Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ses Vorgeben die gerichtliche Verhandlung leicht vereiteltwerden könnte (q). Der Gegenstand des Rechtsverhältnisses, auf welchen (q) L. 83 § 1 de V. O. (45. 1.) "... actori potius creden- dum est, alioquin semper ne- gabit reus se consensisse." Es versteht sich von selbst, daß nicht der Kläger durch fehlerhafte Be- zeichnung der Sache das Mis- verständniß selbst herbeygeführt haben muß. Aber auch ohne die- ses wird der Beklagte, der das behauptete Misverständniß, und zugleich sein Interesse, wahrschein- lich machen kann, leicht Restitu- tion erhalten. -- Im ältesten Pro- zeß der Römer waren die ma- nus consertae, als Einleitung jeder Vindication, recht eigentlich darauf berechnet, das Misver- ständniß über den Gegenstand un- möglich zu machen. Bewegliche Sachen wurden dabey vor den Prätor gebracht, in das Grund- stück mußten sich die Parteyen ge- meinschaftlich hinbegeben. (r) Man denkt dabey gewöhn-
lich nur an Geldsummen, aber es kann auch bey der Waare ein Misverständniß über die Quan- tität vorkommen, z. B. wenn der Verkäufer 500 Scheffel Roggen anbietet, und der Käufer glaubt, es seyen 300 Scheffel angeboten; daneben kann der Preis nach ein- zelnen Scheffeln, oder auch zu ei- ner festen Summe im Ganzen bestimmt seyn, ohne daß bey des- sen Bezeichnung ein Misverständ- niß über die Quantität statt fin- det. -- Am leichtesten können sol- che Irrthümer über die Quanti- tät vorkommen, wenn Unterhand- lungen durch Correspondenz ge- führt, und die Zahlen undeutlich geschrieben werden. Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. ſes Vorgeben die gerichtliche Verhandlung leicht vereiteltwerden könnte (q). Der Gegenſtand des Rechtsverhältniſſes, auf welchen (q) L. 83 § 1 de V. O. (45. 1.) „… actori potius creden- dum est, alioquin semper ne- gabit reus se consensisse.” Es verſteht ſich von ſelbſt, daß nicht der Kläger durch fehlerhafte Be- zeichnung der Sache das Mis- verſtändniß ſelbſt herbeygeführt haben muß. Aber auch ohne die- ſes wird der Beklagte, der das behauptete Misverſtändniß, und zugleich ſein Intereſſe, wahrſchein- lich machen kann, leicht Reſtitu- tion erhalten. — Im älteſten Pro- zeß der Römer waren die ma- nus consertae, als Einleitung jeder Vindication, recht eigentlich darauf berechnet, das Misver- ſtändniß über den Gegenſtand un- möglich zu machen. Bewegliche Sachen wurden dabey vor den Prätor gebracht, in das Grund- ſtück mußten ſich die Parteyen ge- meinſchaftlich hinbegeben. (r) Man denkt dabey gewöhn-
lich nur an Geldſummen, aber es kann auch bey der Waare ein Misverſtändniß über die Quan- tität vorkommen, z. B. wenn der Verkäufer 500 Scheffel Roggen anbietet, und der Käufer glaubt, es ſeyen 300 Scheffel angeboten; daneben kann der Preis nach ein- zelnen Scheffeln, oder auch zu ei- ner feſten Summe im Ganzen beſtimmt ſeyn, ohne daß bey deſ- ſen Bezeichnung ein Misverſtänd- niß über die Quantität ſtatt fin- det. — Am leichteſten können ſol- che Irrthümer über die Quanti- tät vorkommen, wenn Unterhand- lungen durch Correſpondenz ge- führt, und die Zahlen undeutlich geſchrieben werden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0286" n="274"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Entſtehung und Untergang.</fw><lb/> ſes Vorgeben die gerichtliche Verhandlung leicht vereitelt<lb/> werden könnte <note place="foot" n="(q)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 83 § 1 <hi rendition="#i">de V. O.</hi> (45.<lb/> 1.) „… actori potius creden-<lb/> dum est, alioquin semper ne-<lb/> gabit reus se consensisse.”</hi> Es<lb/> verſteht ſich von ſelbſt, daß nicht<lb/> der Kläger durch fehlerhafte Be-<lb/> zeichnung der Sache das Mis-<lb/> verſtändniß ſelbſt herbeygeführt<lb/> haben muß. Aber auch ohne die-<lb/> ſes wird der Beklagte, der das<lb/> behauptete Misverſtändniß, und<lb/> zugleich ſein Intereſſe, wahrſchein-<lb/> lich machen kann, leicht Reſtitu-<lb/> tion erhalten. — Im älteſten Pro-<lb/> zeß der Römer waren die <hi rendition="#aq">ma-<lb/> nus consertae,</hi> als Einleitung<lb/> jeder Vindication, recht eigentlich<lb/> darauf berechnet, das Misver-<lb/> ſtändniß über den Gegenſtand un-<lb/> möglich zu machen. Bewegliche<lb/> Sachen wurden dabey vor den<lb/> Prätor gebracht, in das Grund-<lb/> ſtück mußten ſich die Parteyen ge-<lb/> meinſchaftlich hinbegeben.</note>.</p><lb/> <p>Der Gegenſtand des Rechtsverhältniſſes, auf welchen<lb/> ſich der Irrthum bezieht, kann ferner eine nur nach Gat-<lb/> tung und Quantität beſtimmte Sache ſeyn. Betrifft hier<lb/> der Irrthum die Gattung ſelbſt, ſo iſt der Fall dem <hi rendition="#aq">error<lb/> in corpore</hi> völlig gleich, z. B. wenn bey einem generi-<lb/> ſchen Kaufcontract der Verkäufer an Roggen, der Käufer<lb/> an Weizen denkt. Wenn über die bloße Quantität ein<lb/> Misverſtändniß unter zwey Perſonen herrſcht <note place="foot" n="(r)">Man denkt dabey gewöhn-<lb/> lich nur an Geldſummen, aber<lb/> es kann auch bey der Waare ein<lb/> Misverſtändniß über die Quan-<lb/> tität vorkommen, z. B. wenn der<lb/> Verkäufer 500 Scheffel Roggen<lb/> anbietet, und der Käufer glaubt,<lb/> es ſeyen 300 Scheffel angeboten;<lb/> daneben kann der Preis nach ein-<lb/> zelnen Scheffeln, oder auch zu ei-<lb/> ner feſten Summe im Ganzen<lb/> beſtimmt ſeyn, ohne daß bey deſ-<lb/> ſen Bezeichnung ein Misverſtänd-<lb/> niß über die Quantität ſtatt fin-<lb/> det. — Am leichteſten können ſol-<lb/> che Irrthümer über die Quanti-<lb/> tät vorkommen, wenn Unterhand-<lb/> lungen durch Correſpondenz ge-<lb/> führt, und die Zahlen undeutlich<lb/> geſchrieben werden.</note>, ſo kann<lb/> dieſe Quantität entweder der einzige Gegenſtand des Ver-<lb/> trags ſeyn, oder auf eine Gegenleiſtung ſich beziehen. Im<lb/> erſten Fall gilt als wahrer Gegenſtand des Vertrags die<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [274/0286]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
ſes Vorgeben die gerichtliche Verhandlung leicht vereitelt
werden könnte (q).
Der Gegenſtand des Rechtsverhältniſſes, auf welchen
ſich der Irrthum bezieht, kann ferner eine nur nach Gat-
tung und Quantität beſtimmte Sache ſeyn. Betrifft hier
der Irrthum die Gattung ſelbſt, ſo iſt der Fall dem error
in corpore völlig gleich, z. B. wenn bey einem generi-
ſchen Kaufcontract der Verkäufer an Roggen, der Käufer
an Weizen denkt. Wenn über die bloße Quantität ein
Misverſtändniß unter zwey Perſonen herrſcht (r), ſo kann
dieſe Quantität entweder der einzige Gegenſtand des Ver-
trags ſeyn, oder auf eine Gegenleiſtung ſich beziehen. Im
erſten Fall gilt als wahrer Gegenſtand des Vertrags die
(q) L. 83 § 1 de V. O. (45.
1.) „… actori potius creden-
dum est, alioquin semper ne-
gabit reus se consensisse.” Es
verſteht ſich von ſelbſt, daß nicht
der Kläger durch fehlerhafte Be-
zeichnung der Sache das Mis-
verſtändniß ſelbſt herbeygeführt
haben muß. Aber auch ohne die-
ſes wird der Beklagte, der das
behauptete Misverſtändniß, und
zugleich ſein Intereſſe, wahrſchein-
lich machen kann, leicht Reſtitu-
tion erhalten. — Im älteſten Pro-
zeß der Römer waren die ma-
nus consertae, als Einleitung
jeder Vindication, recht eigentlich
darauf berechnet, das Misver-
ſtändniß über den Gegenſtand un-
möglich zu machen. Bewegliche
Sachen wurden dabey vor den
Prätor gebracht, in das Grund-
ſtück mußten ſich die Parteyen ge-
meinſchaftlich hinbegeben.
(r) Man denkt dabey gewöhn-
lich nur an Geldſummen, aber
es kann auch bey der Waare ein
Misverſtändniß über die Quan-
tität vorkommen, z. B. wenn der
Verkäufer 500 Scheffel Roggen
anbietet, und der Käufer glaubt,
es ſeyen 300 Scheffel angeboten;
daneben kann der Preis nach ein-
zelnen Scheffeln, oder auch zu ei-
ner feſten Summe im Ganzen
beſtimmt ſeyn, ohne daß bey deſ-
ſen Bezeichnung ein Misverſtänd-
niß über die Quantität ſtatt fin-
det. — Am leichteſten können ſol-
che Irrthümer über die Quanti-
tät vorkommen, wenn Unterhand-
lungen durch Correſpondenz ge-
führt, und die Zahlen undeutlich
geſchrieben werden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |