Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.Irrthum und Unwissenheit. Wirkung nicht hervorbringe (c). -- Jeder andere Irrthumdagegen kann dem antretenden Erben nicht zu gut kommen. Insbesondere nicht der vorzüglich wichtige Irrthum über den reinen Werth des erbschaftlichen Vermögens. In einem solchen Fall gab einmal Hadrian, aus durchgreifender Bil- ligkeit, dem irrenden Erben Restitution: Gordian erhob die- selbe bey Soldaten zu einer allgemeinen Rechtsregel: Ju- stinian aber machte jede Hülfe dieser Art auf einem andern Wege entbehrlich, indem er jeden Erben, der ein Inventa- rium macht, von allem Überschuß der Schulden über das active Erbschaftsvermögen befreyte. Jetzt fällt also auch jene Restitution des irrenden Erben als überflüssig im All- gemeinen hinweg, und ist nur wieder dem Soldaten, der das Inventarium versäumt, vorbehalten (d); in diesem Fall aber betrifft sie nicht mehr, wie früher, die unvor- sichtige Handlung, sondern die bloße Unterlassung. Die Richtigkeit dieser Behauptung, daß jeder andere Irrthum (c) L. 2 C. h. t. (d) Gajus Lib. 2 § 163, § 5. 6
J. de hered. qualit. (2. 19.). Die im Text enthaltenen Sätze stellen den wahren Sinn und Zusammenhang der Institutionen- stelle dar. Es ist also irrig, wenn Manche glauben, es gelte noch außer und neben dem beneficium inventarii eine allgemeine Resti- tution des unvorsichtig antreten- den Erben. (So Burchardi Wiedereinsetzung S. 388). Aller- dings wollte Justinian, wie er ausdrücklich sagt, dem berufenen Erben gründlicher helfen, als es Hadrian und Gordian gethan hatten: nur nicht durch Erweite- rung der Restitution, sondern durch ein ganz anderes Mittel. In Justinians Sinn müssen wir sagen: entweder hat der Erbe ein Inventarium gemacht, dann braucht er keine Restitution; oder er hat es unterlassen, dann ver- dient er sie nicht. Der Soldat freylich sollte auch durch diese Unterlassung nicht leiden (Num. XXXIII.). Irrthum und Unwiſſenheit. Wirkung nicht hervorbringe (c). — Jeder andere Irrthumdagegen kann dem antretenden Erben nicht zu gut kommen. Insbeſondere nicht der vorzüglich wichtige Irrthum über den reinen Werth des erbſchaftlichen Vermögens. In einem ſolchen Fall gab einmal Hadrian, aus durchgreifender Bil- ligkeit, dem irrenden Erben Reſtitution: Gordian erhob die- ſelbe bey Soldaten zu einer allgemeinen Rechtsregel: Ju- ſtinian aber machte jede Hülfe dieſer Art auf einem andern Wege entbehrlich, indem er jeden Erben, der ein Inventa- rium macht, von allem Überſchuß der Schulden über das active Erbſchaftsvermögen befreyte. Jetzt fällt alſo auch jene Reſtitution des irrenden Erben als überflüſſig im All- gemeinen hinweg, und iſt nur wieder dem Soldaten, der das Inventarium verſäumt, vorbehalten (d); in dieſem Fall aber betrifft ſie nicht mehr, wie früher, die unvor- ſichtige Handlung, ſondern die bloße Unterlaſſung. Die Richtigkeit dieſer Behauptung, daß jeder andere Irrthum (c) L. 2 C. h. t. (d) Gajus Lib. 2 § 163, § 5. 6
J. de hered. qualit. (2. 19.). Die im Text enthaltenen Sätze ſtellen den wahren Sinn und Zuſammenhang der Inſtitutionen- ſtelle dar. Es iſt alſo irrig, wenn Manche glauben, es gelte noch außer und neben dem beneficium inventarii eine allgemeine Reſti- tution des unvorſichtig antreten- den Erben. (So Burchardi Wiedereinſetzung S. 388). Aller- dings wollte Juſtinian, wie er ausdrücklich ſagt, dem berufenen Erben gründlicher helfen, als es Hadrian und Gordian gethan hatten: nur nicht durch Erweite- rung der Reſtitution, ſondern durch ein ganz anderes Mittel. In Juſtinians Sinn müſſen wir ſagen: entweder hat der Erbe ein Inventarium gemacht, dann braucht er keine Reſtitution; oder er hat es unterlaſſen, dann ver- dient er ſie nicht. Der Soldat freylich ſollte auch durch dieſe Unterlaſſung nicht leiden (Num. XXXIII.). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0395" n="383"/><fw place="top" type="header">Irrthum und Unwiſſenheit.</fw><lb/> Wirkung nicht hervorbringe <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 2 <hi rendition="#i">C. h. t.</hi></hi></note>. — Jeder andere Irrthum<lb/> dagegen kann dem antretenden Erben nicht zu gut kommen.<lb/> Insbeſondere nicht der vorzüglich wichtige Irrthum über<lb/> den reinen Werth des erbſchaftlichen Vermögens. In einem<lb/> ſolchen Fall gab einmal Hadrian, aus durchgreifender Bil-<lb/> ligkeit, dem irrenden Erben Reſtitution: Gordian erhob die-<lb/> ſelbe bey Soldaten zu einer allgemeinen Rechtsregel: Ju-<lb/> ſtinian aber machte jede Hülfe dieſer Art auf einem andern<lb/> Wege entbehrlich, indem er jeden Erben, der ein Inventa-<lb/> rium macht, von allem Überſchuß der Schulden über das<lb/> active Erbſchaftsvermögen befreyte. Jetzt fällt alſo auch<lb/> jene Reſtitution des irrenden Erben als überflüſſig im All-<lb/> gemeinen hinweg, und iſt nur wieder dem Soldaten, der<lb/> das Inventarium verſäumt, vorbehalten <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Gajus</hi> Lib. 2 § 163, § 5. 6<lb/><hi rendition="#i">J. de hered. qualit.</hi> (2. 19.).</hi><lb/> Die im Text enthaltenen Sätze<lb/> ſtellen den wahren Sinn und<lb/> Zuſammenhang der Inſtitutionen-<lb/> ſtelle dar. Es iſt alſo irrig, wenn<lb/> Manche glauben, es gelte noch<lb/> außer und neben dem <hi rendition="#aq">beneficium<lb/> inventarii</hi> eine allgemeine Reſti-<lb/> tution des unvorſichtig antreten-<lb/> den Erben. (So <hi rendition="#g">Burchardi</hi><lb/> Wiedereinſetzung S. 388). Aller-<lb/> dings wollte Juſtinian, wie er<lb/> ausdrücklich ſagt, dem berufenen<lb/> Erben gründlicher helfen, als es<lb/> Hadrian und Gordian gethan<lb/> hatten: nur nicht durch Erweite-<lb/> rung der Reſtitution, ſondern<lb/> durch ein ganz anderes Mittel.<lb/> In Juſtinians Sinn müſſen wir<lb/> ſagen: entweder hat der Erbe<lb/> ein Inventarium gemacht, dann<lb/> braucht er keine Reſtitution; oder<lb/> er hat es unterlaſſen, dann ver-<lb/> dient er ſie nicht. Der Soldat<lb/> freylich ſollte auch durch dieſe<lb/> Unterlaſſung nicht leiden (Num.<lb/><hi rendition="#aq">XXXIII.</hi>).</note>; in dieſem<lb/> Fall aber betrifft ſie nicht mehr, wie früher, die unvor-<lb/> ſichtige Handlung, ſondern die bloße Unterlaſſung. Die<lb/> Richtigkeit dieſer Behauptung, daß jeder andere Irrthum<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [383/0395]
Irrthum und Unwiſſenheit.
Wirkung nicht hervorbringe (c). — Jeder andere Irrthum
dagegen kann dem antretenden Erben nicht zu gut kommen.
Insbeſondere nicht der vorzüglich wichtige Irrthum über
den reinen Werth des erbſchaftlichen Vermögens. In einem
ſolchen Fall gab einmal Hadrian, aus durchgreifender Bil-
ligkeit, dem irrenden Erben Reſtitution: Gordian erhob die-
ſelbe bey Soldaten zu einer allgemeinen Rechtsregel: Ju-
ſtinian aber machte jede Hülfe dieſer Art auf einem andern
Wege entbehrlich, indem er jeden Erben, der ein Inventa-
rium macht, von allem Überſchuß der Schulden über das
active Erbſchaftsvermögen befreyte. Jetzt fällt alſo auch
jene Reſtitution des irrenden Erben als überflüſſig im All-
gemeinen hinweg, und iſt nur wieder dem Soldaten, der
das Inventarium verſäumt, vorbehalten (d); in dieſem
Fall aber betrifft ſie nicht mehr, wie früher, die unvor-
ſichtige Handlung, ſondern die bloße Unterlaſſung. Die
Richtigkeit dieſer Behauptung, daß jeder andere Irrthum
(c) L. 2 C. h. t.
(d) Gajus Lib. 2 § 163, § 5. 6
J. de hered. qualit. (2. 19.).
Die im Text enthaltenen Sätze
ſtellen den wahren Sinn und
Zuſammenhang der Inſtitutionen-
ſtelle dar. Es iſt alſo irrig, wenn
Manche glauben, es gelte noch
außer und neben dem beneficium
inventarii eine allgemeine Reſti-
tution des unvorſichtig antreten-
den Erben. (So Burchardi
Wiedereinſetzung S. 388). Aller-
dings wollte Juſtinian, wie er
ausdrücklich ſagt, dem berufenen
Erben gründlicher helfen, als es
Hadrian und Gordian gethan
hatten: nur nicht durch Erweite-
rung der Reſtitution, ſondern
durch ein ganz anderes Mittel.
In Juſtinians Sinn müſſen wir
ſagen: entweder hat der Erbe
ein Inventarium gemacht, dann
braucht er keine Reſtitution; oder
er hat es unterlaſſen, dann ver-
dient er ſie nicht. Der Soldat
freylich ſollte auch durch dieſe
Unterlaſſung nicht leiden (Num.
XXXIII.).
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