rendition="#i">C. de j. delib.</hi></hi><lb/>
(6. 30.).</note>.</p><lb/>
          <p>Bey Strafge&#x017F;etzen genießen &#x017F;ie keine allgemeine Be-<lb/>
freyung. Ein Soldat, der in ein ihm dictirtes Te&#x017F;tament<lb/>
eine Verfügung zu &#x017F;einem Vortheil aufnahm, erhielt Frey-<lb/>
heit von der Strafe (Num. <hi rendition="#aq">XXI.</hi> Note <hi rendition="#aq">p</hi>).</p><lb/>
          <p>Über die&#x017F;e einzelnen Fälle hinaus zu gehen, i&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
im Ju&#x017F;tiniani&#x017F;chen Recht kein Grund vorhanden. Für das<lb/>
heutige Recht aber mü&#x017F;&#x017F;en wir die Unanwendbarkeit auch<lb/>
die&#x017F;er Be&#x017F;timmungen behaupten, da &#x017F;ie &#x017F;ich auf die Stel-<lb/>
lung der Soldaten als eines eigenen Standes bezieht, die<lb/>
zu den Staatseinrichtungen, al&#x017F;o zum öffentlichen Rechte,<lb/>
gehört <note place="foot" n="(g)">Anders i&#x017F;t es mit dem Mi-<lb/>
litärte&#x017F;tament, wobey nicht blos<lb/>
der Stand als &#x017F;olcher, &#x017F;ondern<lb/>
auch die Handlung unter be&#x017F;on-<lb/>
deren Um&#x017F;tänden, in Betracht<lb/>
kommt, welche Um&#x017F;tände in un-<lb/>
&#x017F;rer Zeit die&#x017F;elben &#x017F;ind wie bey<lb/>
den Römern. Ohnehin i&#x017F;t die&#x017F;e<lb/>
Te&#x017F;tamentsform in den Deut-<lb/>
&#x017F;chen Reichsge&#x017F;etzen ausdrücklich<lb/>
anerkannt.</note>.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Fa&#x017F;&#x017F;en wir die hier darge&#x017F;tellten Kla&#x017F;&#x017F;en von Per&#x017F;o-<lb/>
nen (Num. <hi rendition="#aq">XXX &#x2014; XXXIII.</hi>) unter einen gemein&#x017F;amen Ge-<lb/>
&#x017F;ichtspunkt zu&#x017F;ammen, &#x017F;o finden wir, daß ihnen allen mehr<lb/>
als gewöhnlich die Rechtsunwi&#x017F;&#x017F;enheit nachge&#x017F;ehen, das<lb/>
heißt daß &#x017F;ie zu ihrem Vortheil der facti&#x017F;chen Unwi&#x017F;&#x017F;enheit<lb/>
gleich behandelt wird; jedoch die&#x017F;es wieder in ver&#x017F;chiede-<lb/>
nen Graden, &#x017F;o daß &#x017F;ich eine durchgreifende prakti&#x017F;che Re-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[439/0451] Irrthum und Unwiſſenheit. Inventarium freylich ſind kurze Friſten vorgeſchrieben; aber von der Beobachtung dieſer Friſten ſind wieder die Sol- daten dispenſirt (f). Bey Strafgeſetzen genießen ſie keine allgemeine Be- freyung. Ein Soldat, der in ein ihm dictirtes Teſtament eine Verfügung zu ſeinem Vortheil aufnahm, erhielt Frey- heit von der Strafe (Num. XXI. Note p). Über dieſe einzelnen Fälle hinaus zu gehen, iſt ſelbſt im Juſtinianiſchen Recht kein Grund vorhanden. Für das heutige Recht aber müſſen wir die Unanwendbarkeit auch dieſer Beſtimmungen behaupten, da ſie ſich auf die Stel- lung der Soldaten als eines eigenen Standes bezieht, die zu den Staatseinrichtungen, alſo zum öffentlichen Rechte, gehört (g). Faſſen wir die hier dargeſtellten Klaſſen von Perſo- nen (Num. XXX — XXXIII.) unter einen gemeinſamen Ge- ſichtspunkt zuſammen, ſo finden wir, daß ihnen allen mehr als gewöhnlich die Rechtsunwiſſenheit nachgeſehen, das heißt daß ſie zu ihrem Vortheil der factiſchen Unwiſſenheit gleich behandelt wird; jedoch dieſes wieder in verſchiede- nen Graden, ſo daß ſich eine durchgreifende praktiſche Re- (f) L. 22 § 15 C. de j. delib. (6. 30.). (g) Anders iſt es mit dem Mi- litärteſtament, wobey nicht blos der Stand als ſolcher, ſondern auch die Handlung unter beſon- deren Umſtänden, in Betracht kommt, welche Umſtände in un- ſrer Zeit dieſelben ſind wie bey den Römern. Ohnehin iſt dieſe Teſtamentsform in den Deut- ſchen Reichsgeſetzen ausdrücklich anerkannt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/451
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/451>, abgerufen am 22.11.2024.