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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Irrthum und Unwissenheit.

A. Die Erbeinsetzung ist ungültig, wenn sie bewirkt
wurde durch die irrige Annahme, daß ein Intestaterbe
oder ein früher eingesetzter Erbe verstorben sey (d).

B. Sie ist ungültig, wenn sie sich gründet auf die
irrige Annahme einer Verwandtschaft zwischen dem Erb-
lasser und dem eingesetzten Erben. Bezieht sich diese irrige
Erbeinsetzung auf ein vermeyntliches, aber untergeschobe-
nes Kind des Testators, so liegt darin eine Indignität,
und die Erbschaft fällt an den Fiscus (e); in allen ande-
ren Fällen gilt die Erbeinsetzung als nicht geschrieben (f).


(d) L. 28 de inoff. (5. 2.),
L. 92 de her. inst. (28. 5.).
Die
Legate und andere Nebenbestim-
mungen des auf jenem Irrthum
beruhenden Testaments werden
aufrecht erhalten. Man sah es
freylich nicht als eine gewöhnliche
Rechtsregel an, sondern als eine
frey eingreifende Billigkeit; da-
her wird in beiden Stellen er-
wähnt, daß der Kaiser auf diese
Weise zu Hülfe gekommen sey.
(e) L. 46 pr. de j. fisc. (49.
14.), L. 4 C. de her. inst. (6
24.) "auferendam ei succes-
sionem."
Der Grund der ab-
weichenden Behandlung dieses
Falles liegt darin, daß durch die
Drohung der Confiscation dem
Verbrechen der Unterschiebung
entgegen gewirkt werden soll. --
Wären diese Stellen nicht so sehr
bestimmt, so könnte man nach
L. 1 § 11 de Carbon. ed. (37.
10.)
annehmen, auch die Ein-
setzung eines untergeschobenen
Kindes sey pro non scripta, wo-
durch das Recht des Fiscus aus-
geschlossen würde. Man muß nun
den Ausdruck dieser letzten Stelle
als einen ungenauen ansehen, so
daß der bestimmtere Erfolg allein
aus den vorher angeführten Stel-
len zu entnehmen ist. Vielleicht
ist auch das Recht des Fiscus erst
nach der Zeit des Ulpian einge-
führt, von welchem L. 1 § 11 cit.
herrührt; die L. 46 de j. fisci
ist von Hermogenian.
(f) L. 7 C. de her. inst. (6.
24.).
Der Fall dieser sehr be-
strittenen Stelle muß so gedacht
werden. Ein Peregrinus hatte
einen Andern als Bruder adop-
tirt, dann waren Beide Römi-
sche Bürger geworden, und der
Adoptirende hatte den vermeynt-
lichen Bruder zum Erben einge-
setzt. Die Kaiser erklären die
Erbeinsetzung für ungültig, weil
die vorausgesetzte brüderliche Ver-
wandtschaft gar nicht vorhanden
Irrthum und Unwiſſenheit.

A. Die Erbeinſetzung iſt ungültig, wenn ſie bewirkt
wurde durch die irrige Annahme, daß ein Inteſtaterbe
oder ein früher eingeſetzter Erbe verſtorben ſey (d).

B. Sie iſt ungültig, wenn ſie ſich gründet auf die
irrige Annahme einer Verwandtſchaft zwiſchen dem Erb-
laſſer und dem eingeſetzten Erben. Bezieht ſich dieſe irrige
Erbeinſetzung auf ein vermeyntliches, aber untergeſchobe-
nes Kind des Teſtators, ſo liegt darin eine Indignität,
und die Erbſchaft fällt an den Fiscus (e); in allen ande-
ren Fällen gilt die Erbeinſetzung als nicht geſchrieben (f).


(d) L. 28 de inoff. (5. 2.),
L. 92 de her. inst. (28. 5.).
Die
Legate und andere Nebenbeſtim-
mungen des auf jenem Irrthum
beruhenden Teſtaments werden
aufrecht erhalten. Man ſah es
freylich nicht als eine gewöhnliche
Rechtsregel an, ſondern als eine
frey eingreifende Billigkeit; da-
her wird in beiden Stellen er-
wähnt, daß der Kaiſer auf dieſe
Weiſe zu Hülfe gekommen ſey.
(e) L. 46 pr. de j. fisc. (49.
14.), L. 4 C. de her. inst. (6
24.) „auferendam ei succes-
sionem.”
Der Grund der ab-
weichenden Behandlung dieſes
Falles liegt darin, daß durch die
Drohung der Confiscation dem
Verbrechen der Unterſchiebung
entgegen gewirkt werden ſoll. —
Wären dieſe Stellen nicht ſo ſehr
beſtimmt, ſo könnte man nach
L. 1 § 11 de Carbon. ed. (37.
10.)
annehmen, auch die Ein-
ſetzung eines untergeſchobenen
Kindes ſey pro non scripta, wo-
durch das Recht des Fiscus aus-
geſchloſſen würde. Man muß nun
den Ausdruck dieſer letzten Stelle
als einen ungenauen anſehen, ſo
daß der beſtimmtere Erfolg allein
aus den vorher angeführten Stel-
len zu entnehmen iſt. Vielleicht
iſt auch das Recht des Fiscus erſt
nach der Zeit des Ulpian einge-
führt, von welchem L. 1 § 11 cit.
herrührt; die L. 46 de j. fisci
iſt von Hermogenian.
(f) L. 7 C. de her. inst. (6.
24.).
Der Fall dieſer ſehr be-
ſtrittenen Stelle muß ſo gedacht
werden. Ein Peregrinus hatte
einen Andern als Bruder adop-
tirt, dann waren Beide Römi-
ſche Bürger geworden, und der
Adoptirende hatte den vermeynt-
lichen Bruder zum Erben einge-
ſetzt. Die Kaiſer erklären die
Erbeinſetzung für ungültig, weil
die vorausgeſetzte brüderliche Ver-
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[379/0391] Irrthum und Unwiſſenheit. A. Die Erbeinſetzung iſt ungültig, wenn ſie bewirkt wurde durch die irrige Annahme, daß ein Inteſtaterbe oder ein früher eingeſetzter Erbe verſtorben ſey (d). B. Sie iſt ungültig, wenn ſie ſich gründet auf die irrige Annahme einer Verwandtſchaft zwiſchen dem Erb- laſſer und dem eingeſetzten Erben. Bezieht ſich dieſe irrige Erbeinſetzung auf ein vermeyntliches, aber untergeſchobe- nes Kind des Teſtators, ſo liegt darin eine Indignität, und die Erbſchaft fällt an den Fiscus (e); in allen ande- ren Fällen gilt die Erbeinſetzung als nicht geſchrieben (f). (d) L. 28 de inoff. (5. 2.), L. 92 de her. inst. (28. 5.). Die Legate und andere Nebenbeſtim- mungen des auf jenem Irrthum beruhenden Teſtaments werden aufrecht erhalten. Man ſah es freylich nicht als eine gewöhnliche Rechtsregel an, ſondern als eine frey eingreifende Billigkeit; da- her wird in beiden Stellen er- wähnt, daß der Kaiſer auf dieſe Weiſe zu Hülfe gekommen ſey. (e) L. 46 pr. de j. fisc. (49. 14.), L. 4 C. de her. inst. (6 24.) „auferendam ei succes- sionem.” Der Grund der ab- weichenden Behandlung dieſes Falles liegt darin, daß durch die Drohung der Confiscation dem Verbrechen der Unterſchiebung entgegen gewirkt werden ſoll. — Wären dieſe Stellen nicht ſo ſehr beſtimmt, ſo könnte man nach L. 1 § 11 de Carbon. ed. (37. 10.) annehmen, auch die Ein- ſetzung eines untergeſchobenen Kindes ſey pro non scripta, wo- durch das Recht des Fiscus aus- geſchloſſen würde. Man muß nun den Ausdruck dieſer letzten Stelle als einen ungenauen anſehen, ſo daß der beſtimmtere Erfolg allein aus den vorher angeführten Stel- len zu entnehmen iſt. Vielleicht iſt auch das Recht des Fiscus erſt nach der Zeit des Ulpian einge- führt, von welchem L. 1 § 11 cit. herrührt; die L. 46 de j. fisci iſt von Hermogenian. (f) L. 7 C. de her. inst. (6. 24.). Der Fall dieſer ſehr be- ſtrittenen Stelle muß ſo gedacht werden. Ein Peregrinus hatte einen Andern als Bruder adop- tirt, dann waren Beide Römi- ſche Bürger geworden, und der Adoptirende hatte den vermeynt- lichen Bruder zum Erben einge- ſetzt. Die Kaiſer erklären die Erbeinſetzung für ungültig, weil die vorausgeſetzte brüderliche Ver- wandtſchaft gar nicht vorhanden

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/391>, abgerufen am 24.11.2024.